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Es gibt nicht einmal eine Tür, bemerkte er. Warum halten sie den Raum nicht verschlossen, wenn er ein Geheimnis birgt? Vielleicht weil es kein gar so großes Geheimnis ist?

Evar gab ihm ein Zeichen und trat durch die Öffnung. Lorkin folgte ihm und blickte sich in der riesigen Höhle um. Außer ihnen schien niemand da zu sein. Er richtete seine Aufmerksamkeit auf die Höhlenwände, und sein Herz setzte einen Schlag aus.

Sie waren über und über mit einer Unzahl glitzernder, bunter Edelsteine bedeckt. Zuerst dachte er, die Anordnung der Steine sei willkürlich, aber langsam zeichneten sich vor seinen Augen Bänder, Wirbel und Flächen ähnlicher Farbtöne ab. Als er sich umdrehte, um die Wand hinter ihnen genauer zu betrachten, stellte er fest, dass die Steine unterschiedlich groß waren – manche nur winzige Punkte, andere daumennagelgroß.

»Da machen wir die Lichtsteine«, erklärte Evar, bedeutete ihm zu folgen und trat auf einen blendend hellen Bereich der Wand zu. »Ihre Herstellung ist am einfachsten, und man sieht auch sofort, ob sie gut geworden sind. Man braucht dazu nicht einmal einen Duplikatorstein.«

»Duplikatorstein?«, wiederholte Lorkin. Evar hatte solche Steine schon früher erwähnt, aber Lorkin hatte ihren Verwendungszweck niemals ganz verstanden.

»Einen von diesen hier.« Evar wechselte abrupt die Richtung und führte Lorkin zu einem der vielen Tische in der Höhle. Er öffnete eine hölzerne Schatulle, in der in einem Bett aus feinen, daunigen Fasern ein einzelner Edelstein lag. »Bei den Lichtsteinen braucht man den wachsenden Steinen lediglich den gleichen Gedanken einzugeben, den man benutzt, um ein magisches Licht zu erschaffen. Aber bei Steinen mit komplizierteren Verwendungszwecken ist es einfacher, man nimmt einen, der bereits fertig ist und einwandfrei funktioniert, und projiziert dessen Struktur in den neu zu schaffenden Stein. Das verringert die Fehlerquote und die Zahl mangelhafter Steine, außerdem kann man mehrere Steine gleichzeitig wachsen lassen.«

Lorkin nickte. Dann deutete er auf einen anderen Bereich. »Was tun diese Steine?«

»Eine Barriere schaffen und aufrecht halten. Sie werden benutzt, um vorübergehend Wasser einzudämmen oder Steinmuren aufzuhalten. Sieh dir mal das hier an …« Sie gingen zu einer Wand mit winzigen schwarzen Kristallen. »Das werden Gedankenblocker. Ihre Herstellung dauert lange, weil sie so kompliziert sind. Es wäre einfacher, wenn sie lediglich die Gedanken des Trägers beschirmen müssten, aber sie müssen dem Träger auch die Möglichkeit geben, die Gedanken auszusenden, die ein Gedankenleser vorzufinden erwartet, um ihn in die Irre zu führen.« Evar betrachtete die winzigen Steine voller Bewunderung. »Wir haben sie nicht erfunden – wir haben sie früher von den Duna-Stämmen gekauft.«

Lorkin erinnerte sich plötzlich an Dannyls Warnung, dass die Verräterinnen die Kenntnisse für die Herstellung von Edelsteinen vom Volk der Duna gestohlen hätten. Vielleicht war das nur die Art, wie die Duna es sahen. Vielleicht war es ein weiterer Handel gewesen, der schiefgegangen war, wie der zwischen seinem Vater und den Verräterinnen.

»Treibt ihr immer noch Handel mit ihnen?«, fragte er.

Evar schüttelte den Kopf. »Wir haben sie schon vor Jahrhunderten an Kenntnissen und Fähigkeiten übertroffen.« Er schaute nach rechts. »Hier sind einige, die wir selbst entwickelt haben.« Sie näherten sich einem Bereich mit großen Edelsteinen, deren Oberfläche Licht mit einem Schillern reflektierte, das Lorkin an das Perlmutt exotischer, polierter Muscheln erinnerte. »Dies sind Rufsteine. Sie sind wie Blutsteine. Sie ermöglichen es uns, über eine gewisse Entfernung hinweg miteinander zu kommunizieren, aber man braucht dazu immer zwei Steine, die dicht nebeneinander gewachsen sind. Es kann schwierig sein, den Überblick darüber zu behalten, welche Steine miteinander verbunden sind, daher können wir noch nicht mit der Herstellung von Blutsteinen aufhören.«

»Warum solltet ihr damit aufhören?«

Evar sah ihn überrascht an. »Du kennst doch sicher ihre Schwächen?«

»Nun … lass mich raten: Der Schöpfer dieser Steine sieht nicht ständig die Gedanken des Trägers?«

»Ja, und nur die Nachricht, die der Benutzer aussendet, wird von dem Edelstein aufgefangen, nicht all seine Gedanken und Gefühle.«

»Jetzt verstehe ich, inwiefern das eine Verbesserung wäre.« Lorkin drehte sich um, um sich im Raum umzusehen. Es gab so viele verschiedene Steine, und überall an den Wänden standen teils überladene Tische. »Was bewirken diese Edelsteine?«, fragte er und deutete auf einen großen Bereich.

Evar zuckte die Achseln. »Ich weiß es nicht genau. Ich vermute, es ist ein Experiment. Irgendeine Art von Waffe.«

»Waffe?«

»Für die Verteidigung der Stadt, sollte es jemals zu einer Invasion kommen.«

Lorkin nickte und sagte nichts mehr. Fragen in Bezug auf Waffen würden selbst seinem neuen Freund verdächtig erscheinen.

»Waffensteine müssten etwas können, zu dem ein Magier selbst nicht in der Lage ist«, erklärte Evar weiter. »Das wäre für Magier von geringen Fähigkeiten oder geringer Ausbildung sehr nützlich, oder für einen, dessen Kraft erschöpft ist. Ich hoffe, sie machen unsere Angriffe zielsicherer. Ich war nicht besonders gut in den Kampfdisziplinen, also werde ich, sollten wir jemals angegriffen werden, alle Hilfe brauchen, die ich bekommen kann.«

»Würdest du überhaupt kämpfen?«, fragte Lorkin. »Soweit ich es verstehe, sind in Schlachten mit Schwarzmagiern niedere Personen wie du und ich nur als Quelle für zusätzliche Magie von Nutzen. Wir würden unsere Macht wahrscheinlich einem Schwarzmagier überlassen und dann irgendwo hingeschickt, wo wir nicht im Weg wären.«

Evar nickte und bedachte Lorkin mit einem Seitenblick. »Ich finde es immer noch seltsam, dass du höhere Magie ›schwarz‹ nennst.«

»Schwarz ist in Kyralia eine Farbe der Gefahr und der Macht«, erklärte Lorkin.

»Das hast du bereits gesagt.« Evar wandte den Blick ab und schaute sich im Raum um, als suche er nach etwas anderem, das er Lorkin zeigen konnte. Dann weiteten sich seine Augen, und er gab einen leisen Laut von sich. »Oh-oh.«

Als Lorkin sich in die Richtung wandte, in die sein Freund starrte, bemerkte er, dass eine junge Frau durch den größeren Haupteingang eingetreten war. Er widerstand der Versuchung, nach dem kleinen Hintereingang Ausschau zu halten; er musste einige Schritte entfernt sein, und die Frau würde sie gewiss jeden Augenblick bemerken.

Sieht so aus, als würden wir jetzt genau die Schwierigkeiten bekommen, vor denen Kalia uns gewarnt hat.

Einen Moment später blickte die Frau auf und entdeckte sie. Sie lächelte Evar zu, dann wanderte ihr Blick zu Lorkin, und ihr Lächeln verblasste. Sie blieb stehen, schaute ihn nachdenklich an, dann drehte sie sich um und verließ den Raum.

»Hast du genug gesehen? Denn ich denke, jetzt wäre vielleicht ein guter Zeitpunkt, um zu gehen«, sagte Evar leise.

»Ja«, erwiderte Lorkin.

Evar machte einen Schritt auf den Hintereingang zu und hielt dann inne. »Nein, lass uns durch den Hauptflur gehen. Wir wollen jetzt, da man uns gesehen hat, keinen schuldbewussten Eindruck machen.«

Sie tauschten ein grimmiges Lächeln, holten tief Luft und gingen auf den Bogengang zu, durch den die Frau verschwunden war. Sie hatten ihn fast erreicht, als eine andere Frau ihnen mit verärgerter Miene entgegenkam.

»Was hast du hier verloren?«, verlangte sie von Lorkin zu wissen.

»Hallo, Chava«, sagte Evar. »Lorkin ist mit mir hier.«

Sie blickte zu Evar. »Das sehe ich. Was hat er hier verloren?«

»Ich führe ihn herum«, erwiderte Evar. Er zuckte die Achseln. »Das ist nicht verboten.«

Der Blick der Frau verfinsterte sich noch weiter. Sie sah erst Evar, dann Lorkin und dann wieder Evar an. Sie öffnete den Mund, schloss ihn wieder, und ein Ausdruck von Verdruss huschte über ihre Züge. »Es mag nicht verboten sein«, belehrte sie Evar, »aber es gibt … noch andere Dinge zu berücksichtigen. Du weißt, wie gefährlich es ist, die Steinemacher zu unterbrechen oder abzulenken.«