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Als ihr eine andere mögliche Bedeutung hinter den Worten der Frau dämmerte, konnte sie nicht umhin, nach vorn zu blicken, zu ihrer Führerin, und zu spekulieren. Vielleicht liege ich falsch mit dem, was ich über sie und Cery gedacht habe. Anyi war keine große Schönheit, aber sie war … beeindruckend. Gefasst, stark und klug. Tatsächlich, wenn Naki nicht wäre … Nein, denk so etwas nicht.

Denn es war nicht nur treulos gegenüber Naki, sondern würde eine Zusammenarbeit mit Anyi auch viel zu verwirrend machen.

Tayend, der blass und krank aussah, trat zu Dannyl und Achati an die Reling. Er hatte an diesem Morgen beschlossen, dass er nur eine halbe Dosis der Droge gegen die Seekrankheit einnehmen würde, damit er nicht so benommen war, wenn sie ihr Ziel erreichten. Dannyl wurde mit fatalistischer Klarheit bewusst, dass Tayend am Abend hellwach sein und jede Zweisamkeit zwischen Achati und ihm verhindern würde. Aber solche Zweisamkeit würde ohnehin folgenlos bleiben, denn Achati hat uns ja schon vorgewarnt, dass unser nächster Gastgeber ein – wie hatte er sich ausgedrückt? – »säuerlicher Moralist« sei.

»Willkommen in Duna«, erklärte Achati und deutete auf den vor ihnen liegenden Hafen.

Die Inava segelte auf ein breites Tal zu. Zu beiden Seiten wurde es von verwitterten Felsen gesäumt, die in mehreren Stufen aufstiegen. In der Mitte ergoss sich ein breiter, schlammiger Fluss ins Meer; sein braunes Wasser schob sich ein Stück weit ins Salzwasser hinein, bevor es sich mit dem Ozean vermischte.

Achati hatte sich bei seiner Erklärung nicht ganz korrekt ausgedrückt. Das Tal lag nicht an der Grenze des Landes der Duna. Das Schiff war schon während der vergangenen Tage an von Duna besiedeltem Land vorbeigesegelt; feste Grenzpunkte gab es nicht. Aber das Tal vor ihnen war der Ort, an dem die meisten Besucher von Bord gingen, wenn sie übers Meer kamen, und wenn die Duna überhaupt eine Hauptstadt hatten, dann war es die Siedlung in diesem Tal.

Im Gegensatz zu dem Wüstenland und den rauen Felsen, die sie während des größten Teils der Reise auf ihrer Linken gesehen hatten, war das Tal mit dichter, grüner Vegetation bedeckt. Die Häuser standen auf hohen Stelzen, an denen die Hochwassermarken von weit über Manneshöhe deutlich erkennbar waren. Leitern boten zu einigen davon Zutritt, während andere grobe Treppen aus zusammengebundenen Holzstämmen hatten. Die Hüttensiedlung wurde Haniva genannt, und das Tal hieß Naguh-Tal.

Der Kapitän rief den Sklaven Befehle zu, die sich daraufhin in Bewegung setzten, den Anker fallen ließen und die Segel strichen und bargen.

»Näher kommen wir ans Ufer nicht heran«, erklärte Achati. »Der Schlick des jährlichen Hochwassers macht das Wasser zu flach. Gelegentlich spülen Stürme einen Teil davon wieder weg, aber da sie wahrscheinlich jede Hafenanlage, die wir bauen könnten, zerstören würden, lohnt sich der Versuch nicht, die Bucht mit Magie freizuhalten.«

Als das Schiff gesichert war, ließen die Sklaven ein kleineres Ruderboot zu Wasser. Dannyl, Tayend und Achati bedankten sich bei dem Kapitän, dann kletterten sie über eine Strickleiter in das Boot hinunter. An Land warteten sie ab, während die Sklaven zum Schiff zurückkehrten, um ihre Reisetruhen zu holen, dann folgten sie den Sklaven, die die Truhen trugen, nach Haniva.

Die Stadt hatte keine Straßen, nur Pfade, die lediglich durch Benutzung erhalten wurden, und die Häuser schienen willkürlich verteilt zu sein – häufig in Gruppen, die durch schmale Gehwege miteinander verbunden waren. Offensichtlich rechnete man in der nächsten Zeit nicht mit Überschwemmungen, vermutete Dannyl aufgrund des Getreides, das rund um die Häuser wuchs. Das Getreide war so gepflanzt, dass es den gewaltigen Bäumen Platz ließ, von denen Früchte in Büscheln herabhingen. Die Bäume hatten glatte Stämme, über die sich ein regenschirmähnliches Geflecht von Ästen und gewaltigen Blättern wölbte. Hohe Dornen, die aus dem Boden schossen, verwirrten Dannyl zuerst, bis er sah, dass an einigen der größeren Blätter wuchsen. Er begriff, dass es sich um Wurzelsprosse der Bäume handelte, die ihre ganze Energie zunächst darauf verwendeten, hoch genug zu werden, um Überschwemmungen zu entgehen, bevor sie Blattwerk bildeten.

Als sie Menschen sahen, die auf dem Feld arbeiteten, fiel ihm auf, dass ihre Haut und ihr Körperbau einer Mischung zwischen den stämmigen, braunen Sachakanern und den grauhäutigen, schlanken Duna entsprachen. Er vermutete, dass die Rassen sich im Laufe der Jahrhunderte vermischt hatten. Normalerweise hatten die Duna nicht die Gewohnheit, sich in Ortschaften fest anzusiedeln, das wusste Dannyl aus dem, was er gelesen oder erzählt bekommen hatte. Sie waren ein Nomadenvolk.

Vielleicht könnte man diese Menschen als eine neue Rasse betrachten, überlegte er. Vielleicht könnte man sie »Naguhs« oder »Hanivaner« nennen.

Nachdem sie an einigen Dutzend Häusern vorbeigekommen waren, steuerten die Sklaven eine Gruppe von Gebäuden an, die allein auf einem Feld standen. Es war sofort offenkundig, dass diese Gebäude anders waren, obwohl sie aus den gleichen Materialien erbaut waren und ebenfalls auf Stelzen standen. Ihr Arrangement war jedoch symmetrisch, mit einem Haus von etwa dem Dreifachen der hier normalen Größe in der Mitte und kleinen Häusern zu beiden Seiten und hinter dem Haupthaus. Dazwischen lagen Gehwege. Eine breite Treppe führte zu dem Haus in der Mitte, und der Pfad, über den man dorthin gelangte, war gerade. Als die Sklaven ihn erreichten, blieben sie stehen und warteten darauf, dass Achati, Dannyl und Tayend vor ihnen hinaufstiegen.

Auf der Treppe änderte sich nicht nur der Ausblick auf die Stadt, sondern auch die Art, wie Dannyl die Stadt sah. Er konnte mehr Häuser erkennen, und er konnte die Menschen in den Häusern erkennen, ebenso wie die Arbeiter auf den Feldern. Plötzlich erschien ihm Haniva viel dichter bevölkert und einer Stadt ähnlicher.

Ein Haussklave kam heraus und warf sich mit dem Gesicht nach unten auf die hölzerne Plattform am oberen Ende der Treppe.

»Bring mich zu Ashaki Vakachi oder zu der Person, die in seiner Abwesenheit für ihn spricht«, befahl Achati.

Der Mann sprang auf und führte sie hinein. Im Innern waren die Wände weiß gestrichen und führten einen Flur entlang zu einem großen Raum. Wie in einem typischen sachakanischen Haus, nur dass die Wände gerade sind. Im Herrenzimmer erwartete sie ein Mann. Seine Haut hatte einen Anflug von staubigem Grau, und seine Schultern waren schmal, was auf ein wenig Duna in seinem Blut schließen ließ.

»Willkommen, Ashaki Achati«, sagte der Mann, und nachdem Achati sich bei ihm bedankt hatte, wandte er sich dessen beiden Begleitern zu. »Und Ihr müsst Botschafter Dannyl und Botschafter Tayend sein.«

»So ist es«, erwiderte Dannyl. »Und es ist uns eine Ehre, bei Euch wohnen zu dürfen.«

Der Mann lud sie ein, Platz zu nehmen. »Ich habe veranlasst, dass ein leichtes Mahl aufgetragen wird, und dann wird man jeden von Euch in Euer eigenes Obin bringen – eins der freistehenden Häuser, die Ihr zweifellos bei Eurer Ankunft bemerkt habt. Sie sind eine Erfindung der Einheimischen, im Allgemeinen erbaut für die Benutzung eines Sohnes nach dessen Verehelichung oder für einen ältlichen Verwandten, nachdem der Sohn das Haus geerbt hat – aber auch, um die unverheirateten jungen Männer und Frauen im Auge zu behalten.«

»Ist das eine Duna-Tradition?«, wollte Tayend wissen.

Vakachi zuckte die Achseln. »Ja und nein. Der Stamm des Naguh-Tals hat seine eigenen Traditionen, die sich von der der übrigen Duna unterscheiden. Obwohl sie ein niedergelassener Stamm sind und zivilisierter als ihre Vettern, betrachtet man sie als minderwertig, und sie zahlen denen vom Steilabbruch Tribut.«