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Ich nehme an, die Botschaft ist darin verborgen, wenn auch nur sehr unterschwellig, dachte Sonea. Und jetzt wollen wir sehen, ob Regin seine Seite unserer Übereinkunft einhält.

Als Lord Pendel sich vor dem Publikum verneigte und beiseitetrat, kehrte Administrator Osen nach vorn zurück.

»Ich rufe jetzt Lord Regin als Sprecher für die Gegner der Abschaffung der Regel auf.«

Regin ging nach vorn. Wenn er von Pendels Bemühung, einen Kompromiss vorzuschlagen, enttäuscht war, so ließ er es sich nicht anmerken. Er wandte sich der Halle zu und begann zu sprechen.

Angesichts dessen, was sie über die Korruption unter den Novizen höherer Klassen wusste, konnte Sonea nicht umhin zu bewundern, wie Regin es fertigbrachte, nichts auszusprechen, was direkt darauf hinwies, wer die Schuldigen und die Opfer waren. Dennoch schreckte er nicht vor der Behauptung zurück, dass es eine derartige Korruption tatsächlich gebe, und Sonea hörte nur einige wenige Protestbekundungen von den in der Halle anwesenden Magiern.

Ich wünschte, ich hätte ihm Beweise für die dauerhaften Wirkungen von Feuel auf Magier liefern können. Es hätte uns vielleicht geholfen, Magier davon zu überzeugen, dass die Regel nicht abgeschafft, sondern verändert werden sollte.

Als Regin zum Ende seiner Ansprache kam, setzte Soneas Herz einen Schlag aus. Er hatte keinen Kompromiss vorgeschlagen. Aber als er seine Argumente zusammenfasste, begriff sie, dass in seinen Worten der Anflug eines Eingeständnisses lag, dass die bestehende Regel unwirksam war. Eine subtile Veränderung seiner Position, aber auch nicht stärker oder schwächer als die von Pendel.

Hatte er das vorhergesehen, oder hatte er seine Taktik in Reaktion auf Pendels Ansprache geändert? Oder hatte er für den Fall verschiedener Möglichkeiten unterschiedliche Vorgehensweisen geplant? Sie schüttelte den Kopf. Ich hin nur froh, dass ich nicht dort unten stehe und an seiner Stelle spreche.

»Ich gebe jetzt zehn Minuten Zeit für Diskussionen«, sagte Osen. Der Gong erklang ein zweites Mal, und sofort füllte sich die Halle mit Stimmen. Sonea drehte sich um, um den Höheren Magiern zuzuhören.

Zuerst sagte niemand etwas. Alle wirkten zögerlich und unentschlossen. Dann seufzte der Hohe Lord Balkan.

»Beide Seiten haben etwas für sich«, erklärte er. »Bevorzugt einer von euch die eine oder andere?«

»Ich bin dafür, die Regel beizubehalten«, erwiderte Lady Vinara. »Dies sind schlechte Zeiten, um die Kontrolle über Magier zu lockern. Die Stadt ist verderbter denn je, und jetzt, da wir nicht länger alle ähnliche Stärken und Schwächen haben, ist es noch komplizierter geworden, uns dagegen zu wehren.«

Sonea verkniff sich ein Lächeln. »Stärken und Schwächen«. Eine kluge Art, darauf hinzuweisen, dass wir aus unterschiedlichen Verhältnissen kommen, ohne das eine besser als das andere klingen zu lassen.

»Aber es ist klar, dass die Regel ungerecht ist, und wir riskieren in der Tat schlimmstenfalls eine Rebellion oder bestenfalls den Verlust dringend benötigter Talente«, wandte Lord Peakin ein.

»Mangelhaft ist nur die Anwendung der Regel«, entgegnete Vinara.

»Ich glaube nicht, dass die ProIiis ein Versprechen, in Zukunft gerechter zu sein, akzeptieren werden«, bemerkte Lord Erayk. »Sie werden eine echte Veränderung wollen.«

»Veränderung klingt für mich nach der richtigen Lösung«, sagte Lord Peakin. »Eine Veränderung der Regel. Was ist schließlich eine ›Person von unzuträglicher Art‹?« Er zog die Augenbrauen hoch und sah sich um. »Ich würde zum Beispiel jemanden, der schlecht riecht, für unzuträglich befinden. Das ist jedoch kaum eine Rechtfertigung, um einen Magier zu bestrafen.«

Gekicher wurde laut.

»Schwarzmagierin Sonea.«

Soneas Schultern sanken ein wenig herab, als sie Kallens Stimme erkannte. Sie blickte an dem Hohen Lord Balkan vorbei zu dem Mann hinüber.

»Ja, Schwarzmagier Kallen?«, erwiderte sie.

»Ihr habt Euch mit Vertretern beider Seiten getroffen. Zu welchem Schluss seid Ihr gekommen?«

Die anderen sahen sie jetzt erwartungsvoll an. Sie hielt inne, um über ihre Antwort nachzudenken.

»Ich bin dafür, die Regel zu verändern. Die Entfernung des Ausdrucks ›Personen von unzuträglicher Art‹ lockert nicht nur die Einschränkungen und kann helfen, Vorurteile gegenüber Novizen und Magiern aus ärmeren Schichten abzubauen, es stärkt auch die Betonung von ›Kriminellen‹ als jenen, zu denen Mitglieder der Gilde keinen Kontakt haben sollten.«

Zu ihrer Bestürzung wirkte keiner der Höheren Magier überrascht. Nicht einmal Rothen. Sie haben offenkundig erwartet, dass ich diese Position einnehmen würde. Ich hoffe, das liegt daran, dass es gerechter ist, nicht daran, dass ich in den alten Hüttenvierteln aufgewachsen bin.

»Selbst mit dieser Veränderung liegt die Schwäche der Regel in der Unklarheit der Frage, was ein Krimineller ist oder ob ein bestimmtes Tun als Verbrechen gilt«, sagte Lord Erayk.

»Der König wird es vielleicht nicht gern hören, wenn Ihr seine Gesetze als ›unklar‹ bezeichnet«, meldete sich Lord Peakin zu Wort.

»Ich stimme zu, dass gewisse Taten definiert werden müssen«, sagte Lady Vinara. »Beim heutigen Stand der Gesetze ist es schwierig für uns zu verhindern, dass Verbrecher Magier ausnutzen, wenn diese sich in ihren Lusthäusern aufhalten – indem sie sie dazu verleiten, Spielschulden zu machen, ihren Geist mit Alkohol verwirren, sie mit kostenlosen Huren belohnen oder sie mit Feuel vergiften. Wenn es nach mir ginge, wäre der Verkauf von Feuel ein Verbrechen.«

»Warum Feuel?«, hakte Lord Telano nach. »Es unterscheidet sich nur geringfügig von Alkohol, und ich bin davon überzeugt, dass keiner von uns es gern sähe, wenn Wein für illegal erklärt würde.« Er blickte in die Runde, lächelte und bekam von vielen der Anwesenden zur Antwort ein Nicken.

»Feuel verursacht weit mehr Schaden«, entgegnete Vinara. »Wie das?«

Sie öffnete den Mund, schüttelte dann jedoch den Kopf, als der Gong abermals erklang. »Kommt in die Heilerquartiere – oder in die Hospitäler von Schwarzmagierin Sonea –, und ihr werdet die Wahrheit sehen.«

Soneas Herz setzte einen Schlag aus. Hatte Vinara die Wirkungen von Feuel untersucht, seit Sonea ihr davon erzählt hatte? Sie sah Vinara an, aber die Aufmerksamkeit der Frau galt jetzt Telano. Er hatte sich abgewandt, und Vinara beobachtete ihn mit einem besorgten Stirnrunzeln.

Auch Lord Telano machte ein finsteres Gesicht, wie Sonea auffiel. Ich frage mich, warum Vinaras Position ihn so sehr stört. Und als Heiler hat er gewiss gesehen, welche Wirkung Feuel auf seine Opfer hat – selbst wenn ihm nicht klar ist, dass die Schäden dauerhaft sein könnten. Ich muss mir unser Oberhaupt der Heilenden Studien und seine Familie einmal genauer ansehen. Außerdem sollte ich noch einmal mit Lady Vinara sprechen.

Administrator Osen verkündete das Ende der Diskussionszeit, und alle kehrten auf ihre Plätze zurück. »Wünscht irgendjemand noch etwas zu diesem Thema zu sagen, das bisher noch nicht angesprochen wurde?«, fragte er.

Einige Magier hoben die Hand. Sie wurden nach unten gerufen. Der erste schlug vor, dass Magier denselben Gesetzen unterworfen werden sollten wie gewöhnliche Kyralier und dass es überhaupt keine Gilderegeln geben solle. Seine Idee traf allenthalben auf ein Gemurr der Missbilligung. Ein zweiter Magier erklärte, dass die Regel verändert werden sollte, aber sein Vorschlag sah vor, dass die Regel Magiern jedwede Beteiligung an kriminellen Aktivitäten oder einen Profit durch solche verbieten sollte. Daraufhin ging ein nachdenkliches Raunen durch die Reihen der anwesenden Magier. Der letzte Sprecher sagte nur, dass die Entscheidung beim König liegen sollte.

»Der König weiß und hat akzeptiert, dass die Regeln der Gilde im Gegensatz zu den Gesetzen von der Gilde gemacht werden«, versicherte Osen ihnen allen. Dann wandte er sich nach vorn. »Möchte einer der Höheren Magier noch etwas hinzufügen?«