»Ja. Eher ein Tagebuch als ein systematischer Bericht.«
»Es ist noch keine hundert Jahre alt.«
Achati nickte. »Wir haben diese Dummheit selbst in jüngeren Zeiten noch wiederholt. Irgendjemand findet, dass durch eine Eroberung Ruhm zu gewinnen sei, und Duna scheint die beste Möglichkeit zu sein, diesen Ruhm zu erringen. Viel einfacher als Kyralia oder Elyne. Tatsächlich hat mehr als ein König in der Vergangenheit einen übermäßig ehrgeizigen Ashaki nach Duna geschickt, um ihm etwas zu tun zu geben.«
»Ich bin mir sicher, dass die Duna ihnen dafür dankbar waren.«
»Sie haben sich überraschend gut gehalten. Als ein Land primitiver Bewohner mit nur wenig Magie, sollte man denken, dass sie gewiss nicht viel Widerstand leisten können. Aber genauso besiegen sie uns: Sie kämpfen nicht. Sie ziehen sich in die vulkanischen Gebiete zurück und warten, während wir versuchen, ihr Land zu besetzen, was immer dazu führt, dass wir verhungern, unsere Sachen packen und wieder nach Süden gehen.« Achati stieß ein kurzes, säuerliches Lachen aus. »Dass Kariko sich dafür entschieden hat, in Kyralia einzumarschieren, war ungewöhnlich schlau und kühn.«
»Aber es wurde, so hoffe ich, trotzdem nicht als gute Idee betrachtet«, bemerkte Dannyl.
»Nein.« Achati lachte leise. »Obwohl ich vermute, dass König Amakira ein Gedanke durchaus gekommen ist: Wenn er es mit einem übertrieben ehrgeizigen Emporkömmling von einem Ashaki zu tun bekommt, der zu klug ist, um sich dazu überlisten zu lassen, in Duna einzumarschieren, dann scheint Kyralia gut in der Lage zu sein, sich zu verteidigen …«
Dannyl spürte, wie ihm ein kalter Schauer den Rücken hinunterlief. Er sah Achati an, der schief lächelte.
»Lasst uns diese Idee nicht auf die Probe stellen«, erwiderte Dannyl und wählte seine Worte vorsichtig. »Nicht zuletzt deswegen, weil er, wenn er sich irrt, einen übertrieben ehrgeizigen Emporkömmling von einem Ashaki in einer besseren Position als zuvor haben wird, um ihm Scherereien zu machen, aber auch deshalb, weil wir, wenn wir ihn besiegen, anschließend vielleicht nicht die stillen, grollenden Nachbarn wären, die die Duna gewesen sind.«
»Ich versichere Euch, er betrachtet es nicht als eine ernsthafte Möglichkeit.«
»Das ist gut zu wissen.«
Achati deutete auf das Buch. »Lest«, forderte er ihn auf.
Dannyl setzte seine Lektüre fort. Der Tagebuchschreiber berichtete zu seiner Überraschung, dass Duna dafür bezahlt wurden, Nahrungsmittel aus dem Tal unter dem Steilhang heraufzubringen. Hatten die Duna nicht geahnt, was der Sachakaner vorhatte?
Es wurde klar, dass diese Anführer keine uneingeschränkte Autorität über ihre Leute hatten und daher den Besitz von Land nicht übereignen konnten. Die Autorität schien mit Stammesangehörigen geteilt zu werden, die sie die Hüter der Legende nannten. Ashaki Haniva bat um ein Treffen mit den Hütern. Dies war anscheinend unmöglich. Nach großer Verwirrung und einigen falschen Übersetzungen wurde offenbar, dass niemand wusste, wer die Hüter waren. Dies war sehr zermürbend.
Während Dannyl weiterlas, ermutigte es ihn zu erfahren, dass Haniva versucht hatte, eine friedliche Inbesitznahme des Landes auszuhandeln. Dies war keine brutale Eroberung … noch nicht. Haniva versuchte es viele Male und mit verschiedenen Methoden, aber obwohl die Duna für die Idee, Land zu verkaufen, zugänglich schienen, gab es keinen eindeutigen Besitzer des Landes.
Es scheint, als gehöre das Land in ihren Augen gleichzeitig jedem und niemandem. Als Ashaki Haniva fragte, ob das bedeute, dass es auch ihm gehöre, sagten sie ja. Vielleicht ist das der Grund, warum sie zuvor nie Widerstand geleistet haben, wenn wir versuchten, die Kontrolle über das Land zu übernehmen.
Dannyl bedachte diese seltsame Art, Land zu betrachten. Es war, als sei das Land in den Augen der Duna »unbesitzbar«. Es war eine faszinierende Vorstellung. Und es unterscheidet sich nicht allzu sehr von der Idee, dass man einen anderen Menschen nicht besitzen sollte. Kein Wunder, dass die Sachakaner mit ihrer Akzeptanz der Sklaverei die Haltung der Duna nicht erfassen konnten.
Während Dannyl sich durch das Tagebuch arbeitete, erfuhr er, dass Haniva und seine Ashaki-Partner schließlich den Versuch aufgaben, ein offizielles Dokument zu erhalten, in dem festgestellt wurde, dass sie das Land gekauft, die Duna vertrieben und sich dort niedergelassen hatten. Am Ende der Aufzeichnungen gab es bereits Anzeichen dafür, dass die Ernten nicht so gediehen, wie er es gehofft hatte.
Achati hatte in seinem eigenen Tagebuch geschrieben, während Dannyl gelesen hatte, und als Dannyl das Buch von sich schob, blickte er auf und legte seinen Stift beiseite.
»Was haltet Ihr davon?«
»Die Duna sind ein interessantes Volk. Sie haben eindeutig eine ganz andere Art zu denken.«
Achati nickte. »Es ist ein Wunder, dass sie so lange überlebt haben.«
»Diese Hüter der Legende sind diejenigen, mit denen wir sprechen müssen – falls es sie noch gibt.« Dannyl runzelte die Stirn. »Aber das könnte schwierig zu arrangieren sein, wenn niemand weiß, wer sie sind.«
»Schwierig? Es wird unmöglich sein.«
»Ich nehme an, die Hüter wissen, wer sie sind.«
Der Sachakaner blickte nachdenklich drein, dann lächelte er. »Natürlich. Also stellen wir einfach weiter unsere Fragen und finden heraus, ob irgendjemand es zugibt.«
»Ich vermute, sie werden es nicht zugeben, es sei denn, man lässt ihnen ein wenig Zeit zum Nachdenken, und sie kämen zu dem Schluss, dass wir keine Bedrohung darstellen. Wir sollten bekannt geben, dass wir mit einem der Hüter sprechen wollen, und feststellen, ob irgendjemand an uns herantritt.«
Achati runzelte die Stirn. »Das könnte lange dauern. Und alle Duna betrachten Sachakaner als eine Bedrohung.«
»Trotzdem arbeiten sie für Euch. Unh zum Beispiel. Und die Händler auf den Märkten.«
»Wenn man Fährten verfolgt, braucht man dazu nicht die Geheimnisse seines Volkes preiszugeben. Das Gleiche gilt für den Handel.«
»Das ist richtig«, stimmte Dannyl ihm zu. »Und es ist der Grund, warum wir ihnen erlauben müssen, zu uns zu kommen. Dies ist nichts, wozu wir sie zwingen können. Anderenfalls hättet Ihr es bereits getan.«
Achati nickte. »Richtig. Wir Sachakaner sind kein geduldiges Volk.« Er schaute zu Dannyl hinüber und lächelte. »Ich habe keinen Zweifel, dass Ihr sie mit Eurem Charme dazu überreden könntet, mit Euch zu sprechen. Ich hoffe, dass meine Anwesenheit das nicht verhindert.«
Dannyl hielt seinem Blick stand. »Werdet Ihr gekränkt sein, wenn ich es allein versuche?«
Der Mann schüttelte den Kopf. Dannyl sah ihm weiter in die Augen.
»Und wenn ich nicht alles, was ich erfahre, mit Euch teile?«
Achati zog die Augenbrauen hoch, und ein harter Ausdruck trat in seine Augen, aber er schüttelte den Kopf. »Ich werde akzeptieren, dass es politisch notwendig sein könnte, dass Ihr das nicht tut. Aber es wäre besser, wenn Ihr es mir einfach nicht erzählen würdet, wenn es etwas gäbe, das Ihr für Euch behalten müsst. Ich hoffe doch, Ihr werdet alles preisgeben, was für die Sicherheit Sachakas von Bedeutung ist – oder vielmehr würde ich das von einer Nation erwarten, die das Bestreben hat, unser Verbündeter zu werden.«
Dannyl nickte. »Wir sind uns darüber im Klaren, dass alles, was Sachaka gefährden könnte, wahrscheinlich auch eine Gefahr für Kyralia darstellen würde. Ich stehe in Eurer und in König Amakiras Schuld, weil Ihr mich überhaupt nach Duna gebracht habt.«
Achati lächelte und machte eine wegwerfende Handbewegung. »Nicht der Rede wert. Wenn Ihr es als eine Gefälligkeit betrachtet, für die Ihr Euch gern erkenntlich zeigen würdet, versprecht mir, dass Ihr mich eines Tages durch Kyralia führen werdet. Ich würde liebend gern Eure Gilde sehen.«
Dannyl neigte mit der bewussten kyralischen Höflichkeit den Kopf. »Nun, das kann ich versprechen.«
Lilia hatte keine Ahnung, wo sie war.