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Dann hörte er, wie die Tür geöffnet und wieder geschlossen wurde, und sein Herz begann zu rasen. Einen Moment später erklang die Stimme, die ihm einen Schauer des Entsetzens über den Rücken jagte: Kalias Stimme.

»Ist es so weit?«, fragte eine seiner Wächterinnen.

»Noch nicht. Ich will sicher sein, dass ich alles habe, was ich brauche.«

Lorkin wurde flau im Magen. Er hörte Schritte näher kommen und war nicht überrascht, als eine Macht ihn auf den Boden presste. Dann bescherte es ihm ein schwaches Gefühl der Befriedigung, das Ächzen der Anstrengung wahrzunehmen, als Kalia sich hinhockte. Kalte Finger berührten seine Stirn, und er schauderte, als ihre widerwärtige Präsenz seinen Geist erfüllte.

Sofort spürte er, dass sie in Eile war. Sie tastete seine Erinnerungen hastig ab und griff nach jenen, die die Heilkunst betrafen, dann schien sie sich zu zwingen, sich mehr Zeit zu nehmen, und untersuchte, was sie am Tag zuvor erfahren hatte. Er wusste, dass sie erkennen konnte, dass die Anwendung des Wissens der Krankheit und dem Zustand des Patienten entsprechend geformt und dosiert werden musste, aber sie hatte keine Zeit, ihm die Einzelheiten zu entlocken. Den Rest würde sie durch Experimentieren in der Praxis herausfinden müssen. Im Moment wollte sie lediglich wissen, wie sie es am besten vermeiden konnte, Schaden anzurichten.

»Sprecherin …«

Die Stimme der Wächterin klang wie aus weiter Ferne, als stehe sie auf der anderen Seite einer Wand oder einer Tür. Kalia hielt inne, dann ließ sie Lorkins Geist widerstrebend los und verschwand aus seinen Sinnen.

Er verspürte einen müden, siedenden Zorn. Falls du jemals die Wahrheit herausfindest, Tyvara, dachte er, sorg dafür, dass sie bekommt, was sie verdient.

»Es gibt keinen anderen Weg aus … «

»Sei still«, blaffte Kalia. Ihre Stimme klang nah, als beuge sie sich noch immer über ihn. Dann hörte er, worauf die Frauen gelauscht hatten. Schritte. Stimmen.

Kalia fluchte.

Das Geräusch der Tür, die geöffnet wurde, drang an seine Ohren. Jemand schnappte erschrocken nach Luft.

»RUNTER von ihm!«

»Nein, Tyvara«, befahl eine andere Stimme.

Tyvara! Lorkins Herz machte einen Satz. Die Macht, die ihn zu Boden drückte, verschwand. Er rappelte sich in eine sitzende Position hoch und versuchte, mithilfe der rauen Wand in seinem Rücken die Augenbinde loszuwerden. Plötzlich strichen abermals Finger über sein Gesicht, nur dass sie diesmal warm waren.

»Warte. Lass mich das abnehmen«, murmelte Tyvara. Die Augenbinde wurde nach oben geschoben und gab ihn widerstrebend frei. Er blinzelte in dem hellen Licht, dann grinste er, als er sah, dass Tyvara vor ihm hockte, das Gesicht voller Sorge.

»Bist du verletzt?«, fragte sie.

Er schüttelte den Kopf. »Nicht jetzt, da du hier bist.« Er konnte nicht aufhören zu lächeln. »Wirst du nun Schwierigkeiten bekommen, weil du mit mir gesprochen hast?«

»Sei nicht albern. Dreh dich um.«

Er gehorchte, und die Fesseln an seinen Handgelenken fielen zu Boden. Gleichzeitig spürte er, wie ein kleiner Teil seines Geistes von einer Fessel befreit wurde, derer er sich kaum bewusst gewesen war. Als er auf die Verbände hinabschaute, sah er zwischen den Stoffbahnen einen hellgelben Edelstein.

Sie haben mich mit Verbänden gefesselt. Der Umstand, dass sie für das Heilen bestimmte Materialien als Fesseln für ihn benutzt hatten, weckte noch größere Verachtung in ihm. Hat der Stein mich daran gehindert, Gedankenrede zu benutzen? Ich nehme an, sie mussten etwas in dieser Art schaffen, für den Fall, dass sie einen Gefangenen daran hindern mussten, ihren Standort preiszugeben.

Tyvara erhob sich und half ihm aufzustehen. Ihm war schwindlig. Die Erleichterung darüber, sich keine Sorgen mehr darum machen zu müssen, was als Nächstes geschehen würde, schlug über ihm zusammen. Er widerstand einem jähen Drang, Tyvara zu küssen. Sie wandte das Gesicht dem Raum zu, und er riss widerstrebend den Blick von ihr los, um die anderen Verräterinnen im Raum zu betrachten.

Zwei Sprecherinnen standen vor Kalia. Eine war Savara. Die andere war Halana. Weitere Magierinnen standen hinter ihnen im Flur.

»Hast du von ihm gelernt, wie man mit Magie heilt?«, fragte Savara.

Kalia zuckte die Achseln. »Möglicherweise.«

Savara sah Lorkin an. »Hat sie es gelernt?«

Er nickte, dann schauderte er bei der Erinnerung an den fremden Geist in seinem. Die Erleichterung und der Jubel über seine Rettung verebbten. Das ist etwas, das ich niemals vergessen werde, dachte er. Es würde in seinen Albträumen zu ihm zurückkehren.

»Du hast unser Gesetz gebrochen«, sagte Savara zu Kalia. »Du wirst verurteilt werden.«

»Natürlich«, erwiderte Kalia. »Dann bringen wir es hinter uns.« Das Kinn hoch erhoben stolzierte sie aus dem Raum. Halana folgte ihr.

Savara schaute noch einmal zurück, um die beiden Wächterinnen anzusehen. »Ergreift sie ebenfalls«, befahl sie. Die wartenden Magierinnen traten ein und führten die beiden aus dem Raum.

Tyvara machte keine Anstalten zu folgen. Lorkin sah sie an. Sie musterte ihn mit einem seltsamen Gesichtsausdruck.

»Was?«

Sie lächelte. Dann umfasste sie seinen Kopf mit beiden Händen und küsste ihn.

Begehren durchströmte ihn, gefolgt von Schwindel. Er ergriff ihre Arme ebenso sehr, um sie an sich zu ziehen, wie um zu verhindern, dass er der Länge nach hinfiel. Sie kicherte und schob ihn ein kleines Stück von sich.

»Du bist nicht vollkommen unverletzt, oder?«, fragte sie. »Sie werden dich ständig geleert haben. Haben sie dir überhaupt etwas zu essen gegeben?«

»Ähm«, brummte er, dann zwang er sich, über ihre Fragen nachzudenken. »Doch, ja und nein.«

»Geleert ist nicht das, was ich unverletzt nennen würde«, beschied sie ihm.

»Ich bezweifle, dass deine Mitverräterinnen dir da zustimmen würden.«

»Selbst Kalia würde zustimmen, dass es einem Menschen Schaden zufügt, wenn man ihn gegen seinen Willen leert. Was der Grund ist, warum wir Gesetze dagegen haben. Sie wird …«

Die Spitzfindigkeiten waren zu viel für ihn. Er schnitt ihr mit einem weiteren Kuss das Wort ab. Der Kuss war lang und scheinbar endlos, und zu seiner Überraschung war er derjenige, der sich schließlich löste.

»Die Bücher liegen vollkommen falsch«, sagte er.

Sie runzelte die Stirn. »Bücher? Welche Bücher?«

»Die, die kyralische Frauen so sehr mögen. In diesen Büchern werden Frauen immer von Männern gerettet. Sie sagen, die Geschichten würden niemals andersherum erzählt, weil das nicht aufregend sei und niemand die Bücher lesen würde.«

»Und du bist nicht dieser Meinung?«

»Nein.« Er grinste. »Es ist sehr aufregend.«

Sie verdrehte die Augen und zog sich ungeachtet seiner Proteste aus seinen Armen zurück. »Komm. Wir haben hier einen sehr aufregenden Skandal, der in Bälde das ganze Sanktuarium auf die Beine bringen wird, und die Leute werden deine Seite der Geschichte hören wollen.«

»Kann das nicht warten?«

»Nein.«

Er seufzte. »Na schön. Ich schätze, ich habe Angst, dass du mich nicht mehr wirst küssen wollen, wenn wir diesen Raum verlassen. Was hat dich dazu gebracht, deine Meinung über mich zu ändern?«

Sie lächelte. »Ich habe meine Meinung über dich gar nicht geändert. Ich habe meine Meinung darüber geändert, was ich mit dir anfangen soll.«

»Klingt so, als sollte ich mich dafür bei Kalia bedanken.«

Tyvara schob ihn aus dem Raum. »Wag es ja nicht.«

18

Auf der Jagd

Es war sehr warm in Administrator Osens Büro. Zu warm, fand Sonea. Sie fragte sich, ob Osen dafür verantwortlich war oder einer der anderen Höheren Magier. Es war leicht, mit Magie Wärme zu produzieren, aber viel schwieriger, die Dinge abzukühlen.