Interessant, dass er derjenige ist, der spricht, obwohl die Frau doch als das Oberhaupt der Familie gilt, überlegte Lorkin.
Er spürte eine Hand auf der Schulter, und als er sich umdrehte, stand Savara neben ihm. »Du solltest dich besser ein wenig ausruhen. Ich nehme an, das erfordert mehr Magie, als es den Anschein macht.«
Er zuckte die Achseln, obwohl sie recht hatte. Sie blickte zu der Frau auf, die ihn in den Raum gebracht hatte, woraufhin diese die Tür einen Spaltbreit öffnete, um hinauszusehen, bevor sie sich wieder umdrehte und nickte.
»Du gehst zuerst«, murmelte Savara. »Wir werden getrennt aufbrechen, um weniger Verdacht zu erregen, falls man uns sieht.«
Nachdem er hinausgeschlüpft war, machte er sich auf den Weg zum Männerraum. Savara schien vorzuhaben, die Heilung des Mädchens geheim zu halten. Würde es Verdacht erregen, wenn sich das Mädchen erholte? Es war jedenfalls vorläufig immer noch krank und würde niemanden damit überraschen, dass es morgen gesund und munter herumtobte. Es würde eine Reihe von Tagen brauchen, um zu genesen – vorausgesetzt, dass das Mädchen die Krankheit überhaupt überstand. Die meisten Menschen hier würden das nicht verdächtig finden, aber ob das auch für Kalia galt, die wusste, wie schlecht es um die kleine Patientin bestellt war, musste zweifelhaft bleiben.
Ich schätze, ich werde es bald herausfinden.
Als Achatis Sklaven den Rest der Mahlzeit forträumten, wollte Dannyl noch einen Schluck Wein nehmen, besann sich dann jedoch eines Besseren. Es war ein besonders starker Jahrgang, und das Essen war ausgesprochen würzig gewesen. Ihm drehte sich der Kopf bereits auf eine beinahe unangenehme Art und Weise.
Für einen Magier war es niemals klug, sich allzu sehr zu betrinken. Alle Magier erhielten ein stetiges Maß an Kontrolle über ihre Kräfte aufrecht, und unter dem Einfluss von Alkohol konnte ihnen diese Kontrolle ein wenig entgleiten. Im Allgemeinen war es eher peinlich als gefährlich, obwohl es im Laufe der Jahre etliche Magier gegeben hatte, die, nachdem sie sich etwas zu viel gegönnt hatten, versehentlich ihre Häuser niedergebrannt hatten.
Einige Drogen – besser bekannt als Gifte – konnten einem Magier jede Kontrolle rauben, was auf spektakuläre Weise fatal sein konnte. Er hatte über einige Zwischenfälle in der frühen kyralischen Geschichte gelesen, größtenteils vor der Entdeckung der magischen Heilkunst. Glücklicherweise hatten die Drogen Nebenwirkungen, die die Opfer auf die Gefahr aufmerksam machten, und sie hatten Zeit, das Gift aus ihrem Körper zu entfernen, wenn sie wussten, wie man es anstellte.
Dannyl sah Achati an, der ihn nachdenklich beobachtete. Sofort verspürte er ein Kribbeln der Sorge, aber auch sein Pulsschlag beschleunigte sich ein wenig. Er erinnerte sich an den Tag, an dem Achati sein Interesse verraten hatte, dass sie mehr wären als Magierkollegen und Diplomaten. Mehr als Freunde.
Dannyl hatte sich geschmeichelt gefühlt, war aber auch auf der Hut gewesen. Als er ihn zögern sah, hatte Achati Dannyl vorgeschlagen, die Idee für eine Weile zu erwägen.
Wie lang ist eine Weile?
Dannyl musste zugeben, dass er die Idee erwogen hatte. Er mochte Achati sehr. Er fühlte sich auf eine ganz andere Art zu Achati hingezogen, als er sich zu Tayend hingezogen gefühlt hatte. Achati war intelligent und ein interessanter Gesprächspartner. Nicht dass Tayend das nicht gewesen wäre, aber er neigte auch dazu, schnippisch, töricht und gelegentlich gedankenlos zu sein. Nichts von alledem traf jemals auf Achati zu.
Aber irgendetwas ließ Dannyl zögern, und er hatte eine ziemlich gute Vorstellung davon, was es war: Achati war ein mächtiger Mann, sowohl in magischer als auch in politischer Hinsicht. Dannyl fand diesen Umstand attraktiv, bis ihm einfiel, dass Achati ein Sachakaner und ein Schwarzmagier war, und dann konnte er nicht umhin, sich an die Invasion der Ichani zu erinnern und wie nah Kyralia daran gewesen war, von bloßen Ausgestoßenen dieser mächtigen Gesellschaft erobert zu werden.
Er ist kein Ichani, rief Dannyl sich ins Gedächtnis. Es hat sich herausgestellt, dass es in Sachaka keineswegs von ehrgeizigen, mordlustigen und auf Eroberung erpichten Schwarzmagiern nur so wimmelt. Achati ist das Gegenteil eines Ichani – zivilisiert und bedacht auf Frieden zwischen unseren Ländern.
Trotzdem, es ist niemals weise, Politik und Vergnügen zu vermischen … es sei denn, das Vergnügen wäre Politik.
Falls die Verwicklungen und tragischen Romanzen der Höflinge der Verbündeten Länder ein Maßstab waren, konnten die Dinge wirklich schmutzig werden und sich zu guter Letzt als nachteilig für mindestens einen der Beteiligten erweisen. Aber dies war keine jener Romanzen, bei denen es um heimliche Hochzeiten oder skandalöse Affären ging. Es war nichts, was seine Loyalität Kyralia gegenüber in Zweifel ziehen würde. Er konnte sich nicht vorstellen, dass Achati unvernünftige Erwartungen hatte und unrealistische Versprechungen geben würde …
»Worüber denkt Ihr nach?«, fragte Achati.
Dannyl sah seinen Gefährten an und zuckte die Achseln. »Nichts.«
Der Sachakaner lächelte. »Es ist eine seltsame Angewohnheit von Euch Kyraliern zu behaupten, einen leeren Kopf zu haben, wenn Ihr über Eure Gedanken nicht sprechen wollt.«
»Oder wenn unsere Gedanken zu verworren und uneindeutig sind – höchstwahrscheinlich vom Wein –, um sie zu erklären – was wahrscheinlich ebenfalls am Wein liegt«, erwiderte Dannyl.
Achati lachte leise. »Ja, das kann ich mir vorstellen.« Er schaute Dannyl an und runzelte die Stirn. »Es gibt da etwas, das ich Euch sagen muss, und ich bin mir nicht sicher, ob es Euch nicht missfallen wird.«
Ein kleiner Stich der Enttäuschung durchzuckte Dannyl. Er hatte sich beinahe selbst dazu überredet, Achatis Antrag anzunehmen, aber jetzt, da Achati ernster wurde, kehrten Dannyls Zweifel langsam zurück.
Wie würde sich eine solche Verbindung, sollte sie entdeckt werden, auf unser Ansehen in der sachakanischen Gesellschaft auswirken? Dann fiel ihm ein, dass sie kurz davorstanden, Arvice zu verlassen. Aus den Augen, aus dem Sinn. Diese Reise könnte die perfekte Gelegenheit sein …
»Ich habe mich einverstanden erklärt, eine weitere Person auf unsere Forschungsreise mitzunehmen«, sagte Achati. »Er war ziemlich überzeugend, und ich kann an seinen Argumenten keinen Fehler entdecken. Ich habe bereits versprochen, dass ich ihm, sollten ihm die Dinge hier ein wenig über den Kopf wachsen, helfen würde, dem Interesse der Ashakis zu entkommen.«
Dannyl wurde flau im Magen. Dann folgte seiner Enttäuschung über Achatis Worte ein aufkeimender Verdacht.
»Wer?«
Achati lächelte. »Ich habe zugestimmt, Botschafter Tayend mitzunehmen.«
Dannyl wandte den Blick ab, um sein Missfallen zu verbergen. »Ah«, war alles, was er sich zu sagen zutraute.
»Es missfällt Euch.« Achati klang besorgt. »Ich dachte, Ihr beide würdet gut miteinander auskommen.«
Dannyl zwang sich, die Achseln zu zucken. »Das tun wir auch.« Ich nehme an, ich kann Achati nicht bitten, Tayend zurückzulassen, ohne alle möglichen Peinlichkeiten und Kränkungen zu verursachen. »Doch einen möglichen Nachteil hätte es. Ich vermute, er hat versäumt, Euch etwas sehr Wichtiges zu erzählen.«
Achati runzelte die Stirn. »Und was ist das?«
Dannyl brauchte sich bei dieser Erinnerung nicht zu einem Lachen zu zwingen. »Tayend wird schrecklich, unerträglich, beinahe tödlich seekrank.«
14
Ränke
Lilia musterte ihre Umgebung, nicht sicher, ob sie wach war oder noch träumte. Eine Zeitlang lag sie still da, dann kam sie zu dem Schluss, dass sie wach sein müsse, weil sie kein Gefühl drohender Gefahr empfand, das in ihren Träumen zu ihrem ständigen Begleiter geworden war.
Nichts bewegte sich, nichts veränderte sich, und nichts machte ein Geräusch oder sprach. Ah. Ich habe mich geirrt. Hier ist doch eine Art von Gefahr, aber sie ist subtiler und finsterer. Es ist der vollkommene Mangel an Ereignissen. Es ist die Gefahr endloser, einförmiger Stunden, die sich unendlich in die Zukunft erstrecken.