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»Schwäne aus Eis.« Olivias Gesicht erhellte sich ein wenig. »Sie sollten mit …« Sie brach ab. »Ach, egal.«

»Na, nun sag schon!« Es entstand eine Pause.

»Mit Austern gefüllt sein.«

»Ich mag Austern.«

»Ich weiß.« Mit ungeschickten Händen nahm sie die Teekanne, drehte sich, um sie auf den Tisch zu stellen, und rutschte dabei aus. Die Teekanne zerbrach unter lautem Geklirr auf den Schieferkacheln, und Olivia stieß einen Schrei aus.

»Olivia?« James sprang auf. »Alles in Ordnung?«

Porzellanscherben lagen in einer Teepfütze auf dem Boden; zwischen den Kacheln strömten Teeflüsschen auf ihn zu. Das gelbgeränderte Auge einer Ente starrte vorwurfsvoll zu ihm hoch.

»Sie ist kaputt!«, jammerte Olivia. »Dabei hatten wir diese Teekanne zweiunddreißig Jahre!« Sie ging in die Knie, hob eine Henkelscherbe auf und starrte sie ungläubig an.

»Wir kaufen uns eine neue.«

»Ich möchte keine neue«, erwiderte Olivia mit bebender Stimme. »Ich möchte die alte. Ich möchte …« Unvermittelt brach sie ab und wandte sich zu James um. »Du willst mich verlassen, nicht, James?«

»Was?« James starrte sie schockiert an.

»Du willst mich verlassen«, wiederholte Olivia ruhig. Sie sah auf die Teekannenscherbe und umklammerte sie fester. »Du willst ein neues Leben anfangen. Ein neues, aufregendes Leben.«

Kurze Zeit herrschte Stille, dann begriff James und atmete scharf aus.

»Du hast mich gehört.« Er versuchte, seine Gedanken zu sammeln. »Du hast mich gehört. Mir war nicht klar …«

»Ja, ich habe dich gehört«, erwiderte Olivia, ohne aufzusehen. »Das hast du doch auch gewollt, oder?«

»Olivia, ich wollte nicht …«

»Ich nehme an, du wolltest warten, bis die Hochzeit vorbei ist«, schnitt Olivia ihm das Wort ab, die das Teekannenstück immer wieder herumdrehte. »Vermutlich wolltest du den freudigen Anlass nicht zerstören. Nun, das ist auch so geschehen. Du brauchst also nicht länger zu warten. Du kannst gehen.« James blickte sie an.

»Du möchtest, dass ich gehe?«

»Das habe ich nicht gesagt.« Olivias Stimme wurde eine Spur rauer, den Kopf hielt sie weiterhin gesenkt. Lange Zeit herrschte Stille. Auf dem Boden kam das letzte braune Flüsschen Tee zum Stillstand.

»Das Problem in der Firma«, sagte James plötzlich und ging zum Fenster. »Das Problem, von dem Isobel gesprochen hat. Die Firma wird umstrukturiert. Drei der Abteilungen werden nach Edinburgh verlegt. Man hat mich gefragt, ob ich umziehen wollte. Und ich habe gesagt …« Er drehte sich zu ihr um. »Ich habe gesagt, ich würde darüber nachdenken.« Olivia sah auf.

»Davon hast du mir nichts erzählt.«

»Nein«, sagte James trotzig. »Habe ich nicht. Deine Antwort war mir klar.«

»So? Wie schlau von dir!«

»Du bist hier verwurzelt, Olivia. Hier hast du deine Arbeit und deine Freundinnen. Ich wusste, dass du das alles nicht verlassen willst. Aber ich hatte einfach das Gefühl, ich bräuchte etwas Neues!« Ein schmerzlicher Zug erschien auf James’ Gesicht. »Kannst du das verstehen? Hast du nie mal fliehen und neu anfangen wollen? Ich dachte, eine neue Stadt wäre die Antwort auf mein Unbehagen. Ein neuer Ausblick in der Früh. Eine andere Luft zum Atmen.«

Stille.

»Verstehe«, sagte Olivia schließlich mit brüchiger Stimme. »Na dann, ab mit dir. Ich will dich nicht aufhalten. Ich helf dir beim Packen, soll ich?«

»Olivia …«

»Vergiss nicht, mir eine Ansichtskarte zu schicken.«

»Olivia, komm, sei nicht so!«

»Wie, so? Wie meinst du denn, soll ich sonst reagieren? Immerhin planst du, mich zu verlassen!«

»Nun, was hätte ich denn tun sollen?«, entgegnete James zornig. »Auf der Stelle absagen? Mich für weitere zwanzig Jahre Bath festlegen?«

»Nein!«, schrie Olivia, in deren Augen plötzlich Tränen glitzerten. »Du hättest mich bitten sollen mitzukommen. Ich bin deine Frau, James. Du hättest mich darum bitten sollen!«

»Was hätte das gebracht? Du hättest gesagt …«

»Du weißt doch gar nicht, was ich gesagt hätte!« Olivias Stimme bebte, und sie reckte ihr Kinn. »Du weißt nicht, was ich gesagt hätte, James. Und du hast dir nicht mal die Mühe gemacht, es herauszufinden.«

»Ich …« James hielt inne.

»Du hast dir nicht mal die Mühe gemacht, es herauszufinden«, wiederholte Olivia, und ein Anflug von Verachtung schlich sich in ihre Stimme.

Lange Zeit herrschte Stille.

»Wie wäre deine Antwort ausgefallen?«, wollte James schließlich wissen. »Wenn ich dich gefragt hätte?« Er versuchte, Olivias Blick aufzufangen, aber sie starrte auf die Porzellanscherbe, die sie noch immer in den Händen hielt, und ihrer Miene war nichts abzulesen.

Es klingelte an der Tür. Keiner der beiden rührte sich.

»Was hättest du geantwortet, Olivia?«, fragte James.

»Ich weiß nicht«, sagte Olivia schließlich. Sie legte die Kannenscherbe auf den Tisch und sah ihn an. »Vermutlich hätte ich dich gefragt, ob du mit dem Leben hier wirklich so unzufrieden bist. Ich hätte dich gefragt, ob du wirklich glaubst, eine neue Stadt würde all deine Probleme lösen. Und wenn du das bejaht hättest …« Wieder klingelte es an der Tür, laut und beharrlich, und sie brach ab. »Geh mal lieber hin.« James starrte sie eine kurze Weile an, dann erhob er sich.

Er ging in die Diele, öffnete die Tür und machte dann vor Überraschung einen Schritt zurück. Alexander stand an der Türschwelle – unrasiert, umgeben von Taschen, mit argwöhnischem Blick.

»Hören Sie«, sagte er, als er James sah. »Es tut mir leid. Wirklich. Das müssen Sie mir glauben. Ich wollte das alles nicht auslösen.«

»Das spielt ja jetzt wohl keine Rolle mehr, oder?«, erwiderte James matt. »Der Schaden ist angerichtet. Ich an Ihrer Stelle würde einfach kehrtmachen und gehen.«

»Für mich spielt es eine Rolle. Außerdem …« Er machte eine Pause. »Außerdem habe ich noch immer Sachen hier. In meinem Zimmer. Ihre Tochter hat mich rausgeschmissen, ehe ich sie holen konnte.«

»Verstehe. Na, dann kommen Sie mal besser rein.«

Vorsichtig betrat Alexander das Haus. Er warf einen Blick auf die Hochzeitskuchenschachteln und zog eine Grimasse.

»Ist Milly da?«, erkundigte er sich.

»Nein. Sie ist bei ihrer Patentante.«

»Geht’s ihr einigermaßen?«

»Was glauben Sie denn?« James verschränkte die Arme. Alexander zuckte zusammen.

»Hören Sie, es war doch nicht meine Schuld!«

»Wie meinen Sie das, es war nicht Ihre Schuld!« Olivia erschien mit empörter Miene an der Küchentür. »Milly hat uns erzählt, wie Sie sie aufgezogen haben. Wie Sie ihr gedroht haben. Sie sind nichts weiter als ein mieser kleiner Fiesling!«

»Na, jetzt machen Sie mal halblang! Selbst ist sie ja wohl auch keine Heilige!«

»Alexander, vielleicht haben Sie ja gedacht, Sie würden der Welt einen Dienst erweisen, wenn Sie sie entlarven«, sagte James. »Vielleicht dachten Sie, Sie täten Ihre Pflicht. Aber Sie hätten sich zuerst an uns oder Simon wenden können, ehe Sie den Pfarrer informieren.«

»Herrgott noch mal, ich wollte sie nicht entlarven«, erwiderte Alexander ungeduldig. »Ich wollte sie bloß damit aufziehen.«

»Aufziehen?«

»Sie ein bisschen necken. Sie wissen schon. Und mehr habe ich auch nicht getan. Ich habe dem Pfarrer nichts erzählt! Warum sollte ich das?«

»Wer weiß schon, was in Ihrem schmutzigen kleinen Kopf vorgeht«, schimpfte Olivia.

»Ich weiß gar nicht, warum ich mir eigentlich die Mühe mache«, sagte Alexander. »Sie glauben mir ja eh nicht. Aber ich hab das nicht getan, okay? Warum sollte ich Millys Hochzeit zerstören? Schließlich bezahlen Sie mich dafür, den Scheiß zu fotografieren! Was hätte ich also davon?«

Stille trat ein. James sah zu Olivia.

»Ich weiß ja nicht mal, wie der Pfarrer heißt.« Alexander seufzte. »Hören Sie, ich habe versucht, es Isobel zu erklären, und sie wollte nicht hören, und nun versuche ich, es Ihnen zu erklären, und Sie hören auch nicht zu. Aber es ist wahr. Ich habe keiner Menschenseele von Milly erzählt. Wirklich nicht. Himmel, meinetwegen könnte sie sechs Ehemänner haben!«