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»Es hat . . .«, sagte er, ». . . es hat einmal einen solchen Ort gegeben. Ich habe dort gelebt . . . vor vielen Jahren. Ich wußte nicht, daß er nicht mehr existiert.«

»Wie seid Ihr dann hierhergekommen?« fragte ich.

»Ich wurde von dem dort herrschenden Zauberer Corwin von Amber ins Exil verbannt. Er schickte mich auf dunklen, verrückten Wegen an diesen Ort, auf daß ich hier litte und stürbe – und ich habe viel gelitten und bin dem letzten Augenblick oft nahe gewesen. Natürlich habe ich den Weg zurück finden wollen, doch niemand weiß Bescheid. Ich habe mit Zauberern gesprochen und sogar ein Geschöpf aus dem Kreis befragt, ehe wir es töteten. Doch niemand kennt die Straße nach Avalon. Euer Barde hat durchaus recht: ›Keine Meile und doch unendlich viele‹.« Er bekam das Zitat nicht genau hin. »Wißt Ihr noch den Namen des Sängers?«

»Tut mir leid – nein.«

»Wo liegt Cabra, Eure Heimat?«

»Weit im Osten, jenseits des Meeres«, sagte ich. »Die Entfernung ist wirklich sehr groß. Ein Inselkönigreich.«

»Bestünde die Chance, daß man uns von dort mit Truppen versorgt? Ich könnte ganz gut zahlen.«

Ich schüttelte den Kopf.

»Es ist ein kleines Land mit einer kleinen Miliz – und der Weg von dort ist nur in mehreren Monaten zurückzulegen – über Meer und Land. Die Leute haben außerdem nie als Söldner gekämpft und sind nicht besonders kriegerisch.«

»Dann scheint Ihr Euch von Euren Landsleuten sehr zu unterscheiden«, meinte er und musterte mich offen.

Ich nippte an meinem Wein. »Ich war Waffenmeister der königlichen Garde«, sagte ich dann.

»Seid Ihr womöglich geneigt, Euch anwerben zu lassen, meine Truppen auszubilden?«

»Ich bleibe gern ein paar Wochen«, erwiderte ich.

Er nickte, und auf seinen Lippen spielte ein gepreßtes Lächeln, das sofort wieder verflog. »Eure Andeutung, daß das schöne Avalon vernichtet sei, stimmt mich traurig«, sagte er schließlich. »Aber wenn das der Fall ist, kann ich hoffen, daß der, der mich verbannte, wahrscheinlich ebenfalls tot ist.« Er leerte sein Glas. »So hat denn auch dieser Dämon einen Augenblick erlebt, da er sich nicht zu verteidigen wußte«, sagte er nachdenklich. »Das ist ein ganz angenehmer Gedanke. Er läßt mich hoffen, daß wir im Kampf gegen unsere Dämonen vielleicht eine Chance haben.«

»Verzeihung«, sagte ich und riskierte meinen Kopf – doch aus Gründen, die ich für gut hielt. »Wenn Ihr eben Corwin von Amber meintet, so muß ich Euch sagen, daß er nicht umgekommen ist bei den Veränderungen, die vielleicht eingetreten sind.«

Das Glas in seiner Hand zerbrach.

»Ihr kennt Corwin?« fragte er.

»Nein, doch ich habe von ihm gehört«, erwiderte ich. »Vor mehreren Jahren lernte ich einen seiner Brüder kennen – einen Burschen namens Brand. Er erzählte mir von der Stadt Amber und von der Schlacht, in der Corwin und ein anderer Bruder namens Bleys eine Armee gegen ihren Bruder Eric führten, welcher die Stadt in der Gewalt hatte. Bleys stürzte dabei vom Kolvir-Berg, und Corwin wurde gefangengenommen. Nach Erics Krönung wurden Corwin die Augen ausgebrannt, und er landete in den Verliesen unter Amber, wo er vielleicht noch immer dahinvegetiert, wenn er nicht gestorben ist.«

Ganelons Gesicht hatte jede Farbe verloren.

»All die Namen, die Ihr eben erwähntet – Brand, Bleys, Eric«, sagte er. »Ich habe davon sprechen hören, vor langer Zeit. Wie lange ist es her, daß Ihr von diesen Ereignissen erfuhret?«

»Etwa vier Jahre.«

»Er hätte ein besseres Schicksal verdient.«

»Nach allem, was er Euch angetan hat?«

»Nun«, sagte der Mann. »Ich hatte inzwischen Gelegenheit, gründlich darüber nachzudenken. Es ist ja nicht so, daß seine Handlungsweise unbegründet gewesen wäre. Er war stark – stärker noch als Ihr oder sogar Lance – und schlau. Außerdem konnte er im richtigen Augenblick fröhlich sein. Eric hätte ihm einen schnellen, schmerzlosen Tod schenken sollen. Ich liebe den Burschen nicht, aber mein Haß ist doch verflogen. Der Dämon hätte ein gütigeres Schicksal verdient, das ist alles.«

In diesem Augenblick kehrte der zweite Page mit einem Korb voller frischem Brot zurück. Der andere Knabe, der auf das Fleisch aufpaßte, streifte es vom Spieß und setzte es auf einem Teller in der Mitte des Tisches ab.

Ganelon deutete mit einem Kopfnicken darauf.

»Wir wollen essen«, sagte er.

Er stand auf und begab sich an den Tisch.

Ich folgte ihm. Während der Mahlzeit sprachen wir kaum. Nachdem ich mich vollgestopft hatte, bis mein Magen nichts mehr aufnehmen wollte, und nachdem ich die Köstlichkeit mit einem zweiten Glas des zu süßen Weins hinuntergespült hatte, begann ich zu gähnen. Nach dem drittenmal stieß Ganelon eine Verwünschung aus.

»Verdammt, Corey! Hört auf damit! Es steckt an!«

Er unterdrückte ein Gähnen.

»Gehen wir doch ein bißchen an die frische Luft«, sagte er und stand auf.

So unternahmen wir einen Spaziergang auf den Mauern; vorbei an den Wächtern, die ihre Runden machten. Sobald die Männer sahen, wer ihnen da entgegenkam, nahmen sie Haltung an und salutierten, worauf Ganelon mit einem Grußwort reagierte, ehe wir weitergingen. Wir erreichten schließlich einen Wehrgang, setzten uns auf eine Balustrade und genossen die Abendluft, die kühl und feucht und voller Walddüfte war. Wir beobachteten, wie am dunkler werdenden Himmel nacheinander die Sterne erschienen. Die Mauersteine fühlten sich kalt an. In der Ferne glaubte ich den Schimmer des Meeres auszumachen. Von irgendwo unter uns hörte ich den Schrei eines Nachtvogels. Ganelon nahm Pfeife und Tabak aus einem Beutel an seinem Gürtel. Er füllte den Pfeifenkopf, drückte den Tabak fest und riß ein Streichholz an. Sein Gesicht hätte im Flackerlicht geradezu satanisch ausgesehen, wenn nicht irgendein Einfluß seine Mundwinkel nach unten gezogen und die Wangenmuskeln in jenen Winkel gehoben hätte, der von den Innenseiten der Augen und dem scharfen Nasenrücken gebildet wird. Ein Teufel stellt angeblich ein böses Grinsen zur Schau; dieses Gesicht aber wirkte viel zu bedrückt.

Ich roch den Rauch. Nach einer Weile begann er zu sprechen, zuerst leise und sehr langsam.

»Ich erinnere mich an Avalon«, begann er. »Meine Geburt dort war nicht unstandesgemäß, doch die Tugend gehörte nicht zu meinen Stärken. Ich brachte schnell mein Erbe durch und trieb mich schließlich auf den Straßen herum, wo ich Reisende überfiel. Später schloß ich mich einer Bande Gleichgesinnter an. Als ich feststellte, daß ich der stärkste war und die besten Führungsqualitäten besaß, stieg ich schnell zum Anführer auf. Für unsere Ergreifung waren Belohnungen ausgesetzt. Mein Kopfgeld war das höchste.«

Die Worte kamen nun schneller, die Stimme wurde klangvoller, die Formulierungen schienen ein Echo aus seiner Vergangenheit zu sein.

»Ja, ich erinnere mich an Avalon«, sagte er, »an einen Ort voller Silber und Schatten und kühlen Gewässern, wo die Sterne die ganze Nacht hindurch wie Feuerstellen flackerten und das Grün des Tages zugleich immer das Frühlingsgrün war. Jugend, Liebe, Schönheit – all diese Dinge erlebte ich in Avalon. Herrliche Reittiere, schimmerndes Metall, weiche Lippen, dunkles Bier, Ehre . . .« Er schüttelte den Kopf.

»Einige Zeit später«, fuhr er fort, »als im Reich der Krieg ausbrach, bot der Herrscher allen Geächteten, die ihm gegen die Aufständischen halfen, die Begnadigung an. Dieser Mann war Corwin. Ich schlug mich auf seine Seite und ritt in den Krieg. Ich wurde Offizier und – später – ein Mitglied seines Stabes. Wir gewannen unsere Schlachten, schlugen den Aufstand nieder. Schließlich hatte Corwin wieder Frieden im Lande, und ich blieb an seinem Hof. Nun begann eine Reihe guter Jahre. Später kam es zu Grenzscharmützeln, die aber stets gewonnen wurden. Sein Vertrauen in mich war so groß, daß er mir diese Aktionen überließ. Schließlich vergab er einen Herzogtitel, um einen unbedeutenden Edelmann zu ehren, dessen Tochter er zu heiraten wünschte. Doch diesen Posten hatte ich haben wollen; er hatte auch schon Andeutungen gemacht, daß ich eines Tages darauf rechnen könnte. Ich war zornig und ließ mein Kommando im Stich, als ich das nächstemal losgeschickt wurde, um eine Auseinandersetzung an der Südgrenze zu klären, wo es immer wieder zu Unruhen kam. Viele meiner Männer mußten das Leben lassen, und die Invasoren drangen in das Land ein. Ehe man sie aufhalten konnte, mußte auch Lord Corwin wieder zu den Waffen greifen. Die Angreifer waren mit einer großen Streitmacht vorgestoßen, und ich dachte schon, daß sie das ganze Land erobern würden. Ich hoffte sogar darauf. Doch Corwin, der schlaue Fuchs, wendete raffinierte Taktiken an und setzte sich wieder einmal durch. Ich floh, wurde aber gefangengenommen und zur Verurteilung zu ihm gebracht. Ich verwünschte ihn und spuckte ihn an. Ich weigerte mich, die vorgeschriebene Verbeugung zu machen. Ich haßte den Boden, auf dem er sich bewegte – ein zum Tode Verurteilter hat eben keinen Grund, sich nicht nach besten Kräften zu schlagen, nicht wie ein Mann in den Tod zu gehen. Corwin sagte, er wolle Milde walten lassen angesichts der Dinge, die ich früher getan hatte. Ich erwiderte, er solle sich seine Milde sonstwohin stecken, und erkannte schließlich, daß er sich über mich lustig machte. Er befahl, daß man mich losließ, und trat auf mich zu. Ich wußte, daß er mich mit bloßen Händen töten konnte. Trotzdem versuchte ich gegen ihn zu kämpfen, aber vergeblich. Er landete einen Schlag, und ich stürzte zu Boden. Als ich wieder zu mir kam, war ich auf den Rücken seines Pferdes gebunden. Er ritt hinter mir und verspottete mich immer wieder. Ich antwortete auf keine seiner Bemerkungen, während wir durch wundersame Länder ritten, die Alpträumen zu entstammen schienen – und so erfuhr ich überhaupt erst, daß er Zauberkräfte besitzt. Kein Reisender, den ich bisher gesprochen habe, hat jemals solche Landschaften erlebt, wie ich sie an jenem Tag sah. Dann verkündete er seinen Bannspruch und ließ mich an diesem Ort frei, machte kehrt und ritt davon.«