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Ein paar Sekunden stand er reglos da. Zitternd vor Wut und Demütigung starrte er die Tür an. »Miststück«, hörte er sich mit erstickter Stimme sagen. »Miststück.« Ein plötzliches Verlangen nach Allan überkam ihn, und er wich von der Tür zurück, die Augen tränenverschleiert.

»Alles okay?«, ertönte eine fröhliche Mädchenstimme von gegenüber. »Haben Sie sich ausgeschlossen? Wenn Sie möchten, können Sie von uns aus telefonieren!«

»Nein danke«, murmelte Rupert. Er sah das Mädchen kurz an. Sie war jung, attraktiv und sah ihn mitfühlend an – für einen Augenblick überkam ihn das Verlangen, sich an ihrer Schulter auszuweinen. Dann fiel ihm ein, dass Francesca ihn vom Haus aus beobachten könnte, und er verspürte eine leichte Panik. Rasch, unbeholfen ging er fort, die Straße hinunter. Er erreichte die Ecke und winkte ein Taxi herbei, ohne zu wissen, wohin es gehen sollte.

»Ja?«, fragte der Fahrer, als er einstieg. »Wohin möchten Sie?«

»Zu … zu …« Einen Augenblick schloss Rupert die Augen, dann öffnete er sie und schaute auf seine Uhr. »Paddington Station.«

Um sechs Uhr klingelte es an der Haustür. Isobel machte auf, und Simon stand davor, einen großen Blumenstrauß in der Hand.

»Oh, du bist es«, sagte sie unfreundlich. »Was willst du?«

»Ich möchte zu Milly.«

»Sie ist nicht da.«

»Ich weiß«, meinte er besorgt. Simon wirkte herausgeputzt, fand Isobel, wie ein altmodischer Freier. Beinahe hätte sie bei seinem Anblick lächeln müssen. »Ich wollte mich nach der Adresse ihrer Patentante erkundigen.«

»Du hättest anrufen können«, bemerkte Isobel unerbittlich. »Dann hätte ich nicht extra an die Tür gehen müssen.«

»Es war dauernd besetzt.«

»Oh.« Isobel verschränkte die Arme und lehnte sich gegen den Türrahmen, nicht bereit, ihn gehen zu lassen. »Na, sind wir schon von unserem hohen Ross gestiegen?«

»Halt einfach den Mund, Isobel, und gib mir die Adresse«, erwiderte Simon gereizt.

»Tja, ich weiß nicht. Möchte Milly denn mit dir sprechen?«

»Ach, vergiss es.« Simon wandte sich um und stieg die Treppe wieder hinunter. »Ich finde sie auch allein.«

Isobel starrte ihn kurz an, dann rief sie: »Walden Street, Nummer zehn!« Simon drehte sich noch einmal um.

»Danke«, sagte er. Isobel zuckte die Achseln.

»Schon okay. Ich hoffe …« Sie hielt inne. »Du weißt schon.«

»Ja. Das hoffe ich auch.«

Esme öffnete in einem langen weißen Bademantel die Tür.

»Oh«, meinte Simon verlegen. »Verzeihung, wenn ich störe. Ich wollte mit Milly sprechen.«

Esme musterte ihn und sagte dann: »Ich fürchte, sie schläft. Sie hat heute Mittag nämlich reichlich getrunken. Ich werde sie wohl nicht wecken können.«

»Oh.« Simon trat von einem Fuß auf den anderen. »Tja … sagen Sie ihr bitte einfach, ich sei vorbeigekommen. Und geben Sie ihr diese hier.« Er reichte Esme die Blumen, die sie mit leichtem Entsetzen betrachtete.

»Ich richte es aus. Auf Wiedersehen.«

»Vielleicht könnte sie mich anrufen. Wenn sie wach ist.«

»Vielleicht«, sagte Esme. »Das liegt bei ihr.«

»Natürlich.« Simon errötete leicht. »Nun, danke.«

»Auf Wiedersehen.« Esme schloss die Tür. Einen Augenblick sah sie auf die Blumen, dann ging sie in die Küche und warf sie in den Abfalleimer. Sie ging hoch und klopfte an Millys Tür.

»Wer war das?«, fragte Milly und sah auf. Sie lag auf einem Massagetisch, und Esmes Kosmetikerin rieb ihr ein Gesichtsöl in die Wangen.

»Ein Vertreter«, antwortete Esme aalglatt. »Wollte mir ein paar Staubtücher andrehen.«

»Oh, solche Typen kommen zu uns auch immer.« Milly legte sich wieder hin. »Und immer unpassend.«

Esme lächelte sie an. »Wie war deine Massage?«

»Herrlich«, sagte Milly.

»Gut.« Esme schlenderte zum Fenster, tippte sich ein paarmal auf die Zähne und wandte sich dann um.

»Weißt du, ich finde, wir sollten verreisen. Eigentlich hätte ich schon früher darauf kommen können. Du wirst morgen ja wohl nicht in Bath sein wollen, oder?«

»Eigentlich nicht«, sagte Milly. »Andererseits … will ich eigentlich überhaupt nirgends sein.« Unvermittelt verzog sie ihr Gesicht, und in ihre Augenwinkel traten Tränen. »Tut mir leid«, entschuldigte sie sich heiser bei der Kosmetikerin.

»Wir fahren nach Wales«, verkündete Esme. »Ich kenne da einen kleinen Ort in den Bergen. Sagenhafte Aussicht und jeden Abend Lammbraten. Na, wie klingt das?«

Milly schwieg. Die Kosmetikerin tupfte geziert mit einer gelben Flüssigkeit aus einer goldenen Flasche die Tränenspuren fort.

»Der morgige Tag wird schwierig«, sagte Esme sanft. »Aber wir schaffen das. Und danach …« Sie kam und nahm Millys Hand. »Denk doch bloß nach, Milly. Du hast eine Chance erhalten, die kaum eine Frau erhält. Du kannst einen Neuanfang machen. Du kannst dein Leben nach deinen Wünschen gestalten.«

»Du hast recht.« Milly starrte an die Decke. »Nach meinen Wünschen.«

»Die Welt gehört dir! Man stelle sich vor, dass du drauf und dran warst, Mrs. Pinnacle zu werden!« Ein Anflug von Verachtung schlich sich in Esmes Stimme. »Schatz, das war ein knappes Entkommen. Rückblickend wirst du mir dankbar sein, Milly. Wirklich!«

»Das bin ich jetzt schon.« Milly drehte den Kopf und sah Esme an. »Was hätte ich bloß ohne dich getan!«

»So ist’s recht!« Esme tätschelte Milly die Hand. »Jetzt leg dich einfach zurück und genieße den Rest deiner Sitzung – ich packe inzwischen den Wagen.« 

15. Kapitel

Als James an diesem Abend heimkam, war das Haus nur schwach beleuchtet und ungewohnt still. Er hängte seinen Mantel auf und schnitt seinem Spiegelbild eine Grimasse, dann öffnete er geräuschlos die Küchentür. Auf dem Tisch herrschte noch immer ein wildes Durcheinander aus Adress- und Telefonbüchern, Namenslisten, Broschüren und Kaffeetassen; Olivia saß mit hängenden Schultern in der trüben Stille.

Einige Augenblicke bemerkte sie ihn nicht. Dann, als hätte er gesprochen, hob sie den Kopf. Sie schaute ihn mit ängstlichen Augen an, sah dann rasch wieder fort und hob die Hände abwehrend vors Gesicht. James, der sich wie ein Schuft vorkam, trat unbeholfen vor.

»Na?« Er stellte seine Aktentasche auf dem Stuhl ab. »Alles erledigt?« Er blickte sich um. »Du musst einen höllischen Tag hinter dir haben!«

»War gar nicht so schlimm«, erwiderte Olivia heiser. »Isobel war eine große Hilfe. Wir beide …« Sie brach ab. »Und dein Tag? Isobel hat mir erzählt, dass du Probleme in der Firma hast. Das … das habe ich gar nicht mitbekommen. Tut mir leid.«

»Wie solltest du auch. Ich hab’s dir ja nicht erzählt.«

»Erzähl’s mir jetzt.«

»Nicht jetzt«, meinte James matt. »Vielleicht später.«

»Ja, später«, sagte Olivia mit unsicherer Stimme. »Natürlich.« James sah sie an und entdeckte zu seiner Bestürzung Angst in ihren Augen. »Komm, ich mach dir eine Tasse Tee«, sagte sie.

»Danke«, erwiderte James. »Olivia …«

»Geht ganz schnell!« Sie erhob sich eilig, blieb dabei mit dem Ärmel an der Tischkante hängen und riss sich los, als wolle sie verzweifelt von ihm wegkommen, zur Spüle, zum Wasserkessel, vertrauten, unbelebten Gegenständen. James setzte sich an den Tisch und griff nach dem roten Buch. Er fing an, darin zu blättern. Seite für Seite voll Listen, Gedanken, Erinnerungshilfen, ja sogar kleiner Skizzen. Der Entwurf, wie ihm aufging, für etwas wirklich Spektakuläres.

»Schwäne«, sagte er, den Blick auf einen angekreuzten Eintrag gerichtet. »Du hattest doch nicht wirklich vor, für das Fest lebendige Schwäne zu mieten?«