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»Schwein. Ohne ihn bist du besser dran.«

»Ich weiß.« Milly blickte auf und lächelte kummervoll. »Es ist das Beste so, wirklich.« Isobel sah sie an und hätte plötzlich am liebsten losgeheult.

»Oh, Milly. Es ist solch ein Jammer.«

»Was soll’s«, meinte Milly leichthin. »Komm. Es ist ja nicht so, als ob ich schwanger wäre. Also, das wäre wirklich eine Katastrophe!« Sie trank einen Schluck Kaffee und grinste Isobel halbherzig an.

Isobel erwiderte ihren Blick und lächelte unwillkürlich. Eine Weile herrschte Schweigen.

»Weißt du schon, was du machen wirst?«, fragte Milly schließlich.

»Nein.«

»Was ist mit dem Vater?«

»Er will das Baby nicht. Das hat er mir klipp und klar zu verstehen gegeben.«

»Hast du ihn nicht überreden können?«

»Nein. Und das will ich auch gar nicht! Ich will niemanden zur Vaterschaft drängen. Was für eine Chance hätte unsere Beziehung dann noch?«

»Vielleicht würde das Kind euch zusammenbringen.«

»Babys sind kein Kitt.« Isobel fuhr sich durchs Haar. »Wenn ich das Baby bekäme, dann müsste ich das allein durchziehen.«

»Ich würde dir helfen!«, sagte Milly. »Und Mummy auch.«

»Ich weiß.« Isobel zuckte mit den Achseln. Milly starrte sie an.

»Isobel, du würdest es doch nie im Leben über dich bringen, das Kind abzutreiben!«

»Ich weiß es nicht!« Isobels Stimme hob sich verzweifelt. »Ich bin erst dreißig, Milly! Schon morgen könnte ich dem Traummann schlechthin begegnen. Vielleicht würde er mein Herz im Sturm erobern. Aber mit Kind …«

»Das würde keinen Unterschied machen«, entgegnete Milly mit Nachdruck.

»Doch! Und weißt du, das Mutterdasein ist wahrlich nicht so einfach. Ich hab das bei Freundinnen erlebt. Die haben sich in Zombies verwandelt. Dabei sind sie nicht mal alleinerziehend.«

»Tja, ich weiß nicht«, sagte Milly nach einer Pause. »Die Entscheidung liegt bei dir.«

»Genau. Das ist es ja eben.«

Die Tür ging auf, und Esme lächelte sie unter einem riesigen Pelzhut an.

»Bereit zum Aufbruch, Milly? Isobel, Schatz, möchtest du nicht auch mitkommen?«

»Nein, danke.« Isobel erhob sich. »Ich mach mich besser auf den Heimweg.«

Sie beobachtete, wie Milly in Esmes roten Daimler stieg, und wünschte sich plötzlich, ihre eigene Patentante würde überraschend erscheinen und sie auch so unter ihre Fittiche nehmen. Doch Mavis Hindhead war eine farblose Frau aus dem Norden Schottlands, die Isobel seit ihrer Konfirmation nicht mehr zur Kenntnis genommen hatte, zu der sie ihr einen kratzigen, unförmigen Pulli und eine krakelig geschriebene Karte geschickt hatte, aus der Isobel nie schlau geworden war. Es gab nicht viele Patentanten, dachte Isobel, wie Esme Ormerod.

Als die beiden um die Ecke brausten, machte sich Isobel vor, direkt nach Hause gehen zu wollen. Aber der Gedanke, in die klaustrophobische, traurige Atmosphäre der Küche zurückzukehren, bereitete ihr Unbehagen; sie wollte auch keine weiteren peinlichen Telefonate mit neugierigen Fremden führen. Sie wollte an der frischen Luft bleiben, sich die Beine vertreten und das Gefühl genießen, kein Telefon am Ohr klemmen zu haben.

Es kam ihr vor, als täte sie etwas ähnlich Unverantwortliches wie die Schule zu schwänzen, als sie flott Richtung Stadt marschierte. Zunächst ohne Ziel, genoss sie einfach nur das Gefühl des Laufens, die Leichtigkeit ihrer Arme, die hin und her schwangen. Dann, als ihr unvermittelt ein Gedanke kam, blieb sie stehen und bog, getrieben von einer – zugegebenermaßen – makabren Neugierde, von der Hauptstraße ab, in Richtung St. Edward’s Church.

Beim Betreten der blumengeschmückten Kirche rechnete sie fast damit, auf der Orgel Hochzeitsklänge zu hören. Die Kirchenbänke waren leer, der Altar glänzte hell. Langsam schritt sie den Mittelgang entlang und stellte sich die Kirche dabei voller glücklicher, erwartungsvoller Gesichter vor, malte sich aus, wie es gewesen wäre, in einem Brautjungfernkleid hinter Milly einherzuschreiten und zu beobachten, wie ihre Schwester das alte Gelöbnis ablegte, das jeder kannte und liebte.

Kurz vor dem Altar blieb sie stehen und bemerkte einen Stapel weißer, übrig gebliebener Gottesdienstprogramme am Ende einer Bankreihe. Traurig nahm sie sich eines – dann, als sie die beiden Namen auf dem Titelblatt las, zwinkerte sie überrascht. Eleanor und Giles. Wer zum Teufel waren Eleanor und Giles? Hatten die sich etwa einfach rücksichtslos hineingedrängt?

»Verdammte Parasiten!«, sagte sie laut.

»Wie bitte?«, ertönte eine männliche Stimme hinter ihr, und sie fuhr herum. Ein junger Mann in einem Talar kam den Gang entlang auf sie zu.

»Arbeiten Sie hier?«, erkundigte sich Isobel.

»Ja«, erwiderte der junge Mann.

»Tja, guten Tag. Ich bin Milly Havills Schwester.«

»Ah ja«, sagte der Priester verlegen. »Wie schade. Die Geschichte hat uns allen sehr leidgetan.«

»So? Und dann? Haben Sie gedacht, Sie könnten Millys teuren Blumenschmuck genausogut für andere Zwecke nutzen?«

»Wie meinen Sie das?« Isobel deutete auf die Programme.

»Wer sind Eleanor und Giles, verflixt noch mal? Wie kommt es, dass sie Millys Hochzeitstag bekommen haben?«

»Aber das ist doch gar nicht der Fall«, erwiderte der Vikar nervös. »Die beiden heiraten am Nachmittag. Den Termin haben sie schon vor einem Jahr ausgemacht.«

»Oh.« Isobel blickte auf das Programm und legte es dann weg. »Nun, dann. Hoffentlich wird es für sie ein glücklicher Tag.«

»Das Ganze tut mir wirklich sehr leid«, meinte der Vikar unbeholfen. »Vielleicht wird Ihre Schwester ja zu einem späteren Zeitpunkt heiraten können. Wenn sie alles geklärt hat.«

»Das wäre schön. Aber ich bezweifle es.« Sie blickte sich noch einmal in der Kirche um und wandte sich dann zum Gehen.

»Ich wollte gerade absperren.« Der Vikar eilte hinter ihr her. »Eine Vorsichtsmaßnahme, die wir oft ergreifen, wenn wir Blumenschmuck in der Kirche haben. Sie wären überrascht, was die Leute heutzutage so alles stehlen.«

»Das glaube ich.« Isobel blieb bei einer Säule stehen, pflückte sich eine einzelne weiße Lilie aus einem rankenden Blumenarrangement und atmete den süßen Duft ein. »Es wäre wirklich eine schöne Hochzeit gewesen«, sagte sie traurig. »Und nun ist alles kaputt. Ihr wisst ja gar nicht, was ihr da getan habt.« Der junge Vikar machte ein etwas beleidigtes Gesicht.

»Wenn ich es richtig verstanden habe«, begann er, »war dies ein Fall von versuchter Bigamie.«

»Ja«, sagte Isobel. »Aber keiner hätte etwas davon gewusst. Wenn Ihr Pfarrer Lytton nur ein Auge zugedrückt und geschwiegen hätte …«

»Das Paar hätte es gewusst!«, versetzte der Vikar. »Gott hätte es gewusst!«

»Tja«, erwiderte Isobel knapp. »Vielleicht hätte es ihm nichts ausgemacht.«

Mit gesenktem Kopf marschierte sie aus der Kirche und lief dabei direkt in jemanden hinein.

»Verzeihung!« Sie sah hoch und versteifte sich. Harry Pinnacle stand vor ihr, in einem marineblauen Kaschmirmantel und einem hellroten Schal.

»Guten Tag, Isobel«, grüßte er sie. Er schaute über die Schulter zum Vikar, der ihr nach draußen gefolgt war. »Furchtbar, das Ganze.«

»Ja. Schrecklich.«

»Ich bin unterwegs zu einem Lunch mit deinem Vater.«

»Ja«, erwiderte Isobel. »Er hat’s erwähnt.«

Sie hörten Gerassel, als der Vikar die Tür zusperrte. Mit einem Mal waren sie allein.

»Nun, ich muss los. Nett, dich getroffen zu haben.«

»Warte einen Augenblick«, bat Harry.

»Ich bin etwas in Eile.« Isobel wandte sich zum Gehen.

»Das ist mir egal.« Harry packte sie am Arm und drehte sie zu sich herum. »Isobel, warum hast du auf keine meiner Nachrichten reagiert?«

»Lass mich in Ruhe.« Isobel versuchte, sich aus seinem Griff freizumachen.