Achati lachte. »Es schien keinen Sinn zu machen, sich anzukleiden. In ein paar Stunden werden wir ohnehin zu Bett gehen.«
Tayend rümpfte die Nase. »Ich denke, ich werde aufbleiben. Ich habe in letzter Zeit so viel geschlafen.«
Dannyl spürte, wie seine gute Laune die ersten Risse bekam, als ihn ein bestimmter Verdacht beschlich. Er widerstand der Versuchung, zu Achati hinüberzuschauen, um festzustellen, ob diesem der gleiche Gedanke gekommen war. Wenn Tayend lange aufblieb …
»Zeit fürs Abendessen.« Achati winkte, als ein weiterer Sklave in der Tür des Hauptraums erschien. »Habt Ihr auch Hunger, Tayend?«
Ein köstlicher Geruch wehte in den Raum. Interesse spiegelte sich auf Tayends Gesicht, als er das Tablett in den Händen des Sklaven beäugte.
»Ja.«
»Dann setzt Euch und esst mit«, lud Achati ihn ein.
Tayend ließ sich auf einem Hocker nieder, und sie begannen zu essen und zu reden.
»Wie fühlt Ihr Euch?«, fragte Achati Tayend nach einer Weile. »Gab es keine Probleme mit dem Mittel gegen Seekrankheit?«
»Nein.« Der Elyner zuckte die Achseln. »Ich habe mich unmittelbar nach dem Wachwerden etwas benommen gefühlt, aber das ist nach dem Bad besser geworden. Wann brechen wir wieder auf?«
»Morgen früh.«
Tayend nickte. »Hoffen wir, dass es keine Stürme geben wird.«
»Da kann ich Euch nur zustimmen.«
»Ich werde heute Nacht wahrscheinlich lesen. Ich hatte seit unserer Abreise nur wenig Gelegenheit dazu.«
»Braucht Ihr etwas zu lesen?«, erkundigte sich Achati.
Dannyl hörte zu, während sie über Bücher sprachen und den Bericht über den Versuch, die Duna-Stämme niederzuschlagen, den Achati ihm gegeben hatte. Achati schenkte Tayend seine ungeteilte Aufmerksamkeit, aber es war auch sehr wahrscheinlich, dass Tayend den ganzen nächsten Tag verschlafen würde – und jeden weiteren Tag, den sie mit dem Schiff reisten. Falls er diesem Muster weiter folgte, würde er nicht viele Gelegenheiten bekommen, um mit Achati oder Dannyl zu reden.
Was mich, wie ich zugeben muss, selbstsüchtigerweise freut. Ich habe Achatis Aufmerksamkeit fast ganz für mich, selbst wenn wir nicht allein sind, da Tayend die meiste Zeit schläft, während wir wach sind. Alles dank des Heilmittels gegen die Seekrankheit …
Ein Heilmittel, das Achati Tayend gegeben hat. Ich nehme doch nicht an … Könnte Achati dies beabsichtigt haben? War es eine gerissene Methode, um zu verhindern, dass Tayend ihm in die Quere kommt? Uns in die Quere kommt?
Vielleicht war es nur eine bequeme Nebenwirkung. Schließlich hatte Achati gesagt, dass das Heilmittel nicht bei allen Menschen so stark wirke. Dannyl hatte sich erboten, Tayends Seekrankheit mithilfe von Magie zu heilen, aber der Elyner hatte abgelehnt. Tayend war zu stolz, um wegen magischer Erleichterung zu ihm zu kommen. Nicht wenn es eine Alternative gab. Hatte Achati ihn so weit durchschaut?
Was würde Tayend sagen, wenn er wüsste, worüber Achati und ich im Bad gesprochen haben? Schwache Gewissensbisse durchzuckten Dannyl, aber er war sich nicht sicher, ob sie von der Möglichkeit herrührten, Tayend könne sich darüber aufregen, dass er einen neuen Geliebten hatte, oder ob sie ihren Ursprung darin hatten, dass er Tayends Warnung vor Achati ignorierte.
Irgendwann wird Tayend schon dahinterkommen, oder aber ich werde es ihm sagen müssen. Für den Augenblick hat Achati recht: Es wäre besser, es Tayend mitzuteilen, wenn wir nicht gerade stundenlang auf einem Schiff eingepfercht sind. Tayend wird gewiss einige missbilligende Dinge dazu zu sagen haben. Ich werde einfach erklären müssen, dass ich ihn verstehe und dass es kein Arrangement von Dauer ist.
Bei dem letzten Gedanken durchzuckte Dannyl ein Stich. Was war, wenn es aufhörte, kein Arrangement von Dauer zu sein?
Darüber werde ich mir Sorgen machen, wenn es geschieht, denn anderenfalls werde ich kein unterhaltsamer Reisebegleiter sein. Wieder einmal.
Im Lagerraum des Hospitals hatten sich diesmal nicht zwei, sondern vier Personen eingefunden. Sie standen um einen Tisch nahe der Tür, Sonea und Dorrien auf der einen Seite, Cery und Anyi auf der anderen. Niemand hatte sich die Mühe gemacht, auf dem einzigen Stuhl Platz zu nehmen. Der andere Stuhl war verschwunden. Sonea nahm sich vor, einem der Heiler diesbezüglich Bescheid zu geben.
»Ich wünschte nur, ich hätte gewusst, dass Lorandra ihre Kräfte nicht wiederhatte«, jammerte Anyi. »Dann wäre ich nicht fortgegangen, und Ihr hättet die beiden vielleicht erwischt. Aber ich wusste nicht, ob Ihr in der Lage sein würdet, es mit beiden gleichzeitig aufzunehmen. Ich musste Euch warnen.«
Sonea lächelte. »Du konntest es nicht wissen«, erwiderte sie. »Es muss ein Schock für dich gewesen sein, dich im selben Raum mit ihr wiederzufinden. Bist du dir sicher, dass sie dich nicht von der Anhörung erkannt hat?«
Anyi runzelte die Stirn. »Ich denke nicht. Sie hat sich nicht so benommen, als habe sie mich wiedererkannt, aber sie könnte sich verstellt haben, damit ich blieb. Und sobald wir Skellin getroffen hätten, hätte sie es ihm überlassen, sich um mich zu kümmern.«
»Dann kann sie kein großes Zutrauen gehabt haben, dass Jemmi und Rek ihr glauben würden, wenn sie ihnen erklärt hätte, dass du eine Spionin seist.«
»Vielleicht haben sie sie davon überzeugt, dass ich mich gegen Cery gestellt hätte.«
»Ich an ihrer Stelle hätte darauf bestanden, dass Jemmi andere Leibwächter findet«, sagte Cery.
»Da sie das nicht getan hat, halte ich es für wahrscheinlicher, dass sie Anyi nicht erkannt hat«, erklärte Dorrien. »Sie hätte sich unwohl in der Nähe eines Menschen gefühlt, von dem sie wusste, dass er in der Vergangenheit für die Gilde gearbeitet hat, und sei es auch nur indirekt, vor allem wenn sie sich mit ihrem Sohn treffen wollte.«
»Was immer der Grund gewesen sein mag, wir haben unsere Chance, Skellin zu fangen, verpasst«, erwiderte Cery und seufzte. Dann sah er Sonea an. »Kann Skellin die Blockade in Lorandras Geist entfernen?«
»Wahrscheinlich.« Sonea blickte zu Anyi. »Hat irgendjemand Lilia erwähnt?«
Das Mädchen schüttelte den Kopf.
»Nun, wollen wir hoffen, das bedeutet, dass Lorandra sich Lilias entledigt hat, sobald sie ihr nicht mehr von Nutzen war. Oder dass Lilia klug genug war, um sich von Lorandra zu trennen.«
»Oder dass Lorandra sie getötet hat, sobald sie ihr nicht mehr von Nutzen war«, fügte Dorrien grimmig hinzu.
Sonea verzog das Gesicht. »Zumindest bedeutet es, dass Lilia Lorandra nicht verraten hat, dass sie schwarze Magie erlernt hat. Oder Lorandra war nicht klar, dass das bedeutete, dass Lilia sie unterweisen könnte. Wenn sie es gewusst hätte, hätte sie Lilia nicht gehen lassen.«
»Lorandra kann nicht gewusst haben, weshalb Lilia eingekerkert worden war, wenn nicht Lilia selbst oder eine der Wachen es ihr erzählt hat«, sagte Dorrien nachdenklich. »Aber jetzt, da sich die Gerüchte über die Flucht der beiden verbreiten, wird Lorandra bald erfahren, was Lilia weiß. Wir müssen hoffen, dass sie keine Ahnung hat, wo Lilia ist, und zurückkehrt, um sie zu holen. Wir müssen Lilia so schnell wie möglich finden.«
»Nein. Müssen wir nicht.« Sonea seufzte, als alle in ihre Richtung schauten. »Schwarzmagier Kallen muss das tun. Ich soll Skellin finden.«
»Ich nehme an, das bedeutet, dass du dich mit Kallen treffen und ihm erzählen musst, was gestern Nacht geschehen ist«, vermutete Cery.
»Ja. Ohne weitere Verzögerung.«
Er nickte und machte eine Handbewegung, als wolle er sie aus dem Raum scheuchen. »Dann geh.« Er sah Anyi an. »Wir haben dir sonst nichts zu sagen.« Anyi schüttelte zustimmend den Kopf.
»Geh doch selber«, erwiderte Sonea und ahmte seine Handbewegung nach. »Du bist in meinem Hospital, schon vergessen?«