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»Isobel! Ich möchte mit dir reden!«

»Ich kann nicht.« Isobels Gesicht verschloss sich. »Harry, ich … kann einfach nicht.«

Lange Stille. Dann ließ Harry ihren Arm fallen.

»Schön. Wie du willst.«

»Wunderbar«, erwiderte Isobel mit ausdrucksloser Stimme. Und ohne ihn anzusehen, steckte sie die Hände in die Taschen und marschierte davon. 

14. Kapitel

Als James in das Pear and Goose kam, saß Harry mit einem Glas Bier in der Hand an der Bar. Es war ein kleiner Pub im Zentrum von Bath, gesteckt voll mit Touristen.

»Schön, dich zu sehen, James«, sagte er und erhob sich, um James die Hand zu schütteln. »Warte, ich besorg dir ein Bier.«

»Danke«, sagte James. Beide beobachteten wortlos, wie der Mann an der Bar ein Bier einschenkte, und James fiel auf, dass sie beide sich zum ersten Mal allein trafen.

»Zum Wohl!« Harry hob sein Glas.

»Zum Wohl.«

»Setzen wir uns doch.« Harry deutete auf einen Tisch in der Ecke. »Da drüben haben wir mehr Ruhe.«

»Ja.« James räusperte sich. »Ich nehme an, du willst mit mir über die Modalitäten der Hochzeit sprechen.«

»Wieso?« Harry machte ein überraschtes Gesicht. »Gibt’s da Probleme? Ich dachte, meine Leute würden das zusammen mit Olivia ins Reine bringen?«

»Ich meinte die finanzielle Seite«, erwiderte James steif. »Millys kleine Enthüllung hat dich ein Vermögen gekostet.«

Harry winkte ab. »Das ist doch unwichtig.«

»Nein, ist es nicht. Ich fürchte, ich habe nicht die Mittel, dir alles zurückzuzahlen. Aber falls wir zu einer Art Einigung kommen können …«

»James«, unterbrach ihn Harry. »Ich habe dich nicht hierher gebeten, um mit dir über Geld zu sprechen. Ich dachte bloß, du würdest vielleicht gern einen mit mir heben, okay?«

»Okay«, sagte James überrascht. »Ja, natürlich.«

»Dann setzen wir uns doch hin und trinken was, verflixt noch mal.«

Sie nahmen an dem Ecktisch Platz. Harry machte eine Tüte Chips auf und bot James welche an.

»Wie geht’s Milly?«, erkundigte er sich. »Alles in Ordnung?«

»Das weiß ich, ehrlich gesagt, nicht so genau. Sie ist bei ihrer Patentante. Wie geht’s Simon?«

»Dummer Junge.« Harry knabberte die Chips. »Heute Morgen habe ich ihm vorgeworfen, er sei ein verwöhnter Bengel.«

»Oh«, sagte James, unsicher, was er sagen sollte.

»Kaum taucht ein Problem auf, schon sucht er das Weite. Der erste Haken, und er schmeißt das Handtuch. Kein Wunder, dass er geschäftlich gescheitert ist.«

»Bist du nicht ein bisschen hart?«, protestierte James. »Es war ein Riesenschock für ihn. Für uns alle. Uns fällt es schon schwer genug, damit umzugehen, was muss Simon da erst empfinden …« Er schüttelte den Kopf.

»Ihr hattet also wirklich keine Ahnung, dass sie verheiratet ist?«, wollte Harry wissen.

»Nicht die geringste.«

»Sie hat euch alle angelogen.«

»Jeden Einzelnen von uns«, erwiderte James ernst. Als er aufsah, grinste Harry ihn an. »Was? Du findest das lustig?«

»Ach, komm«, meinte Harry. »Die Chuzpe des Mädchens muss man einfach bewundern! Dazu gehört schon was, mit dem Bewusstsein zum Altar zu schreiten, dass da draußen ein Ehemann nur darauf wartet, dir eine Falle zu stellen.«

»So kann man das auch sehen.«

»Du nicht?«

»Nein.« James schüttelte den Kopf. »So, wie ich das sehe, hat Milly mit ihrer Gedankenlosigkeit vielen eine Menge Ärger und Kummer bereitet. Ich schäme mich, dass sie meine Tochter ist.«

»Ach komm, lass sie in Ruhe!«

»Dann lass Simon auch in Ruhe!«, entgegnete James. »Er ist unschuldig, denk dran. Der Gelackmeierte.«

»Er ist ein überheblicher, moralistischer kleiner Diktator. Das Leben muss in gewissen Bahnen verlaufen, ansonsten ist er nicht interessiert.« Harry trank einen Schluck Bier. »Er hat es viel zu lange viel zu einfach gehabt, das ist sein Problem.«

»Weißt du, ich würde genau das Gegenteil behaupten«, meinte James. »Kann nicht leicht sein, in deinem Schatten zu stehen. Bin mir nicht sicher, ob ich selbst das fertig brächte.«

Harry zuckte wortlos mit den Achseln. Eine Weile schwiegen beide. Harry leerte sein Bier, hielt einen Augenblick inne und sah dann auf.

»Wie geht’s Isobel?«, fragte er beiläufig. »Wie hat sie auf die ganze Sache reagiert?«

»Wie üblich«, meinte James. »Hat wenig rausgelassen.« Er leerte sein Glas. »Die arme Isobel hat augenblicklich selber genug am Hals.«

»Berufliche Probleme?« Harry lehnte sich vor.

»Nicht nur.«

»Also noch was anderes? Steckt sie irgendwie in Schwierigkeiten?« Der Anflug eines Lächelns huschte über James’ Gesicht.

»Du hast den Nagel auf den Kopf getroffen.«

»Wie meinst du das?«

James starrte in sein leeres Bierglas.

»Ich schätze, ein großes Geheimnis ist es ohnehin nicht«, sagte er und blickte in Harrys nachdenkliches Gesicht. »Sie ist schwanger.«

»Schwanger?« Ein Ausdruck blanken Schocks erschien auf Harrys Miene. »Isobel ist schwanger?«

»Ja. Ich kann’s selbst kaum glauben.«

»Und ihr seid euch da ganz sicher?«, fragte Harry. »Kein Irrtum möglich?«

Gerührt über Harrys Besorgnis, lächelte James ihn an.

»Keine Bange. Die kriegt das schon hin.«

»Hat sie mit dir darüber gesprochen?«

»Sie lässt sich nicht recht in die Karten schauen«, sagte James. »Wir wissen nicht mal, wer der Vater ist.«

»Ah.« Harry trank einen großen Schluck Bier.

»Das Einzige, was wir tun können, ist, sie zu unterstützen, egal, welche Entscheidung sie trifft.«

»Entscheidung?« Harry sah auf.

»Na, ob sie das Kind behalten will oder … nicht.« James zuckte verlegen die Achseln und sah fort. Ein seltsamer Ausdruck trat in Harrys Augen.

»Oh, ich verstehe«, sagte er bedächtig. »Das wäre natürlich eine Möglichkeit.« Er schloss die Augen. »Dumm von mir.«

»Was?«

»Nichts.« Harry schlug die Augen wieder auf. »Nichts.«

»Wie auch immer«, sagte James. »Dein Problem ist es nicht.« Er sah auf Harrys leeres Glas. »Ich besorge dir noch eins.«

»Nein. Ich hole dir noch eins.«

»Aber du hast doch schon …«

»Bitte, James.« James fand, dass Harry plötzlich niedergeschlagen klang. Fast traurig. »Bitte, James. Lass mich.«

Isobel war bis zum Garden for the Blind marschiert. Nun saß sie auf einer gusseisernen Bank, sah zu, wie das Brunnenwasser unaufhörlich in den kleinen Teich tröpfelte, und versuchte, in Ruhe nachzudenken. Einem Endlosfilm gleich, sah sie immer wieder Harrys Gesichtsausdruck vor sich, als sie ihn verlassen hatte; hörte immer wieder seine Stimme. Die ständige Wiederholung hätte den Schmerz in ihr eigentlich dämpfen müssen, hätte sie in die Lage versetzen müssen, ihre Situation logisch zu analysieren. Aber der Schmerz ließ nicht nach; ihre Gedanken kamen nicht zur Ruhe. Sie fühlte sich innerlich völlig zerrissen.

Sie und Harry hatten sich erst vor ein paar Monaten anlässlich Millys und Simons Verlobungsfeier kennen gelernt. Gleich beim Händeschütteln hatte es zwischen ihnen gefunkt. Beider Stimmen hatten leicht gebebt, und wie Spiegelbilder hatten sie sich beide rasch abgewandt und mit anderen gesprochen. Aber Harrys Augen ruhten jedes Mal auf ihr, wenn sie sich umdrehte, und sie spürte, wie ihr ganzer Körper auf seine Aufmerksamkeit reagierte. In der Woche darauf trafen sie sich heimlich zum Dinner. Er schmuggelte sie zu sich ins Haus, und am nächsten Morgen beobachtete sie von seinem Schlafzimmerfenster aus, wie Milly Simon auf der Auffahrt hinterherwinkte. Im nächsten Monat waren sie in verschiedenen Flugzeugen nach Paris gereist. Jede Begegnung war etwas ganz Besonderes gewesen. Sie hatten beschlossen, es niemandem zu erzählen, die Dinge locker und unverbindlich zu lassen. Zwei Erwachsene, die einander genossen, weiter nichts.