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Sie blickte ihn an. »Ich muss zu der Anhörung zurückkehren, Lord Regin.«

»Natürlich. Aber…« Er verzog das Gesicht. »Wenn Ihr so bald wie möglich mit ihm sprechen könntet… Ich denke, er würde auf Euch hören.«

»Das werde ich tun«, erwiderte sie. »Aber jetzt sollte ich besser in die Halle zurückkehren. Ich darf Administrator Osen nicht warten lassen.«

Seine Mundwinkel zuckten nach oben, aber sein Blick blieb beunruhigt. Sonea wandte sich ab und eilte aus dem Klassenzimmer zurück in den Flur, wo die verbliebenen Novizen erstarrten und sich nicht rechtzeitig erholten, um sich zu verbeugen, bis sie schon ein gutes Stück des Weges zurückgelegt hatte. Sobald sie außer Sicht war, begann sie zu laufen und verlangsamte ihre Schritte nur, wenn sie von einem Flur in den nächsten einbog, damit sie nicht mit jemandem zusammenstieß. Schließlich hatte sie es in die Große Halle zurückgeschafft. Zu ihrer Erleichterung standen Dannyl und Lorkin draußen vor der Gildehalle und warteten noch immer darauf, hineingerufen zu werden.

Eine von Verlegenheit erfüllte Wartezeit folgte. Sie wollte weder das Unbehagen ihres Sohnes noch vergrößern, indem sie sich zu ihm und Dannyl gesellte, noch war es geziemend für sie, mit den ehemaligen Botschaftern und dem Händler zu sprechen, die miteinander plauderten. Niemand aus der Menge schien geneigt zu sein, an sie heranzutreten, und sie entdeckte niemanden, den sie kannte und der im Moment nichts gegen ihre Gesellschaft einzuwenden gehabt hätte. Pendel war nirgends zu sehen. Also musste sie allein dastehen und warten.

Nach etlichen langen Minuten wurden die Türen der Gildehalle endlich geöffnet. Erleichtert beobachtete Sonea, wie Osen Dannyl und Lorkin bedeutete einzutreten. Er blickte auf und nickte ihr zu. Ausnahmsweise einmal war seine Miene nicht kalt und abweisend. Er wirkte beinahe mitfühlend.

Oh-oh. Bedeutet das, dass sie meinen Protest überstimmt haben?

Ihr Magen krampfte sich zusammen. Dann begann ihr Herz schneller zu schlagen. Sie hielt ihre Miene so neutral wie möglich, während sie an der Menge vorbei in die Halle ging. Dort angekommen, konnte sie nicht umhin, die Gesichter der Höheren Magier zu betrachten. Vinaras faltiges Antlitz schien Schuldgefühle auszudrücken. Peakin runzelte mit einem Ausdruck die Stirn, den man als Unsicherheit deuten konnte, aber Garrel wirkte selbstgefällig. Ihr Magen krampfte sich noch weiter zusammen.

Als sie höher hinaufschaute, begegnete sie Balkans Blick. Seine Miene verriet nichts. Aber Kallen… Kallen wirkte verärgert. Hoffnung stieg in ihr auf.

Dann sah sie Rothen an, und ihr Herz hörte auf zu schlagen. Er wusste, dass sie ihn heutzutage nur allzu gut durchschauen konnte, daher versuchte er nicht einmal, etwas zu verbergen. In seinen Augen stand eine ehrliche Entschuldigung, und er schüttelte den Kopf.

»Schwarzmagierin Sonea, die Höheren Magier haben Euren Protest sorgfältig erwogen. Sie sind zu der Feststellung gekommen, dass es keine handfesten Beweise dafür gibt, dass Lord Lorkin ernsthafte Gefahr droht, wenn er nach Sachaka reist, solange er unter dem Schutz von Lord Dannyl und dem Gildehaus verbleibt und nicht unnötig mit seiner Herkunft prahlt. Akzeptiert Ihr diese Entscheidung?«

Sie sah Osen an, holte tief Luft, zwang ihr Gesicht, keine Spuren des Aufruhrs zu zeigen, der in ihr tobte, und nickte.

»Das tue ich.«

»Dann erkläre ich diese Anhörung für beendet.«

Ungläubigkeit und dann Jubel erfüllten Lorkin, nachdem Lord Osen die Entscheidung der Höheren Magier verkündet hatte, und er verspürte den jähen Drang, in Freudengeheul auszubrechen. Aber das wäre in der würdevollen Umgebung der Gildehalle unpassend gewesen und seiner Mutter gegenüber nicht freundlich.

Wie immer ließ sie sich wenig von ihren Gedanken oder Gefühlen anmerken. Wie sie das fertigbrachte, konnte er nicht sagen. Lange Übung? Er hoffte, dass er diese Fähigkeit eines Tages erben würde. Trotzdem sah er kleine Hinweise, die anderen entgingen. Die leicht gebeugten Schultern. Das Zögern, bevor sie Osens letzte Frage beantwortet hatte. Und als sie auf ihn zukam, sah er, wie geweitet ihre Pupillen waren. Aber weit vor Ärger oder vor Angst?

»Macht Euch keine Sorgen wegen Lorkin«, sagte Dannyl leise zu ihr. »Ich werde dafür sorgen, dass ihm nichts zustößt. Das verspreche ich Euch.«

Sie sah ihn an, und ihre Augen wurden schmal. »Ich werde Euch beim Wort nehmen.«

Dannyl zuckte tatsächlich zusammen. »Ich weiß.«

»Und du«, sagte sie und sah jäh zu Lorkin hinüber. »Du solltest besser vorsichtig sein. Wenn irgendein Sachakaner dich im Schlaf ermordet, werde ich dir erscheinen und dich dazu zwingen zuzugeben, dass du dich geirrt hast.« Das winzige Zucken eines Lächelns hob ihre Mundwinkel an.

»Ich werde es nicht vergessen«, erwiderte er. »Mich nicht ermorden lassen.«

Das Lächeln verblasste, und sie musterte ihn einen Moment lang schweigend. Dann drehte sie sich abrupt zu Dannyl um.

»Wann werdet Ihr aufbrechen?«, fragte sie.

»So bald wie möglich, fürchte ich«, antwortete er entschuldigend. »Der Gilde wäre es lieber gewesen, es hätte jemand nach Sachaka gehen und sich dort von Lord Maron in seine Pflichten einweisen lassen können, bevor er sein Amt antritt, aber Maron musste ja in aller Eile nach Kyralia zurückkehren. Die Sache ist anscheinend die: Wenn wir das Gildehaus zu lange ohne einen Botschafter lassen, werden sie eine andere Verwendung dafür finden, und wir werden auf dem Land leben müssen.«

Sie zog die Augenbrauen hoch. »Wie lang ist zu lange?«

»Das wissen wir nicht. Sie haben es uns nicht gesagt.«

Sonea schnaubte leise. »Also halten sie Euch an der kurzen Leine. Ich bin froh, dass Ihr hingeht, nicht ich. Nicht dass ich es könnte, selbst wenn ich es wollte.« Sie drehte sich zu den Höheren Magiern um, von denen fast alle von ihren Plätzen heruntergekommen waren und die nun den Raum verließen. Osen schaute zu ihnen hinüber.

»Wir sollten besser gehen«, sagte Dannyl.

»Ja«, pflichtete Sonea ihm bei. Sie runzelte die Stirn, und ein abwesender Ausdruck trat in ihre Züge. »Ich muss mich um eine ziemlich dringende Angelegenheit kümmern.« Sie sah sie beide an und brachte ein dünnes Lächeln zustande. »Reist nicht ab, ohne Lebewohl zu sagen, ja?«

Ohne auf eine Antwort zu warten, stolzierte sie in Richtung Tür davon. Dannyl und Lorkin folgten ihr, wenn auch in langsamerem Tempo. Lorkin beobachtete, wie seine Mutter durch die Tür der Gildehalle verschwand.

»Ich habe nicht die Absicht, in Sachaka zu sterben«, erklärte Lorkin. »Tatsächlich werde ich mich so bedeckt wie möglich halten. Schließlich wird sie mich hierher zurückholen, sollte auch nur die leiseste Andeutung einer Torheit den Weg hierher finden.«

»Tatsächlich kann sie genau das nicht tun«, erwiderte Dannyl.

Lorkin sah den hochgewachsenen Magier stirnrunzelnd an.

»Vergesst nicht, sie ist eine Schwarzmagierin. Es ist ihr verboten, die Stadt zu verlassen. Wenn sie gegen diese Bedingung verstößt, wird man sie aus den Verbündeten Ländern verbannen.«

Ein kleiner, aber scharfer Stich der Angst durchzuckte Lorkin. Also kann sie nicht zu meiner Rettung kommen, wenn ich in Schwierigkeiten gerate. Nun, dann sollte ich besser dafür sorgen, dass es keine Schwierigkeiten gibt. Oder ich sollte vielmehr darauf vorbereitet sein, mich auch wieder aus möglichen Schwierigkeiten zu befreien. Er setzte ein strahlendes Lächeln auf und wandte sich an Dannyl.

»Aber ich brauche keine Mutter. Falls etwas geschieht, weiß ich, dass Ihr mich retten werdet.«

Dannyl zog die Augenbrauen hoch. »Schön zu wissen, dass Ihr solches Zutrauen in mich habt.«

»Oh, nichts dergleichen«, erwiderte Lorkin grinsend. »Ich weiß nur, dass Ihr vor meiner Mutter größere Angst habt als vor den Sachakanern.«