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»Davon hatte ich ja keine Ahnung, Schatz.« James runzelte die Stirn. »Ich dachte, du wärst gern Karrierefrau.«

»Ich bin keine Karrierefrau«, versetzte Isobel und knallte ihren Becher auf den Tisch. »Ich bin ein Mensch. Mit einer Karriere.«

»Ich wollte dich nicht …«

»Hast du aber!«, entgegnete Isobel verärgert. »Das ist das Einzige, was dich interessiert, stimmt’s? Meine Karriere und sonst gar nichts. Den ganzen Rest von mir hast du vergessen.«

»Nein! Das würde ich niemals tun!«

»Doch. Weil ich es selbst nämlich auch tue. Häufig sogar.«

Eine Pause trat ein. Isobel nahm eine Cornflakespackung, sah hinein, seufzte und stellte sie wieder fort.

James trank noch einen abschließenden Schluck Tee und griff dann nach seiner Aktentasche. »Ich fürchte, ich muss los.«

»Du gehst heute wirklich arbeiten?«

»Mir bleibt nicht viel anderes übrig. Momentan ist so einiges im Umbruch. Wenn ich mich nicht zeige, bin ich meinen Job morgen vielleicht schon los.«

»Wirklich?« Isobel sah schockiert auf.

»Na ja, ganz so schlimm ist es nicht.« James schenkte ihr ein halbherziges Lächeln. »Trotzdem, hingehen muss ich.«

»Das tut mir leid. Das wusste ich ja nicht.«

»Nein. Nun«, James machte eine Pause, »solltest du auch nicht. Ich war ja nicht direkt mitteilsam.«

»Na ja, zu Hause war wohl schon genug los.«

»So könnte man’s ausdrücken«, sagte James. Isobel grinste ihn an.

»Ich wette, du bist eigentlich ganz froh, das alles los zu sein.«

»Nichts bin ich los. Hab heute früh schon einen Anruf von Harry Pinnacle bekommen. Er will mich heute Mittag treffen. Zweifelsohne, um über die Kosten dieses ganzen Fiaskos zu sprechen.« Er zog eine Grimasse. »Harry Pinnacle schnippt mit den Fingern, und alle anderen müssen springen.«

»Tja, na dann viel Glück.«

An der Tür blieb James noch einmal stehen.

»Wen hättest du denn überhaupt geheiratet?«, fragte er. »Als Vater deiner drei Kinder?«

»Keine Ahnung. Mit wem war ich denn zusammen? Dan Williams, schätze ich mal.« James stöhnte auf.

»Schatz, ich denke, du hast den richtigen Entschluss gefasst.« Plötzlich hielt er inne. »Ich meine, das Kind ist doch nicht …«

»Nein.« Isobel musste unwillkürlich kichern. »Keine Bange. Es ist nicht von ihm.«

Als Simon aufwachte, fühlte er sich völlig zerschlagen. Er hatte Kopfschmerzen, seine Augen brannten, er fühlte sich unendlich bedrückt. Durch den Vorhang stahl sich ein winterlicher Sonnenstrahl, von unten zogen vermischte Düfte vom Kaminfeuer in der Halle und von frisch aufgebrühtem Kaffee empor. Aber nichts konnte seinen Kummer, seine Enttäuschung und vor allem das schmerzliche Gefühl, versagt zu haben, lindern.

Die zornigen Worte, die er Milly am Abend an den Kopf geworfen hatte, gingen ihm noch mit einer solchen Klarheit im Kopf herum, als hätte er sie gerade erst geäußert. Wie eine Szene aus einem Stück, die er auswendig gelernt hatte. Eine Szene, die er, wie es nun schien, irgendwie hätte vorausahnen müssen. Er spürte einen schmerzlichen Stich in der Brust, drehte sich um und vergrub den Kopf unter dem Kissen. Warum hatte er das nicht kommen sehen? Wie hatte er sich in dem Glauben wiegen können, er könne es zu einer glücklichen Ehe bringen? Warum konnte er nicht einfach die Tatsache akzeptieren, dass er in jeder Hinsicht ein Versager war? Er hatte beruflich schmählich versagt, und nun tat er es auch in puncto Ehe. Zumindest, dachte Simon bitter, hatte es sein Vater tatsächlich bis vor den Traualtar gebracht. Zumindest war sein Vater nicht zwei Abende vor seiner Hochzeit im Stich gelassen worden, verflixt noch mal.

Plötzlich sah er Milly vor sich, mit rotem und verweintem Gesicht, todunglücklich. Und einen Augenblick spürte er, wie er schwach wurde. Einen Moment überkam ihn der Wunsch, zu ihr zu gehen. Ihr zu sagen, dass er sie immer noch liebte, dass er sie immer noch heiraten wollte. Er würde ihre armen, geschwollenen Lippen küssen, mit ihr schlafen und versuchen, einen Strich unter das Vergangene zu machen. Die Versuchung war da. Sie war riesig, wenn er ehrlich war.

Doch es ging nicht. Wie konnte er Milly nun noch heiraten? Wie konnte er zuhören, wie sie ein Versprechen ablegte, das sie zuvor schon jemand anderem gemacht hatte? Wie konnte er den Rest seines Lebens mit der Frage verbringen, was sie noch vor ihm geheim hielt? Die Sache hatte nicht nur einen kleinen Riss hinterlassen, den man zusammenflickte, und alles war wieder in Ordnung. Eine riesige Kluft hatte sich aufgetan, die alles und jedes veränderte, die ihre Beziehung in etwas verwandelte, das er nicht mehr wiedererkannte.

Unwillkürlich erinnerte er sich an den Sommerabend, an dem er ihr einen Heiratsantrag gemacht hatte. Sie hatte sich einwandfrei verhalten: hatte ein bisschen geweint, ein bisschen gelacht, war in Bewunderungsrufe über den Ring ausgebrochen, den er ihr geschenkt hatte. Aber was hatte sie sich wirklich dabei gedacht? Hatte sie sich über ihn lustig gemacht? Hatte sie ihre geplante Hochzeit überhaupt je ernst genommen? Teilte sie überhaupt auch nur eines seiner Ideale?

Einige Minuten lag er da und quälte sich mit Bildern von Milly, versuchte das, was er nun über sie wusste, mit den Erinnerungen an sie als seine Verlobte in Einklang zu bringen. Sie war schön, süß, charmant. Sie war seines Vertrauens unwürdig, geheimnistuerisch, falsch. Das Schlimmste war, dass sie offenbar nicht einmal begriff, was sie getan hatte. Sie hatte den Umstand, dass sie mit einem anderen Mann verheiratet war, als eine Lappalie abgetan, die man beiseiteschieben und ignorieren konnte.

Ein wütender Schmerz pochte in ihm, und er setzte sich auf und versuchte, den Kopf frei zu bekommen, versuchte, an etwas anderes zu denken. Er zog die Vorhänge auf und begann, sich anzuziehen, ohne auf den schönen Ausblick zu achten. Er würde sich in die Arbeit stürzen. Er würde einen Neuanfang machen, und er würde darüber hinwegkommen. Vielleicht dauerte das eine Weile, aber er würde es schaffen.

Flott stieg er die Treppe hinab und betrat das Frühstückszimmer. Harry saß am Tisch, hinter einer Zeitung versteckt.

»Guten Morgen«, sagte er.

»Guten Morgen.« Simon blickte argwöhnisch auf und versuchte, in der Stimme des Vaters einen spöttischen Unterton zu entdecken. Aber dieser sah mit offenbar ehrlicher Besorgnis zu ihm auf.

»Na«, sagte er, als Simon sich gesetzt hatte. »Wirst du mir erzählen, worum das Ganze sich nun eigentlich dreht?«

»Die Hochzeit ist abgesagt.«

»So viel weiß ich schon. Aber wieso? Oder möchtest du es mir nicht erzählen?«

Simon schwieg und griff nach der Kaffeekanne. Am Abend zuvor war er hereingestürmt, zu wütend und gedemütigt, um noch mit jemandem zu sprechen. Er fühlte sich immer noch gedemütigt, war immer noch wütend, neigte immer noch dazu, Millys Verrat für sich zu behalten. Andererseits war man in seinem Kummer nicht gern allein.

»Sie ist schon verheiratet«, sagte er abrupt. Harry ließ die Zeitung fallen.

»Schon verheiratet? Mit wem denn, um Himmels willen?«

»Mit irgendeinem schwulen Amerikaner. Sie hat ihn vor zehn Jahren kennen gelernt. Er wollte in England bleiben, und um ihm einen Gefallen zu tun, hat sie ihn geheiratet!«

»Na, Gott sei Dank!«, erwiderte Harry. »Ich dachte schon, du meintest, wirklich verheiratet.« Er trank einen Schluck Kaffee. »Und wo ist das Problem? Kann sie sich nicht scheiden lassen?«

»Das Problem?« Simon starrte seinen Vater fassungslos an. »Das Problem ist, dass sie mich angelogen hat! Das Problem ist, dass ich ihr kein Wort mehr glauben kann! Ich hatte ein bestimmtes Bild von ihr – und nun habe ich entdeckt, dass sie jemand anderes ist. Sie ist gar nicht die Milly, die ich kannte.«