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Dannyl, der über das verwüstete Land blickte, musste ihm recht geben. »Nach allem, was man hört, waren die Sachakaner furchtbar wütend über die Zerstörung. Wenn sie gewusst hätten, wie sie zurückschlagen können, wäre das gewiss geschehen. Ich glaube nicht, dass sie mehr wissen als wir.«

Lorkin nickte. »Es ist wahrscheinlich besser so.« Dann runzelte er die Stirn und sah Dannyl an. »Aber wenn wir doch etwas finden…«

»Dann werden wir es geheim halten müssen. Zumindest bis wir die Information an den Hohen Lord Balkan weiterleiten können. Es wäre noch gefährlicher als die Kenntnis der schwarzen Magie.«

9

Auf der Suche nach Wahrheiten

Wie viele niedrig geborene Novizen aus den ärmeren Teilen der Stadt war Norrin von kleinem Wuchs. Und zwischen den beiden Kriegern, die ihn in die Gildehalle eskortierten, wirkte er noch kleiner. Soneas Herz zog sich vor Mitgefühl zusammen, als er zu den Reihen der Magier emporblickte, die von beiden Seiten auf ihn herabstarrten. Er wurde weiß im Gesicht, dann blickte er zu Boden.

Es ist grausam, ihn vor die ganze Gilde zu zerren, dachte sie. Eine Anhörung vor den Höheren Magiern wäre einschüchternd und demütigend genug gewesen. Aber irgendjemand wollte an ihm ein Exempel statuieren.

Nach den Regeln der Gilde wurde jeder Novize, der nicht am Unterricht in der Universität teilnahm oder sich weigerte, auf dem Gelände der Gilde zu leben, als potenzieller wilder Magier betrachtet und musste vor die versammelte Gilde gebracht werden, um sein Verhalten zu erklären, selbst wenn nur die Höheren Magier seine Taten beurteilten und über eine Strafe entschieden.

Wenn er nicht unmittelbar vor einer Vollversammlung der Gilde erwischt worden wäre, wäre ihm dies vielleicht erspart geblieben. Aber es ist viel leichter, eine Anhörung am Ende einer Versammlung anzuberaumen, als eigens dafür eine Versammlung einzuberufen. Wenn Osen nur für diese Anhörung die ganze Gilde hätte zusammenrufen müssen, hätte er die Regeln wahrscheinlich gebeugt und es bei den Höheren Magiern belassen.

Die Eskorte und Norrin blieben stehen und verneigten sich vor den Höheren Magiern. Administrator Osen schaute zu den Höheren Magiern hinüber – zu Sonea. Für einen Moment trafen sich ihre Blicke, dann sah er weg.

Andere hatten diesen Blickwechsel bemerkt, und der Hohe Lord Balkan, Lady Vinara und Direktor Jerrik musterten Sonea neugierig. Sie widerstand dem Drang, die Achseln zu zucken, um anzudeuten, dass sie keine Ahnung hatte, warum Osen diesen Moment ausgewählt hatte, um sie anzusehen. Stattdessen ignorierte sie die fragenden Blicke und richtete ihre Aufmerksamkeit auf den Novizen.

Der Administrator näherte sich Norrin, der die Schultern sinken ließ, aber nicht aufsah.

»Novize Norrin«, begann Osen. »Ihr seid der Universität und dem Gelände der Gilde zwei Monate lang ferngeblieben. Ihr habt Bitten um Eure Rückkehr ignoriert und uns gezwungen, Euch in Gewahrsam zu nehmen. Ihr kennt das Gesetz, dass die Freizügigkeit eines Novizen einschränkt und festlegt, wo er wohnen darf. Warum habt Ihr es gebrochen?«

Norrins Schultern hoben und senkten sich, als er tief Luft holte und den Atem wieder ausstieß. Er straffte sich und schaute zu dem Administrator auf.

»Ich will kein Magier werden«, sagte er. »Ich würde es wollen, wenn ich mir nicht noch mehr wünschte, mich um meine Familie kümmern zu können.« Er brach ab und senkte den Blick wieder. Sonea konnte Osens Gesicht nicht sehen, aber seine Haltung verriet nichts als geduldiges Abwarten.

»Eure Familie?«, hakte er nach.

Norrin blickte sich um, dann errötete er. »Meine jüngeren Geschwister. Mutter kann sich nicht um sie kümmern. Sie ist krank.«

»Und niemand sonst kann diese Verantwortung übernehmen?«, fragte Osen.

»Nein. Meine Schwester – nach mir die Älteste – ist im vergangenen Jahr gestorben. Die Übrigen sind zu jung. Ich habe nicht ein einziges Mal Magie benutzt«, fügte er hastig hinzu. »Ich weiß, dass mir das nicht gestattet ist, wenn ich kein Magier werde.«

»Wenn Ihr nicht den Wunsch habt, Magier zu werden – wenn Ihr den Wunsch habt, die Gilde zu verlassen –, müssen Eure Kräfte blockiert werden«, erklärte ihm Osen.

Der Novize blinzelte, dann schaute er mit solcher Hoffnung zum Administrator auf, dass es Sonea einen Stich versetzte. »Das könnt Ihr tun?«, fragte Norrin mit kaum hörbarer Stimme. »Dann kann ich mich um meine Familie kümmern, und es wird niemanden stören?« Er runzelte die Stirn. »Es kostet doch nicht viel, oder?«

Osen sagte nichts, dann schüttelte er den Kopf. »Es kostet gar nichts außer verlorene Möglichkeiten für Euch selbst. Könnt Ihr nicht noch einige Jahre warten? Wäre es für Eure Familie nicht besser, wenn Ihr ein Magier wärt?«

Norrins Gesicht verdüsterte sich. »Nein. Ich darf sie nicht besuchen. Ich darf ihnen kein Geld geben. Ich kann die… Krankheit meiner Mutter nicht heilen. Und die anderen sind zu jung, um sich selbst überlassen zu bleiben.«

Osen wandte sich den Höheren Magiern zu. »Ich schlage vor, dass wir darüber diskutieren.«

Sonea nickte zustimmend, ebenso wie die anderen. Der Administrator bedeutete der Eskorte, den Jungen aus der Halle zu führen. Sobald die Türen sich schlossen, stieß Lady Vinara einen lauten Seufzer aus und wandte sich den übrigen Magiern zu.

»Die Mutter des Jungen ist eine Hure. Sie ist nicht krank, sie ist süchtig nach Feuel.«

»Das ist wahr«, bekräftigte Universitätsdirektor Jerrik. »Aber er hat die Gewohnheiten seiner Mutter nicht übernommen. Er ist ein vernünftiger junger Mann, fleißig und wohlerzogen und mit starken Kräften. Es wäre ein Jammer, ihn zu verlieren.«

»Er ist zu jung, um zu wissen, was er aufgibt«, fügte Lord Garrel hinzu. »Er wird es bedauern, dass er die Magie um seiner Familie willen geopfert hat.«

»Aber er würde es noch mehr bedauern, wenn er seine Familie um der Magie willen opferte«, konnte Sonea nicht umhin zu bemerken.

Etliche der Anwesenden wandten sich zu ihr um. Sie hatte es sich während der vergangenen zwanzig Jahre nicht zur Gewohnheit gemacht, an den Debatten der Höheren Magier teilzunehmen. Zuerst hatte sie es nicht getan, weil sie sich zu jung fühlte und zu unerfahren in Bezug auf die Politik der Gilde, später weil ihre Position unter ihnen ihr nicht aus Respekt zugebilligt worden war, sondern weil man widerstrebend ihre Kräfte und ihre Mitwirkung bei der Verteidigung des Landes anerkannte.

Doch wann immer ich spreche, scheine ich erheblich mehr Aufmerksamkeit zu erregen, als die Angelegenheit es rechtfertigt.

»Ihr habt viel mit Norrin gemeinsam«, begann Osen. »Auch Ihr wolltet der Gilde nicht beitreten – wenn auch nicht aus familiären Gründen«, fügte er hinzu. »Was würdet Ihr vorschlagen, das wir tun sollen, um ihn zum Bleiben zu überreden?«

Sonea widerstand dem Drang, die Augen zu verdrehen. »Er will seine Familie besuchen und ihr helfen. Gewährt ihm das, und ich bin davon überzeugt, dass er überglücklich wäre, bei uns zu bleiben.«

Die Höheren Magier tauschten Blicke. Sonea sah Rothen an. Er verzog das Gesicht und übermittelte ihr mit diesem einen Blick, wie unwahrscheinlich es war, dass die Höheren Magier dem zustimmen würden.

»Aber das würde dazu führen, dass Geld der Gilde an eine Hure ginge und zweifellos für die Befriedigung ihrer Sucht verbraucht werden würde«, stellte Garrel fest.

»Es fließt erheblich mehr Geld der Gilde jede Nacht in die Bezahlung von Huren, als notwendig wäre, um Norrins Familie übers Jahr zu ernähren und mit einem Dach überm Kopf zu versorgen«, erwiderte Sonea, dann zuckte sie angesichts der Schärfe ihres Tonfalls zusammen.

Die Magier zögerten abermals. Und auch das scheint immer zu geschehen, wenn ich es wage zu sprechen, überlegte sie. Lady Vinara hatte sich, wie sie bemerkte, eine Hand vor den Mund gelegt.