Sie genießt ihre Arbeit viel zu sehr, dachte Cery. Hat es immer getan. Es war einer der Gründe, warum sie so aufregend war.
»Möglicherweise, aber dann würde ich die Sache lieber selbst erledigen.«
Terrina zog einen Schmollmund. »Typisch.« Dann lächelte sie und machte eine wegwerfende Handbewegung. »Aber ich kann es dir nicht übel nehmen, wenn es etwas Persönliches ist. Also, was musst du wissen?«
Cery holte tief Luft und wappnete sich gegen den Stich des Schmerzes, der mit seinen nächsten Worten einhergehen würde.
»Wer in mein Versteck eingedrungen ist und meine Frau und meine Söhne getötet hat«, sagte er leise, damit keiner der anderen Gäste es hörte. »Wenn du es nicht mit Bestimmtheit weißt, dann genügt mir auch Tratsch, den du aufgeschnappt hast.«
Sie blinzelte und starrte ihn an.
»Oh«, war alles, was sie sagte. Sie betrachtete ihn nachdenklich. Der Tratsch von Auftragsmördern ging nur selten über ihre eigenen Reihen hinaus. Alle akzeptierten, dass man ihn zu einem hohen Preis kaufen konnte, aber wenn das dazu führte, dass ein anderer Auftragsmörder ein Geschäft verlor oder getötet wurde, wurde der Verkäufer streng bestraft. »Du weißt, wie viel das kosten wird?«
»Natürlich… Es hängt allerdings davon ab, ob du die Information hast, die ich brauche.«
Sie nickte, ging in die Hocke, so dass sie mit ihm auf gleicher Augenhöhe war, und sah ihn ernst an. »Nur für dich, Cery. Wie lange ist es her?«
»Neun Tage.«
Sie runzelte die Stirn und schaute ins Leere. »Ich habe nichts Derartiges gehört. Die meisten Auftragsmörder hätten inzwischen davon geredet. Ein Einbruch in das Versteck eines Diebes ist beeindruckend. Er wird versucht haben, dich dort zu töten, weil es beweist, wie gerissen er ist. Erzähl mir, wie er es gemacht hat.«
Er beschrieb die unangetasteten Schlösser, die in einen Hinterhalt gelockten Wachen, ließ jedoch aus, was der Schlossmacher über Magie gesagt hatte.
»Ich nehme an, er würde den Mund halten, wenn man ihm genug bezahlt hat. Es würde einiges kosten. Der Kunde ist also reich oder hat lange gespart. Entweder das, oder er hat es selbst getan, oder es war jemand, der dir nahesteht und der den Weg hinein kannte – aber ich schätze, das hast du überprüft. Oder…« Sie sah ihn jäh an. »Oder es war der Jäger der Diebe.«
Cery runzelte die Stirn. »Doch warum sollte er warten, bis ich fort war, und dann meine Familie töten?«
»Vielleicht wusste er nicht, dass du ausgegangen warst. Vielleicht wusste er nicht, dass du eine Frau und Kinder hattest. Ich habe niemandem erzählt, dass du heiraten wolltest, obwohl das daran lag, dass ich es nicht geglaubt habe. Und wenn du sie gut genug versteckt hast…« Sie zuckte die Achseln. »Er ist reingegangen, sie haben ihn gesehen, er musste sie töten, weil sie ihn hätten erkennen können.«
»Wenn es nur eine Möglichkeit gäbe, wie ich mir sicher sein könnte.« Cery seufzte.
»Jeder Mörder hinterlässt seine Spuren. Bestimmte Zeichen. Hat seine eigenen Angewohnheiten und Fähigkeiten. Anhand dieser Dinge kannst du sie erkennen, wenn du genug Morde hast, die du vergleichen kannst.« Sie stand auf. »Ich würde dir Einzelheiten über den Jäger nennen können, nur dass wir sie für den Augenblick für uns behalten, für den Fall, dass einer von uns der Mörder ist.«
Cery nickte. Wenn Terrina sagte, dass sie keine weiteren Informationen preisgeben würde, konnte man sie ihr mit nichts entlocken. »Hast du irgendeine Ahnung, warum der Jäger uns einen nach dem anderen tötet?«
Sie schüttelte den Kopf. »Tut mir leid, ich war keine große Hilfe. Ich kann nichts anderes tun, als dir Angst vor jemandem zu machen, von dem du bereits weißt und von dem ich dir nichts Nützliches berichten kann.« Sie wandte den Blick ab und runzelte die Stirn. »Dafür kann ich dir wirklich nicht viel berechnen.«
Cery öffnete den Mund, um um das Honorar zu feilschen, das er ihr für die Mühe, sich mit ihm zu treffen, bezahlen würde, aber sie blickte plötzlich auf.
»Oh, eines kann ich dir durchaus erzählen, weil niemand es ernst nimmt.«
»Ja?«
»Die Leute glauben, der Jäger der Diebe benutze Magie.«
Eine Woge der Kälte schlug über Cery zusammen. Er starrte sie an. »Warum sagen sie das?«
»Ich dachte, die Leute glaubten nur deshalb, er müsse Magie benutzen, weil er so gut ist. Aber ich habe einmal in einem Bolhaus mit einem Wachsoldaten geplaudert, der für einen der ermordeten Diebe gearbeitet hatte, und er sagt, er habe einen Lichtstrahl gesehen und Dinge, die durch die Luft flogen. Natürlich meinen alle, es sei der Schlag auf den Kopf gewesen, der dazu geführt hat, dass er Dinge sah, aber… er war sich so sicher, und er ist ein Mann, der durchaus mit gesundem Menschenverstand gesegnet ist.«
»Wie interessant«, erwiderte Cery. Es könnte dennoch bloße Fantasie sein und die Wirkung von schon umlaufenden Gerüchten. Wenn ich nicht mit eigenen Augen die Beweise des Schlossmachers gesehen hätte, würde ich es nicht glauben. Aber zusätzlich zu den anderen Gerüchten über Magie, die dort auftauchte, wo sie nichts zu suchen hatte, begann er sich langsam zu fragen, wie viel Wahrheit darin steckte.
Wenn es wahr war, dann beschäftigt sich entweder ein Gildemagier mit Dingen, von denen er die Finger lassen sollte, oder es gab einen wilden Magier in der Stadt. So oder so, der Betreffende konnte mit der Ermordung seiner Familie durchaus zu tun haben.
Plötzlich musste er an Skellins offenkundigen Wunsch denken, seinen eigenen wilden Magier in Dienst zu nehmen. Wenn dieser Jäger ein wilder Magier ist, wird er keine Mühe haben, an Skellin heranzukommen. Hmm, sollte ich Skellin warnen? Aber gewiss hat er bereits von den Gerüchten über Magie gehört… Ah! Vielleicht ist das der Grund, warum er mich nach Magie gefragt hat. Er wusste, dass ich in der Vergangenheit Beziehungen zur Gilde hatte, und hat mich auf die Probe gestellt, um zu erfahren, ob ich diese Beziehungen immer noch habe. Was bedeuten würde, dass er den Verdacht hatte, ich hätte den Jäger in Dienst genommen.
Dann kam ihm eine andere Möglichkeit in den Sinn.
Ist ein Dieb zu dieser Schlussfolgerung gelangt und hat einen Auftragsmörder ausgeschickt, der mich töten sollte, ohne zu ahnen, dass er ebenden magiebegabten Mörder anheuerte, vor dem alle solche Angst haben? Er runzelte die Stirn. Zumindest weiß ich, dass es nicht Skellin gewesen sein kann, da er mich wohl kaum in sein Haus eingeladen und einen Auftragsmörder losgeschickt hätte, der mich gleichzeitig in meinem eigenen Haus töten sollte.
Er schüttelte den Kopf. Die Möglichkeiten schienen endlos. Aber hier war abermals Magie erwähnt worden. Sie war benutzt worden, um das Schloss seines Verstecks zu öffnen, und man glaubte, dass der Jäger Magie benutzte. Zufall? Vielleicht. Aber es war der einzige Hinweis, den er hatte, also konnte er ihm geradeso gut nachgehen.
Wann immer Sonea die Amtsstube des Administrators betrat, stiegen Erinnerungen in ihr auf. Obwohl Osen die Möbel anders aufgestellt hatte und den Raum stets mit einer Lichtkugel erhellte, konnte sie sich noch immer daran erinnern, wie es hier ausgesehen hatte, als Lorlen noch lebte. Und sie fragte sich stets, ob Osen wusste, dass es hinter der Vertäfelung einen Eingang zu den geheimen Gängen der Universität gab.
Lorlen wusste es nicht, daher bezweifle ich, dass Osen es weiß.
»Erzählt mir, wie es gekommen ist, dass man Euch im Namenlosen angetroffen hat?«, fragte Osen die beiden jungen Magier, die links von seinem Schreibpult standen.
Alle drehten sich um, um Reater und Sherran anzusehen. Sonea war entsetzt über die Entdeckung gewesen, dass die beiden Magier, die man in dem Haus gefunden hatte, Lorkins Freunde waren. Die beiden sahen zuerst einander an, dann blickten sie zu Boden.
»Man hat uns einen Zettel gegeben«, antwortete Reater. »Darauf wurde der Weg zu dem besten neuen Spielhaus in der Stadt beschrieben. Für die ersten fünfzig Kunden sollte es verschiedene Dinge kostenlos geben.«