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»Natürlich weiß ich das.« Evars Ausdruck und Ton waren jetzt ebenfalls ernst. »Deswegen habe ich gewartet, bis die Steinemacher dieser Höhle Feierabend gemacht hatten, und habe Lorkin auch nicht durch die inneren Höhlen geführt.«

Sie zog die Augenbrauen hoch. »Du hast nicht zu entscheiden, wann ein Besuch angebracht ist. Hast du um Erlaubnis für diesen Besuch gebeten?«

Evar schüttelte den Kopf. »Das musste ich noch nie.«

Bei dem flüchtigen Aufscheinen von Triumph in Chavas Blick verkrampfte sich Lorkin. »Das hättet ihr tun müssen«, erklärte sie ihnen. »Diese Sache muss gemeldet werden, und ich will nicht, dass einer von euch beiden mir von der Seite weicht, bis die richtigen Leute davon erfahren und entschieden haben, was mit euch geschehen soll.«

Als sie auf dem Absatz kehrtmachte und wieder auf den Eingang zuging, sah Lorkin Evar an. Der junge Mann lächelte und zwinkerte ihm zu. Ich hoffe, er hat recht damit, dass man keine Erlaubnis braucht, dachte Lorkin, während sie beide hinter Chava her eilten. Ich hoffe, es gibt nicht tatsächlich irgendein Gesetz oder eine Regel, von der mir niemand etwas gesagt hat. Die Sprecherinnen hatten ihn angewiesen, sich mit den Gesetzen des Sanktuariums vertraut zu machen und sie zu befolgen, und er war sorgfältig darauf bedacht gewesen, sich gewissenhaft daran zu halten.

Aber auch wenn seine Befürchtungen in dieser Richtung sich als unbegründet erweisen sollten, konnte er nicht so unbesorgt sein, wie Evar es war. Selbst wenn sie beide im Recht waren, hatte Chavas Reaktion die Furcht Lorkins bestätigt, dass er durch seinen Besuch der Höhlen das Vertrauen der Verräterinnen in ihn auf die Probe gestellt hatte. Er konnte nur hoffen, dass er nicht zu weit gegangen war und seine Hoffnungen auf einen Handel zwischen Verräterinnen und Gilde – oder die Möglichkeit, jemals zurückzukehren – für immer zunichtegemacht hatte.

2

Unerwartete Ankömmlinge

Dannyl legte seinen Stift beiseite, lehnte sich auf seinem Stuhl zurück und seufzte.

Ich hätte nie gedacht, dass ich als Gildebotschafter – noch dazu in einem Land wie Sachaka – untätig, gelangweilt und allein herumsitzen würde.

Da Sachaka nicht zu den Verbündeten Ländern gehörte, kamen hier keine jungen Menschen zu ihm, um sich auf magische Fähigkeiten prüfen zu lassen, weil sie sich der Gilde anzuschließen hofften, und keine Gildemagier, für die er Quartiere und Treffen arrangieren musste. Ebenso wenig musste er sich um die Belange der hiesigen Gildemagier kümmern, da es ja keine gab. Es blieben gelegentliche Treffen, um das Gespräch zwischen der Gilde und dem sachakanischen König sowie der sachakanischen Elite zu pflegen und Botschaften zu diesem Zweck zu empfangen oder zu überbringen, und ab und an die Regelung oder Delegation von Handelsangelegenheiten. Er hatte also nur sehr wenig zu tun.

Bei seiner Ankunft in Sachaka war das ganz anders gewesen. Zwar waren seine spärlichen Aufgaben die gleichen gewesen, aber er hatte auch viel Zeit – für gewöhnlich die Abende – damit verbracht, wichtige und mächtige Sachakaner zu besuchen. Seit er von seiner Suche nach Lorkin und dessen Entführerin aus den Bergen zurückgekehrt war, gab es kaum noch Einladungen von Ashaki, die mit ihm speisen und sich mit ihm unterhalten wollten.

Dannyl stand auf, zögerte dann aber. Es gefiel den Sklaven nicht, wenn er im Gildehaus auf und ab ging. Sie huschten ihm aus dem Weg oder spähten um Ecken, um ihn zu beobachten. Ihre gewisperten Warnungen eilten ihm in solchen Fällen voraus, was immer eine Ablenkung war. Er ging auf und ab, um nachzudenken, und konnte keine getuschelten Störungen seiner Gedanken gebrauchen.

Irgendwann werden sie es schon schaffen, sich so zu verständigen, dass ich nichts mehr davon höre oder sehe, sagte er sich und trat hinter dem Schreibtisch hervor. Entweder das, oder ich werde mich daran gewöhnen müssen, in meinem Zimmer im Kreis zu laufen.

Als er aus seinem Arbeitszimmer in den Hauptraum seiner Wohnung trat, warf sich ein Sklave, der an der Wand gestanden hatte, zu Boden. Dannyl machte eine abschätzige Handbewegung. Der Sklave warf ihm einen vorsichtigen, forschenden Blick zu, dann rappelte er sich hoch und verschwand im Flur.

Langsam durchquerte Dannyl den Raum und trat ebenfalls in den Flur. Es war seltsam, aber die Anlage der sachakanischen Häuser selbst erhöhte den Reiz, darin umherzuwandern. Die Wände waren selten gerade, und die Flure des größeren, privaten Teils des Hauses wanden sich in eleganten Kurven, die irgendwann zusammenliefen.

Die nächste Gruppe von Räumen hatte Lorkin gehört. Dannyl hielt im Eingang dazu inne, dann ging er hinein. Er rechnete jetzt jeden Tag damit, dass ein Ersatz für seinen Assistenten eintraf und hier Quartier bezog. Schließlich ging er zur Schlafzimmertür und starrte auf das Bett.

Ich denke, ich sollte dem Nachfolger gegenüber lieber nicht erwähnen, dass dort einmal eine tote Sklavin gelegen hat, ging es ihm durch den Kopf. Mich würde dieses Wissen beunruhigen, und ich würde wahrscheinlich nächtens wach liegen und müsste mich zwingen, mir nicht vorzustellen, dass neben mir eine Leiche liegt.

Die Leiche war eine unangenehme Entdeckung gewesen, aber weniger schlimm als die Entdeckung, dass Lorkin zusammen mit einer anderen Sklavin verschwunden war. Zuerst hatte er sich gefragt, ob Sonea mit ihrer Befürchtung richtiggelegen hatte, dass die Familien der sachakanischen Eindringlinge, die sie und Akkarin vor über zwanzig Jahren getötet hatten, Rache an ihrem Sohn nehmen würden.

Nachdem er die Sklaven verhört hatte und den gesammelten Hinweisen gefolgt war – mithilfe des Repräsentanten des sachakanischen Königs, Ashaki Achati –, hatte er entdeckt, dass dies nicht der Fall war. Lorkin war vielmehr von Rebellen entführt worden, einer Gruppe, die sich die Verräterinnen nannte. Achati hatte veranlasst, dass sich ihnen fünf sachakanische Ashaki anschlossen, und sie hatten Lorkin und seine Entführerin in die Berge verfolgt. In das von den Verräterinnen beherrschte Territorium.

Lediglich sechs sachakanische Magier und ein einziger der Gilde hätten einem Angriff der Verräterinnen jedoch niemals standhalten können. Dannyl hatte inzwischen begriffen, dass die Verräterinnen nur deshalb nicht angegriffen hatten, weil das zu weiteren Einfällen in ihr Territorium hätte führen können. Wären Dannyl und seine Helfer allerdings dem Stützpunkt der Verräterinnen zu nahe gekommen, hätten diese sie getötet. Glücklicherweise hatten die Rebellen ein Treffen zwischen ihm und Lorkin arrangiert, und sein Gehilfe hatte ihm versichert, dass er mit den Verräterinnen gehen und mehr über sie herausfinden wolle.

Dannyl wandte sich von Lorkins ehemaligem Schlafzimmer ab und verließ langsam die Wohnung, wobei sich ein Gefühl der Düsternis in ihm ausbreitete. Er war erleichtert gewesen zu erfahren, dass Lorkin in Sicherheit war. Er hatte es sogar aufregend gefunden, dass Lorkin hoffte, etwas über Magie zu erfahren, von der die Gilde keine Kenntnis hatte. Eines war ihm jedoch nicht klar gewesen: wie peinlich diese Situation für die Ashaki gewesen war, die mit ihm ausgezogen waren, um Lorkin zu befreien.

Sie waren verpflichtet gewesen, so lange zu suchen, bis Lorkin gefunden wurde. Aus Furcht vor einem Angriff aufzugeben hätte für sie Gesichtsverlust bedeutet. Dannyl hatte ihnen diese Demütigung erspart, indem er die Entscheidung selbst traf. Es war ihm nur gerecht erschienen, nachdem sie sich für ihn und Lorkin in Gefahr gebracht hatten. Aber ihm war nicht klar gewesen, welchen Schaden dadurch sein Ansehen bei der sachakanischen Elite nehmen würde.

Der Flur zweigte nach links ab. Dannyl strich mit den Fingerspitzen über die weißgetünchte Wand, dann blieb er am Eingang zu einer weiteren Wohnung stehen. Diese Räume waren für Gäste bestimmt und in den vielen Jahren, in denen die Gilde das Gebäude schon benutzte, nur selten bewohnt gewesen.