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„Arakles und Wranamaui wurden jedoch seit Jahrhunderten als klassische Beispiele kristallklarer Logik gefeiert“, erwiderte Vahino niedergeschlagen. „Und ich muß gestehen, daß ich Ihren Kant, Russell und Kozybiski auch nicht ganz verstehe. Nun, ich bin in diesen Kategorien natürlich nicht geschult. Zweifellos haben Sie recht. Die jüngeren Generationen werden mir zustimmen. Ich werde mit dem Großen Haus sprechen. Vielleicht läßt sich sofort eine Regelung treffen. Auf jeden Fall werden Sie nicht Jahre warten müssen, bis Reformen durchgeführt werden. Alle unsere jungen Leute sehnen sich danach, Ihren Idealen zu folgen. Es sind die Leitbilder des Erfolges.“

„Genau“, erwiderte Lombard und fügte dann verbindlich hinzu: „Manchmal wünschte ich mir, der Fortschritt verlange nicht einen so hohen Preis. Doch Sie brauchen sich nur Skontar anzusehen, um zu begreifen, wie notwendig man den Erfolg braucht.“

„Nun, die Skontaraner haben Erstaunliches geleistet in den letzten drei Jahren. Nach der großen Hungersnot haben sie sich wieder gefangen. Sie bauen alles aus eigener Kraft wieder auf. Sie haben sogar Forscher ausgeschickt, die sich nach Sonnen mit Planeten umsehen, wo sie Kolonien gründen können.“ Vahino lächelte dünn. „Ich liebe unsere ehemaligen Feinde nicht, aber die Bewunderung kann ich ihnen nicht versagen.“

„Sie haben Mut“, gab Lombard zu. „Doch was ist Mut ohne Beistand? Sie verstricken sich in ein Gestrüpp von Rückständigkeit. Schon jetzt ist das Sozialprodukt von Cundaloa dreimal so hoch wie das der Skontaraner. Die interstellare Kolonisation ist nur eine bedeutungslose Geste — getragen von ein paar hundert Individuen. Skontar wird weiterexistieren, doch nur als Macht zehnter Ordnung. Es wird nicht lange dauern, und Skontar wird ein Satellit der Cundaloaner sein. Schuld daran ist nicht, daß sie etwa keinen Erfindungsgeist oder keine Ausdauer besäßen. Nein. Sie verfügen über Bodenschätze, über praktische Veranlagungen. Doch indem sie unser Hilfsangebot arrogant von sich gewiesen haben, haben sie sich vom Stamm der galaktischen Zivilisation abgetrennt. Zum Beispiel versuchen sie, wissenschaftliche Theorien und Apparate weiterzuentwickeln, die wir schon vor hundert Jahren gekannt und verworfen haben. Sie entfernen sich immer weiter von den Gleisen des Fortschritts, daß man nur darüber lachen könnte, wäre es nicht ein so tragischer Anblick. Ihre Sprache — so wie eure — ist für wissenschaftliche Zwecke ungeeignet. Und dazu schleppen sie noch die rostigen Ketten ihrer Tradition mit sich herum. Ich habe zum Beispiel einige ihrer Raumschiffe gesehen, die sie selbst entwickelten, statt irdische Modelle zu übernehmen. Sie sind einfach lächerlich. Ein halbes Hundert neuer Ansätze, keine klare Grundkonzeption. Kugeln, eiförmig, würfelförmig — ja, ich hörte neulich, daß sie sogar Raumschiffe in Doppelpyramidenform bauen wollen!“

„Es könnte sogar funktionieren“, überlegte Vahino laut. „Die Riemannsche Geometrie, auf der die interstellare Raumfahrt aufbaut, würde erlauben…“

„Nein, nein! Die Erde hat diese Konzepte ausprobiert und dabei festgestellt, daß es nicht funktioniert. Nur ein Narr — und die Wissenschaftler von Skontar in ihrer selbstgewählten Isolation müssen sich ja dazu entwickeln — könnte so etwas für brauchbar halten. Wir Menschen hatten eben Glück, das war alles. Selbst wir mußten einen langen Weg zurücklegen, ehe unsere Mentalität reif für die wissenschaftliche Zivilisation wurde. Davor gab es keine technologische Entwicklung. Doch danach — danach erreichten wir die Sternenwelten. Natürlich können andere Rassen dasselbe schaffen wie wir, aber zuerst müssen sie die geeignete Zivilisation dafür schaffen, die richtige Grundlage erarbeiten. Und ohne unsere Anleitung wird weder Skontar noch irgendein anderer Planet die Basis besitzen, um nach den Sternen zu greifen. — Sie brauchen Jahrhunderte, bis sie das erreichen.“ Lombard nickte heftig.

„Ah, das bringt mich auf einen Gedanken“, setzte Lombard seine Erläuterungen fort und griff in seine Jackentasche. „Ich habe hier eine Fachzeitschrift, eine Broschüre, die von einer der skontaranischen philosophischen Gesellschaften herausgegeben wird. Die Nachrichtenverbindungen sind ja nicht ganz abgerissen, wie Sie wissen. Es besteht kein Embargo. Die Solarier haben Skang lediglich aufgegeben, weil es sich nicht lohnt, dort Geld und Intelligenz zu investieren. Nun“ — er zog eine Zeitschrift aus der Tasche —, „hier habe ich jedenfalls eine Denkschrift von einem ihrer Philosophen, Dyrin, der an einer neuen Bedeutungslehre arbeitet, die dort ziemlich viel Staub aufgewirbelt haben soll. Sie verstehen doch Skontaranisch, nicht wahr?“

„Ja“, erwiderte Vahino. Ich habe im Krieg in der militärischen Abwehr gedient. Lassen Sie mich sehen…“ Er blätterte in der Broschüre, bis er den bewußten Artikel fand, und übersetzte vom Blatt:

„Die Arbeiten des Verfassers haben bisher gezeigt, daß der Nonelementalismus nicht als solcher ein Umfassendes ist, sondern bestimmten psychomathematischen Einschränkungen unterworfen. Diese Einschränkungen rühren von dem broganar — ein Wort, das ich leider nicht verstehe — Feld her, das sich mit den elektronischen Wellenkernen verbindet, und…“

„Was ist das für ein Kauderwelsch?“ unterbrach Lombard an dieser Stelle.

„Keine Ahnung“, sagte Vahino hilflos. „Der skontaranische Geist ist mir ebenso fremd wie Ihnen.“

„Blödsinn“, sagte Lombard, „vermischt mit der sattsam bekannten Arroganz der Skontaraner.“ Er warf die Zeitschrift in das kleine, mit Kohlen gefüllte Bronzebecken. Die Flammen verzehrten die dünnen Blätter. „Vollkommener Blödsinn, wie jeder sofort erkennen wird, der etwas von Bedeutungslehre versteht — oder auch nur einen Atomkern Verstand im Kopf hat.“ Er lächelte, sogar ein bißchen traurig, und schüttelte dabei den Kopf. „Eine Rasse von Verrückten!“

* * *

„Ich wünschte, du könntest mir morgen ein paar Stunden widmen“, sagte Skorrogan.

„Hm, das ließe sich einrichten“, erwiderte Thordin XI., der gegenwärtige Valtam des Imperiums von Skontar. Er nickte. „Obgleich mir nächste Woche besser passen würde.“

„Morgen — bitte!“

Dieses Drängen mußte einen tieferen Sinn haben. „Also gut“, meinte Thordin. „Was ist los?“

„Ich möchte dich auf einen kleinen Ausflug nach Cundaloa mitnehmen.“

„Weshalb ausgerechnet dorthin? Und warum muß es gerade morgen sein?“

„Das werde ich sagen, wenn wir dort sind.“ Skorrogan neigte den Kopf, der zwar noch dichtbemähnt, aber schon weiß war. Dann schaltete er den Fernsehkommunikator aus. Thordin lächelte. Skorrogan war schon ein eigenartiger Mann — in vieler Hinsicht. Doch — nun —, die Alten mußten zusammenhalten. Eine neue Generation drängt heran, und dahinter bereits wieder eine, die den Platz an der Sonne für sich erobern will.

Ohne Zweifel, das Leben in der Verbannung hatte den früher so heiter-zuversichtlichen Skorrogan stark verändert. Kein Wunder, hatte diese innere Emigration doch über dreißig Jahre gedauert. Doch sie hatte ihn wenigstens nicht verbittert. Als sich der langsame, aber stetige Fortschritt auf Skontar abzeichnete und sein eigenes Versagen in den Schatten der Vergessenheit gedrängt wurde, hatte der Kreis der früheren Freunde ihn wieder aufgenommen. Skorrogan lebte immer noch sehr zurückgezogen, doch er war jetzt wieder willkommen, wo er sich sehen ließ. Thordin selbst hatte entdeckt, daß ihre alte Freundschaft nie erloschen war, und weilte oft drüben in der Zitadelle von Kraakahaym, dem Palast Skorrogans. Er hatte sogar dem alten Adeligen wieder einen Sitz im Hohen Rat angeboten; doch Skorrogan hatte abgelehnt. Und inzwischen waren weitere zehn Jahre — oder waren es zwanzig? — verflossen, in denen Skorrogan nichts anderes getan hatte, als seine Pflichten als Herzog zu erfüllen. Heute bat er zum erstenmal um einen Gefallen. — Ja, ich werde morgen mitfliegen. Zum Teufel mit der Arbeit. Auch Monarchen haben Recht auf Urlaub! Thordin stand von seinem Sessel auf und ging, das eine Bein nachziehend, hinüber zum breiten Söller. Er fröstelte, als er dem Schneetreiben zusah. Der Winter kam wieder einmal ins Land.