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Wieder nickten etliche Anwesende zustimmend. In Sonea stieg ein leichtes Unbehagen auf. Die beiden Mädchen hatten sich in gleichem Maße schuldig gemacht, soweit es sie betraf. Es gab keinen Beweis dafür, dass Lilia Lord Leiden getötet hatte. Das einzige beweisbare Verbrechen bestand darin, dass sie versucht hatten, schwarze Magie zu erlernen. Dass Lilia dabei Erfolg gehabt hatte, war ein bedauerliches Ergebnis, aber kein vorsätzliches von ihrer Seite.

Waren hier Vorurteile im Spiel? Naki entstammte der Oberklasse; Lilia kam aus einer Familie von Dienstboten. Naki war hübsch und beliebt; Lilia war still und hatte wenig Freunde.

»Die Strafe muss schwer genug sein, um andere Novizen davon abzuhalten zu versuchen, schwarze Magie zu erlernen«, fügte Vinara hinzu.

»Ich schlage vor, dass wir Nakis Abschluss hinauszögern«, sagte Direktor Jerrik. »Sie hat ihren Vater verloren. Das ist schmerzlich genug. Außerdem muss sie mit der plötzlichen Verantwortung fertig werden, die einzige Erbin des Vermögens ihrer Familie zu sein. Sie wird in ihren Studien wahrscheinlich ohnehin zurückfallen.«

»Sie sollte sich öffentlich entschuldigen«, warf Garrel ein. »Und ihre Rückkehr an die Universität sollte davon abhängig gemacht werden, dass sie kein weiteres Verbrechen begeht.«

»Wie lange sollten wir ihren Abschluss verzögern?«, fragte Osen.

»Ein Jahr?«, schlug Jerrik vor.

»Drei«, sagte Vinara entschieden. »Die Strafe soll ein Abschreckungsmittel sein, kein Urlaub.«

»Irgendwelche Einwände oder Vorschläge?«, fragte Osen. Niemand sprach. Er nickte. »Was ist mit Lilias Strafe?«

»Das hängt davon ab, ob sie Lord Leiden getötet hat«, bemerkte Peakin. »Welche Beweise haben wir?«

»Gar keine«, antwortete Kallen. »Es gab keine Zeugen. Die Diener haben nichts gehört oder gesehen. Wir haben nur Nakis Schlussfolgerung, dass Lilia schwarze Magie erlernt habe und die einzige Person im Haus mit dem entsprechenden Wissen war, so dass sie die Schuldige sein musste.«

»So ausgedrückt scheint es offensichtlich zu sein, dass es Lilia war«, sagte Vinara. Sie sah Sonea an, und ihre Mundwinkel zuckten nach oben. »Wäre da nicht die Tatsache, dass sie sich an nichts erinnern kann. Macht sie den Eindruck, als könnte sie eine Mörderin sein?«

Sonea schüttelte den Kopf. »Nein. Sie ist ziemlich entsetzt und voller Angst, dass sie es im Schlaf oder unter dem Einfluss von Feuel getan haben könnte.«

»Könnte sie unter Drogen gehandelt haben und sich nicht daran erinnern?«, fragte Peakin. »Naki hat es ihr gegenüber schließlich angedeutet.«

Sonea schauderte. »Ich habe gelernt, mich nicht mehr überraschen zu lassen, wenn es um die vielen abträglichen Wirkungen von Feuel geht, aber ich habe noch nie zuvor gehört, dass so etwas geschehen wäre. Und selbst wenn etwas derart Außergewöhnliches vorgefallen ist, bedeutet das immer noch, dass Lilia Lord Leiden nicht bewusst und vorsätzlich ermordet hat. Es könnte nur als ein Unfall betrachtet werden.«

Ein kurzes, nachdenkliches Schweigen senkte sich über den Raum. Der Hohe Lord Balkan trat vor.

»Eines ist bekannt: Lilia hat schwarze Magie erlernt. Der König und das Volk werden von uns erwarten, dass wir sicherstellen, dass sie, sollte sie am Leben bleiben, niemanden gefährdet.«

»Wir müssen ihre Kräfte blockieren«, sagte Vinara.

»Kann man ihre Kräfte blockieren?«, fragte Peakin und blickte zwischen Kallen und Sonea hin und her.

»Es hat noch nie zuvor jemand versucht, die Kräfte eines Schwarzen Magiers zu blockieren«, erklärte sie ihm. »Ob es möglich ist, können wir erst herausfinden, wenn wir es versuchen.«

»Wenn es uns gelingt, was tun wir dann mit ihr?«, fragte Garrel. »Sie ist keine Magierin mehr und damit kein Mitglied der Gilde, aber wir können sie auch nicht auf die Straße setzen.«

»Sie wird ständig bewacht werden müssen«, sagte Peakin. »Wer wird das übernehmen?«

Blicke wurden getauscht. Mienen wurden grimmig. Ein Frösteln überlief Sonea.

»Gewiss haben wir eine bessere Möglichkeit, als sie in den Ausguck zu stecken«, sagte sie laut.

»Ich sehe nicht, dass wir eine Wahl hätten«, erwiderte Vinara. Die anderen nickten.

»Bis die Ursache für Lord Leidens Tod geklärt ist, wissen wir nicht, ob man ihr vertrauen kann oder nicht«, fügte Garrel hinzu. »Wenn sie jemanden im Schlaf getötet hat … nun, wir wollen nicht, dass das noch einmal geschieht.«

»Die Gilde hatte seit Jahren keinen Gefangenen mehr«, murmelte Lord Telano. »Plötzlich hat sie zwei.«

Sonea zuckte leicht zusammen. Die letzten Gefangenen waren sie und Akkarin gewesen, obwohl man sie nicht lange festgehalten hatte.

»Lasst uns sicherstellen, dass sie es so behaglich wie möglich hat und gut versorgt wird«, sagte Osen. »Es erscheint mir durchaus richtig, dass ihre Strafe weniger hart ausfällt als die Lorandras, von der wir wissen, dass sie Gesetze gebrochen und andere getötet hat. Sind wir uns in diesem Punkt einig?«

Zustimmendes Gemurmel folgte. Osen sah Sonea an. »Ihr wirkt bekümmert, Schwarzmagierin Sonea.«

Sie nickte. »Ich bin durchaus der Meinung, dass eine Strafe vonnöten ist, aber … sie ist kein schlechter Mensch, und sie ist so jung. Es ist eine Schande, sie für den Rest ihres Lebens einzusperren. Vielleicht könnten wir ihren Fall in einigen Jahren noch einmal betrachten, wenn auch sie ein gutes Benehmen an den Tag gelegt hat.«

Er schürzte die Lippen, während er nachdachte. »Wie viele Jahre?«

»Zehn?«, schlug irgendjemand vor. Sonea zuckte erneut zusammen, als die anderen zustimmten, nickte jedoch, als Osen sie ansah. Sie bezweifelte, dass sie die anderen Magier zu einer kürzeren Zeit würde überreden können.

»Also, wer wird ihre Kräfte blockieren?«, fragte er und schaute zwischen ihr und Kallen hin und her.

»Ich übernehme das«, erwiderte sie. »Wenn Ihr keine Einwände habt, möchte ich mir ihre Erinnerungen noch einmal ansehen.«

Er lächelte und nickte. »Keine Einwände. Wenn Ihr irgendetwas herausfinden könnt, das mehr Licht auf die Ereignisse der vergangenen Nacht wirft, wäre das überaus willkommen.« Er sah die anderen Magier an. »Und jetzt müssen wir uns der Frage von Lord Leidens Ermordung zuwenden. Wir wissen, wo sich Sonea und Kallen zur fraglichen Zeit aufgehalten haben. Wenn Lilia ihn nicht getötet hat, wer war es dann?«

13

Schwierige Entscheidungen

Ein Kratzen riss Lilia aus ihren Gedanken, und als sie sich umdrehte, sah sie, dass die Tür der Kuppel zurückwich. Als die Tür zur Seite glitt, trat an ihre Stelle ein Kreis aus kaltem Licht, vor dem sich die Silhouette einer Magierin abzeichnete. Die Magierin winkte, daher stand Lilia auf und ging gehorsam durch den Raum und zur Tür hinaus.

Als ihre Augen sich an das Licht gewöhnt hatten, bemerkte sie, dass es später Nachmittag war. Ich war weniger als einen Tag dort drin, dachte sie. Es kam mir viel länger vor. Obwohl es anderthalb Tage gewesen sein könnten. Aber dann hätte ich Hunger. Ihr Magen knurrte. Nun, größeren Hunger.

»Es ist Zeit, Lilia.«

Lilia begriff, dass die Magierin Schwarzmagierin Sonea war, und machte eine hastige Verbeugung. Die Frau musterte Lilia mitfühlend. Einige Schritte entfernt warteten zwei weitere Magier. Lilia mied ihre Blicke und schloss sich Sonea an, als diese auf die Universität zuging.

»Ich wünschte, wir könnten diese Anhörung vermeiden«, sagte Sonea. »Aber ich fürchte, das ist unmöglich. Ihr und Naki müsst vor der Gilde verurteilt werden.«

Lilia nickte. »Ich verstehe.«

»Es ist Euch verboten, miteinander zu sprechen«, fügte Sonea leise hinzu. »Sprecht nur, wenn man Euch auffordert oder Ihr eine Frage beantworten müsst.«

Lilia nickte. Sie konnte aus dem Augenwinkel sehen, dass Sonea sie eingehend musterte, und begriff, dass von ihr eine eindeutige Antwort erwartet wurde zum Zeichen, dass Lilia sie wirklich gehört und verstanden hatte.