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Zweiter Teil

16

Ängste und Sorgen

Als die Kutsche die Gilde verließ, sah Sonea Rothen an und bemerkte einen nachdenklichen Ausdruck auf seinem Gesicht.

»Was gibt es?«, fragte sie.

»Noch vor wenigen Monaten hättest du um Erlaubnis bitten müssen, um Dorrien und seine Familie zu besuchen«, erwiderte der alte Magier. »Jetzt hinterfragt niemand dein Tun. Wie schnell sich die Dinge ändern können.«

Sonea lächelte grimmig. »Ja. Aber sie könnten sich auch genauso schnell wieder in die andere Richtung ändern. Es wäre nur ein einziger unglücklicher Zwischenfall notwendig, und ich würde Lilia Gesellschaft leisten.«

Rothen blickte gequält drein. »Sie hat vorsätzlich versucht, schwarze Magie zu erlernen.«

»Das stimmt. Ich frage mich, ob sie es auch getan hätte, wäre ihr Sinn nicht von Feuel verwirrt gewesen.«

»Wie meinst du das?«

»Es heißt, Feuel führe dazu, dass einem Menschen alles gleichgültig wird. Was reizvoll ist, wenn man Sorgen hat, die man gerne für eine Weile vergessen würde, aber Feuel löscht auch jede Sorge um die Konsequenzen der eigenen Taten aus – und es scheint das gründlicher zu tun als Alkohol.«

»Denkst du, andere könnten vielleicht den gleichen Fehler machen wie sie?«

»Nur wenn sie unter vollem Einfluss von Feuel zufällig über Bücher stolpern, die Anweisungen über das Erlernen von schwarzer Magie enthalten. Es hängt davon ab, ob es da draußen noch weitere Bücher dieser Art gibt.« Sonea seufzte. »Lord Leiden hat das Gesetz gebrochen, indem er sein Exemplar nicht der Gilde ausgehändigt hat.«

»Sollten wir anfangen, private Bibliotheken zu durchsuchen?«

»Ich bezweifle, dass wir irgendetwas finden würden. Jeder, der weiß, was er in seiner Bibliothek hat, würde alles Verdächtige entfernen und verstecken, sobald er davon hörte, dass eine Durchsuchung möglich ist.«

Rothen nickte zustimmend. »Es könnte Jahre dauern, um die größeren Bibliotheken gründlich genug durchzugehen«, fügte er hinzu. »Sind wir denn der Entdeckung von Leidens Mörder näher gekommen?«

Sie schüttelte den Kopf. »Offensichtlich hat noch jemand schwarze Magie erlernt. Entweder das, oder es war Kallen, und diejenigen, die bezeugt haben, dass er in dieser Nacht woanders war, haben gelogen. Es überrascht mich, dass Osen uns nicht aufgefordert hat, die Gedanken des jeweils anderen zu lesen.« Die Kutsche kam zum Stehen. Sonea entriegelte die Tür, kletterte hinaus und drehte sich dann um und wartete, während Rothen ihr folgte.

»Soviel ich gehört habe, gab es genug Zeugen, die bestätigen, dass ihr beide euch zum Zeitpunkt der Ermordung an anderen Orten aufgehalten habt, um auf eine Gedankenlesung zu verzichten.«

Sonea wandte sich der Tür des Gebäudes zu. Die Gilde hatte es gemietet, um dem Mangel an Räumen auf dem Gelände für Magier abzuhelfen. Wenn Dorrien allein in die Gilde kam, wohnte er bei seinem Vater, aber in Rothens Räumen war nicht genug Platz für zusätzliche Erwachsene und zwei ältere Mädchen.

Von draußen sah es aus wie das große Haus einer Familie. Sonea ging zur Tür hinauf und klopfte an. Ein Mann in der Dienstbotenuniform der Gilde öffnete. Er begrüßte sie, trat beiseite und verneigte sich, als sie an ihm vorbei in die Eingangshalle gingen.

Es war ein verschwenderisch dekorierter Raum, mit Treppen, die zu einem Obergeschoss hinaufführten. Früher wäre es das Heim einer reichen Familie aus einem der Häuser gewesen, aber jetzt war das Gebäude in vier Bereiche unterteilt worden, die Quartiere für vier Magier und ihre Familien boten. Zu Anfang war die Idee, ein großes Haus zu teilen, auf Widerstand gestoßen, weil man annahm, dass Magier zu stolz wären, um sich ein Gebäude mit anderen zu teilen. Aber die Vorstellung erwies sich als beliebt unter jungen Magiern mit Familien aus den unteren Klassen, die unverzüglich erkannten, dass diese Lösung viel mehr Platz für ihre Kinder bot als eine Zimmerflucht in den Magierquartieren.

Der Diener führte sie hinauf zu einer großen Tür, die ausfüllte, was einst wohl eine Öffnung zu einem Flur gewesen war, und als Dorrien die Tür öffnete, verbeugte sich der Mann und machte sie förmlich miteinander bekannt.

»Danke, Ropan«, sagte Dorrien und grinste, während er Sonea und Rothen in ein großes Gästezimmer geleitete. Tylia und Yilara saßen auf zweien der Stühle, und Sonea bemerkte, dass sie Kleider trugen, die eher der Mode der Stadt entsprachen. »Willkommen in unserem neuen Heim. Es ist viermal so groß wie unser Haus. Alina macht sich Sorgen, dass wir uns so sehr daran gewöhnen werden, dass es uns daheim ziemlich eng vorkommen wird, wenn wir zurückkehren. Hier ist sie.«

Eine Frau war in einer Nebentür erschienen, die Hände gefaltet und einen ängstlichen Ausdruck auf dem Gesicht. Ihr Blick flog zu Sonea hinüber und sank auf die schwarzen Roben hinab, dann verhärteten sich ihre Züge, und sie schaute weg. Sie lächelte nervös, als Dorrien sie drängte, sich ihnen anzuschließen. Die beiden Mädchen standen widerstrebend auf und verneigten sich, hielten sich aber ein oder zwei Schritte entfernt, während die Erwachsenen Freundlichkeiten austauschten.

»Wie gefällt es Euch hier?«, fragte Sonea Alina.

Alina sah Dorrien an. »Es wird ein Weilchen dauern, bis ich mich daran gewöhnt habe«, antwortete die Frau leise. »Ich koche eigentlich lieber selbst, aber Dorrien meint, ich solle es den Dienern überlassen.«

»Wo kochen sie denn?«

»Im Keller«, erwiderte Alina. »Sie kochen für alle Familien, die hier wohnen. Es sieht so aus, als hätten sie heute Abend mehr Diener hier. Ich hoffe, dass ist nicht unsere Schuld.«

Dorrien lächelte. »Lord Beagir bewirtet ebenfalls Gäste«, sagte er. Dann sah er Rothen und Sonea an. »Kommt mit ins Esszimmer.«

»Esszimmer, hm?« Rothen lachte leise und öffnete den Mund, um etwas hinzuzufügen, aber Dorrien runzelte die Stirn, schüttelte den Kopf und schaute Alina an, die sich abgewandt hatte. Sieht so aus, als fühle Alina sich nicht wohl mit all dem Luxus hier, ging es Sonea durch den Kopf. Dorrien will nicht, dass Rothen ihn damit aufzieht, weil sie sich dann nur noch schlechter fühlen wird.

Sie gingen in einen Raum mit einem großen Tisch und acht Stühlen. Am Ende des Raums stand in einer Nische ein Gong von der Größe eines Esstellers. Als sie alle auf den Stühlen Platz genommen hatten, schaute Dorrien zu dem Gong hinüber, und der Klöppel bewegte sich und erfüllte den Raum mit einem angenehmen Läuten. Alinas Lippen wurden schmal, und sie schüttelte den Kopf.

Es erschien ihr wahrscheinlich wie eine übertriebene Extravaganz, aber das Geräusch ließ die Diener wissen, dass die Familie bereit für ihre Mahlzeit war. Und tatsächlich, zwei männliche Dienstboten erschienen mit Tabletts, die beladen waren mit Schalen und Tellern mit den verschiedensten Speisen. Als sie damit fertig waren, das Essen auf dem Tisch zu arrangieren, klemmten sie sich ihre leeren Tabletts unter den Arm und erkundigten sich, welche Getränke sie bringen sollten. Dorrien bat um Wein und Wasser.

Dorrien verzichtete allerdings auf die altmodische Sitte, seine Gäste selbst zu bedienen, und lud sie einfach ein anzufangen. Sie nahmen sich von den verschiedenen Speisen und begannen zu essen.

Alina blickte mit ernster Miene zu Sonea auf. »Wie läuft Eure Jagd nach dem wilden Magier?«, fragte sie.

»Derzeit hat sie sich zu einer Übung in Geduld entwickelt«, antwortete Sonea. »Wir warten auf Informationen. Auf gute Informationen, denn wir wollen unsere Quellen nicht gefährden, indem wir zu schnell handeln.«

»Ihr meint diese Spionin, die für den anderen Dieb arbeitet. Die Tochter Eures Freundes?«

Sonea hielt inne und widerstand der Versuchung, Dorrien anzusehen. Er hatte seiner Frau mehr Informationen gegeben, als Sonea lieb war. Je weniger Menschen wussten, dass sie noch immer mit Cery befreundet war, desto besser. Aber wenn die Tatsache bekannt wurde, würde sie niemandes Leben in Gefahr bringen. Dagegen konnte die Information, dass Anyi Cerys Tochter war, durchaus ihr Leben gefährden, sollte sie ans Tageslicht kommen.