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Er hielt inne, um seine erloschene Pfeife neu anzuzünden, zog ein Weilchen daran und fuhr schließlich fort: »An diesem Ort habe ich von Menschen und Ungeheuern manchen Schlag, Biß und Stich hinnehmen müssen, und es ist mir manchmal schwergefallen, mit dem Leben davonzukommen. Corwin hatte mich in der schlimmsten Ecke des Landes abgesetzt. Doch eines Tages erfuhr mein Glück eine Wende. Ein Ritter in Rüstung bat mich, ihm den Weg freizugeben. Zu jener Zeit war es mir gleich, ob ich weiterlebte oder starb, und ich nannte ihn einen pockennarbigen Hurensohn und forderte ihn auf, zum Teufel zu gehen. Er griff an, und ich packte seine Lanze, deren Spitze ich in den Boden drückte, woraufhin er aus dem Sattel gehebelt wurde. Ich zog ihm mit seinem eigenen Dolch ein neues Lächeln unter das Kinn und verschaffte mir auf diese Weise ein Reitpferd und Waffen. Anschließend machte ich mich daran, es jenen heimzuzahlen, die mir Schwierigkeiten bereitet hatten. Ich nahm das alte Straßenräuberhandwerk wieder auf und versammelte eine neue Schar Gefolgsleute um mich. Die Bande wuchs. Bald zählten wir viele hundert Köpfe, und unsere Bedürfnisse waren groß. In manche kleine Stadt ritten wir ein und machten sie zu der unseren. Die örtliche Miliz begann uns zu fürchten. Auch dies war eine schöne Zeit, wenn auch nicht ganz so prunkvoll wie die Jahre in Avalon, das ich nun nie wiedersehen werde. Die Landschänken begannen das Hufgrollen unserer Bande zu fürchten, und die Reisenden machten sich in die Hosen, wenn sie uns kommen hörten. Ha! Dieses Leben währte mehrere Jahre. Schließlich schickte man große Abteilungen Bewaffneter aus, die uns aufspüren und vernichten sollten, doch wir vermochten ihnen immer wieder zu entkommen oder sie in einen Hinterhalt zu locken. Doch eines Tages tauchte der schwarze Kreis auf – und niemand weiß eigentlich, warum.«

Heftig zog er an seiner Pfeife und starrte in die Ferne.

»Man hat mir erzählt, die Erscheinung hätte als winziger Kreis von Giftpilzen begonnen, fern im Westen. In der Mitte dieses Kreises wurde ein totes Kind gefunden, und der Vater dieses Kindes starb mehrere Tage später unter Krämpfen. Die Stelle wurde daraufhin für verflucht erklärt. In den folgenden Monaten wuchs die Stelle sichtbar an, bis ihr Durchmesser eine halbe Meile betrug. Das Gras verfärbte sich dunkel und schimmerte wie Metall, doch ohne völlig abzusterben. Die Bäume krümmten sich und ihre Blätter wurden schwarz. Sie bewegten sich, auch wenn kein Wind wehte, und Fledermäuse huschten zwischen ihnen herum. Bei Dämmerung sah man seltsame Umrisse in Bewegung und Lichter wie von kleinen Feuerstellen waren die ganze Nacht hindurch zu sehen. Der Kreis setzte sein Wachstum fort, und die meisten jener, die in der Nähe lebten, ergriffen die Flucht. Einige blieben allerdings, und von ihnen hieß es, sie hätten sich mit den Wesen der Düsternis arrangiert. Der Kreis weitete sich immer mehr, breitete sich aus wie die Wellen, die ein ins Wasser geworfener Stein verursacht. Immer mehr Menschen verzichteten auf die Flucht, lebten innerhalb des Kreises weiter. Ich habe mit diesen Menschen gesprochen, mit ihnen gekämpft, sie auch getötet. Es ist, als sei in ihnen etwas gestorben. Ihren Stimmen fehlt die Regung von Menschen, die sich ihre Worte überlegen und sie auskosten. Mit ihren Gesichtern stellen sie kaum noch etwas an, sondern tragen sie wie Totenmasken. Sie begannen den Kreis hordenweise zu verlassen, begannen die Umgebung auszuräubern und dabei willkürlich zu morden. Zahlreiche Scheußlichkeiten begingen sie und zerstörten dabei heilige Stätten. Im Zurückweichen hinterließen sie gewaltige Brände. Nur Dinge aus Silber ließen sie stets liegen. Nach vielen Monaten griffen nicht nur Menschen an, sondern auch andere Wesen – seltsame Gestalten wie die Höllenkatzen, die Ihr getötet habt. Schließlich verlangsamte sich das Wachstum des Kreises und kam fast zum Stillstand, als nähere er sich einer Art Grenze. Doch inzwischen stürmten daraus alle möglichen Scheusale hervor – manche sogar während des Tages. Sie vernichteten das Land außerhalb des Kreises. Als das Gebiet rings um den Kreis in Schutt und Asche lag, rückte die Erscheinung vor, um auch diese Flächen zu verschlingen, und begann auf diese Weise erneut zu wachsen. Der alte König Uther, der mich seit langer Zeit verfolgte, vergaß mich völlig und setzte seine Streitkräfte darauf an, den Höllenkreis zu bewachen. Auch ich begann mir Sorgen darüber zu machen, da ich keine rechte Freude bei dem Gedanken hatte, im Schlaf womöglich von einem höllengezeugten Blutsauger überrascht zu werden. Ich versammelte also fünfundfünfzig meiner Männer um mich – mehr wollten sich nicht freiwillig melden, und ich konnte keine Feiglinge gebrauchen – und ritt eines Nachmittags an den unheimlichen Ort. Wir stießen auf eine Horde der totgesichtigen Menschen, die im Begriff waren, auf einem Steinaltar eine lebendige Ziege zu verbrennen, und griffen sofort an. Wir machten einen Gefangenen, fesselten ihn auf seinen eigenen Altar und verhörten ihn an Ort und Stelle. Er sagte uns, der Kreis würde sich ausdehnen, bis er das ganze Land bedecke, von Ozean zu Ozean. Eines Tages würde er sich auf der anderen Seite der Welt begegnen und schließen. Wenn wir unsere Haut retten wollten, müßten wir uns ihnen anschließen. Daraufhin verlor einer meiner Männer die Beherrschung und stach zu, und das Wesen starb. Er starb wirklich; ich weiß, wenn ein Mensch tot ist, habe ich diesen Zustand doch oft genug selbst herbeigeführt. Doch als sein Blut auf den Altarstein tropfte, öffnete sich sein Mund und das lauteste Lachen ertönte, das ich je gehört habe. Es umgab uns wie Donnergrollen. Dann richtete sich die Gestalt auf, ohne zu atmen, und begann zu brennen. Dabei veränderte sich die Gestalt, bis sie an die brennende Ziege auf dem Altar erinnerte, nur war sie größer. Im nächsten Augenblick sprach das Wesen zu uns. Es sagte: ›Flieh, Sterblicher! Aber du wirst den Kreis niemals verlassen!‹ Und das könnt Ihr mir glauben – wir sind tatsächlich geflohen. Der Himmel verdunkelte sich vor Fledermäusen und anderen – Wesen. Wir hörten Hufschlag. Wir ritten mit den Klingen in der Hand und töteten alles, was sich in unserer Nähe sehen ließ. Wir sahen Katzen, wie jene, die Ihr getötet habt, und Schlangen und hüpfende Gebilde – Gott allein weiß, was sich alles auf uns stürzte. Als wir uns dem Rand des Kreises näherten, entdeckte uns eine Patrouille König Uthers und kam uns zu Hilfe. Sechzehn von den fünfundfünfzig, die mit mir losgeritten waren, kamen mit dem Leben davon. Außerdem verlor auch die Patrouille etwa dreißig Mann. Als die Soldaten mich erkannnten, brachten sie mich sofort vor Gericht. Hierher. Dies war früher einmal Uthers Palast. Ich erzählte ihm, was ich getan und gesehen und gehört hatte. Er tat das gleiche wie Corwin. Er bot mir und meinen Männern die Begnadigung an, wenn ich mich mit ihm gegen die Wächter des Kreises verbündete. Angesichts der Dinge, die ich erlebt hatte, war mir klar, daß die Gefahr beseitigt werden mußte. Ich erklärte mich einverstanden. Doch zunächst wurde ich krank; man sagte mir, ich hätte drei Tage lang im Delirium gelegen. Nach meiner Genesung war ich schwach wie ein Kleinkind und erfuhr jetzt erst, daß die übrigen Männer, die mit mir im Kreis gewesen waren, eine ähnliche Krankheit durchmachten. Drei waren daran gestorben. Ich besuchte meine Leute, erzählte ihnen die Geschichte, und sie ließen sich anwerben. Die Patrouillen rings um den Kreis wurden verstärkt. Trotzdem konnten wir die weitere Ausdehnung nicht verhindern. In den folgenden Jahren wuchs der Kreis immer mehr. Zahlreiche Scharmützel wurden ausgefochten. Ich wurde befördert, bis ich als Uthers rechte Hand galt – eine Laufbahn, die ich schon unter Corwin durchgemacht hatte. Schließlich weiteten sich die Scharmützel aus. Immer größere Gruppen brachen aus dem Höllenloch hervor. Wir begannen Kämpfe zu verlieren. Der Gegner eroberte einige unserer Vorposten. Und eines Nachts stürmte eine Armee heran, eine Horde aus Menschen und anderen Wesen, die dort leben. In dieser Nacht bekämpften wir die größte Streitmacht, mit der wir es je zu tun gehabt hatten. Gegen meinen Rat ritt König Uther persönlich in die Schlacht – er war schon ziemlich alt – und fiel. Das Land war ohne Herrscher. Ich wollte Lancelot, meinen Ersten Mann, zum Regenten ernennen lassen, wußte ich doch, daß er viel ehrenwerter war als ich . . . Doch jetzt kommt ein seltsamer Punkt. Ich hatte zuvor in Avalon einen Lancelot gekannt, einen Mann wie ihn – doch dieser Mann kannte mich nicht, als wir uns zum erstenmal sahen. Wirklich seltsam . . . Jedenfalls lehnte er meinen Vorschlag ab, und der Titel fiel mir zu. Ich hasse diese Situation, aber so ist es nun mal. Seit über drei Jahren halte ich die unheimlichen Kräfte, so gut es geht, im Zaum. Alle meine Instinkte raten mir zur Flucht. Was schulde ich diesen Menschen? Was schert es mich, ob sich der verfluchte Kreis ausweitet oder nicht? Ich könnte über das Meer in ein Land fahren, welches der Kreis zu meinen Lebzeiten bestimmt nicht mehr erreicht, und die ganze Sache vergessen. Verdammt! Ich habe mir diese Verantwortung nicht gewünscht! Doch ich muß sie tragen!«