Da er auch die Straße der Diebe nicht mehr benutzte, um lange Strecken zu überwinden, ging Cery tagsüber wie die meisten Bürger durch die Straßen von Imardin. Das war immer noch das Sicherste – trotz der Gefahr, die durch Räuber oder Banden drohte. Erstere schreckte der massige Gol ab, während Cerys Ansehen ihn noch immer vor Letzteren schützte.
Ich sollte mich wahrscheinlich nicht zu sehr darauf verlassen. Oder darauf, dass der arme Gol mögliche Angreifer einschüchtert. Eines Tages wird das eine oder andere nicht mehr reichen, um Angreifer abzuschrecken, und wir werden in Schwierigkeiten geraten. Aber wenn ich nicht auf Schritt und Tritt von einer Truppe von Wachsoldaten umringt sein will, ist das ein Risiko, das ich eingehen muss.
Nachdem er einen der neuen, in die alte Mauer eingelassenen Bögen passiert hatte, machte Cery sich auf den Weg in seinen eigenen Teil der ehemaligen Hüttenviertel. Gol ging neben ihm her.
»Was hältst du von Thims Geschichte, Gol?«
Der große Mann runzelte die Stirn. »Wir haben nichts Neues erfahren. Niemand hat irgendwelche Informationen, aber dafür gibt es jede Menge von den gleichen alten Gerüchten.«
»Ja. Doch zumindest lauten sie gleich. Alle denken, dass es sich um ein und dieselbe Person handelt. Alle haben die gleichen Ideen, was die Fähigkeiten dieser Person betrifft.«
»Aber jeder hat einen anderen Grund, auf diese Ideen zu kommen«, bemerkte Gol.
»Ja. Dinge bewegen sich durch die Luft, die dazu kein Recht haben. Seltsame Brandspuren. Schattenhafte Gestalten, die man nicht erdolchen kann. Blitzende Lichter. Unsichtbare Mauern. Was glaubst du, Gol?«
»Dass es immer besser ist, übervorsichtig zu sein als tot.«
Erheiterung blitzte in Cery auf. Er blieb stehen und drehte sich zu Gol um. »Also benehmen wir uns so, als sei der Jäger der Diebe real, als benutze er Magie und habe bereits einen Anschlag auf mich verübt.«
Gol zog die Brauen zusammen und blickte sich um, um festzustellen, ob jemand Cery gehört hatte. »Du hast gehört, was ich darüber gesagt habe, dass wir übervorsichtig sein sollten?«, fragte er mit einem Anflug von Ärger in der Stimme.
»Ja.« Cery seufzte. »Aber welchen Unterschied macht es, ob jemand uns hört? Wenn mein Feind ein Magier ist, ist mein Schicksal besiegelt.«
Die Falte zwischen Gols Brauen wurde noch tiefer. »Was ist mit der Gilde? Sie würden es wissen wollen, wenn… sie würden dies hier wissen wollen. Du könntest es… deiner alten Freundin erzählen.«
»Könnte ich. Aber solange ich nichts Greifbares habe, was ich ihr erzählen kann, wird sie nicht in der Lage sein, etwas zu unternehmen. Wir müssen uns Gewissheit verschaffen.«
»Dann müssen wir eine Falle stellen.«
Cery sah Gol überrascht an, dann schüttelte er den Kopf. »Und was denkst du, wie wir diese Art von Gefangenen darin festhalten sollen?«
»Keine Falle, um ihn zu fangen.« Gol zuckte die Achseln. »Nur um zu bestätigen, dass er ein Magier ist. Indem wir ihn irgendwo hinlocken und dazu verleiten zu benutzen, was er benutzen kann, während wir ihn beobachten. Das Beste wäre, wenn er gar nicht begriffe, dass es sich um eine Falle handelt.«
Cery setzte sich wieder in Bewegung und dachte über die Idee nach. Sie war nicht schlecht. »Ja. Wir sollten ihn nicht wütend machen… Und wenn er nicht begreift, dass er beim ersten Mal in eine Falle getappt ist, könnten wir ihn abermals in die Falle locken – während meine Freundin zugegen ist, um es zu beobachten.«
»Jetzt begreifst du langsam«, sagte Gol mit einem übertriebenen Seufzer. »Manchmal dauert es bei dir so lange, bis du verstehst…«
»Natürlich müsste ich der Köder sein«, sagte Cery.
Gols neckender Ton verschwand. »Nein, wirst du nicht. Nun, du brauchst nicht wirklich der Köder zu sein. Es wird das Gerücht die Runde machen, dass du dort sein wirst.«
»Es wird ein ziemlich überzeugendes Gerücht sein müssen«, erwiderte Cery.
»Wir werden uns etwas einfallen lassen.«
Schweigend setzten sie ihren Weg fort. Cery plante im Geiste bereits Einzelheiten. Also, wohin können wir den Jäger locken? Es wird ein Ort sein müssen, an dem man erwartet, mich zu sehen. Terrina sagte, er habe sich das Versteck vorgenommen, weil es als besonderes Kunststück gelte, mich an meinem sichersten Ort zu töten. Also muss ich mich in einem neuen Versteck niederlassen und dafür sorgen, dass einige Leute es ausplaudern und erzählen, um wie viel sicherer es sei als mein altes Versteck. Es wird einige gute Gucklöcher haben müssen und den einen oder anderen Fluchtweg. Und es muss den Jäger dazu bringen, seine Kräfte auf eine augenfällige Weise einzusetzen.
Zum ersten Mal seit Wochen durchdrang ein Kitzel der Erregung die Oberfläche der Düsternis, die ihn eingehüllt hatte. Selbst wenn die Falle ihm zunächst keine Rache für den Tod seiner Familie verschaffen sollte, würden ihn die Planung und der Aufbau der Falle davon abhalten, über ihren Tod nachzugrübeln.
Die steile, gewundene Bergstraße, die zum Pass führte, erinnerte Dannyl an jene Straßen, die er und Tayend vor so vielen Jahren in Armje bereist hatten. Was wenig überraschend war, da die Hänge hier zu dem gleichen Gebirgszug gehörten, der Sachaka von den Verbündeten Ländern trennte. Auch hier wurde der Wald am Rand der Berge dünner und machte verkümmerten Pflanzen und felsigen Hängen Platz.
Die Kutsche fuhr langsam, während die Pferde sie stetig hügelaufwärts zogen. In Lorkins Augen lag ein inzwischen vertrauter Ausdruck der Langeweile, während er mit düsterer, resignierter Miene aus dem Fenster starrte. Sie waren beide bereits über das Stadium hinaus, in dem sie noch hätten Gespräche führen mögen, obwohl es noch nicht einmal Mittag war, und das Schweigen machte das Kriechtempo nur noch unerträglicher.
Dann umrundete die Kutsche ohne Vorwarnung abrupt eine Biegung und nahm Geschwindigkeit auf, während die Straße ebener wurde. Sie fuhren jetzt zwischen zwei glatten Felswänden hindurch. Lorkin richtete sich auf, entriegelte das Fenster an seiner Seite und spähte hinaus.
»Wir sind da«, sagte er.
Ein Prickeln der Erregung breitete sich auf Dannyls Haut aus. Er lächelte erleichtert, und Lorkin grinste. In angespannter Erwartung saßen sie da, alle Aufmerksamkeit auf die Bewegungen der Kutsche konzentriert, die vorbeiziehenden Wände und das Geräusch der Hufschläge, bis der Fuhrmann einen Ruf ausstieß und das Gefährt langsam zum Stehen kam.
An dem Fenster neben Lorkin erschien ein Gesicht – ein Mann in roten Roben blickte zwischen Lorkin und Dannyl hin und her und nickte höflich.
»Willkommen im Fort, Botschafter Dannyl und Lord Lorkin. Ich bin Wächter Orton. Werdet Ihr über Nacht hierbleiben oder die Reise nach Sachaka fortsetzen?«
»Bedauerlicherweise können wir nicht verweilen, da Administrator Osen erpicht ist, uns so schnell wie möglich in Sachaka niedergelassen zu sehen«, antwortete Dannyl.
Der Mann lächelte mitfühlend. »Dann lade ich Euch ein, Euch die Beine zu vertreten und Euch umzusehen, während wir Eure Pferde gegen frische austauschen.«
»Ein Angebot, das wir mit Freuden annehmen.«
Lorkin entriegelte die Tür und folgte Dannyl dann aus der Kutsche. Sobald der junge Mann einen Fuß auf den Boden gesetzt hatte, blickte er auf und sog scharf die Luft ein.
»Ah ja. Es ist ein beeindruckendes Gebäude«, bemerkte Orton, der Lorkins Blick gefolgt war.
Dannyl schaute ebenfalls hoch, und ein Schauer überlief ihn. Die Front des Forts ragte über ihm auf und spannte sich von einer Seite der schmalen Schlucht zur anderen. Der Stein war glatt und makellos bis auf die Stellen, an denen die Schatten gewaltige, mit weiterem Stein gefüllte Risse in der Fassade zeigten, wo Reparaturen vorgenommen worden waren.
»Sind das Schäden, die bei der Ichani-Invasion entstanden sind?«, erkundigte sich Lorkin.