»Entweder ist sie der Jäger, oder sie arbeitet für den Jäger, oder es gibt da draußen zwei wilde Magier. Sobald du sie gefangen hast, kannst du ihre Gedanken lesen und es herausfinden.«
»Hast du den Verkäufer anschließend befragt?«
Er schüttelte den Kopf. »Wir brauchen ihn und seinen Laden für eine weitere Falle.« Er grinste. »Nur dass du beim nächsten Mal bei mir sein wirst, und wir werden uns einen wilden Magier fangen.«
Sonea runzelte die Stirn. »Ich wünschte, das wäre möglich, aber heutzutage steht es mir nicht frei, in der Stadt herumzulaufen, Cery.«
Seine Schultern sackten in beinahe kindlicher Enttäuschung herab. Er wirkte nachdenklich. »Vielleicht wenn ich sie irgendwie hierherlocken könnte.«
»Ich bezweifle, dass sie sich freiwillig in die Nähe von Magiern begeben wird, und die Hospitäler sind immer voll von ihnen.«
»Es sei denn, du veranlasst, dass an einem Abend alle fortgehen, und wir setzen ein Gerücht in Umlauf, dass hier Bücher über Heilkunst herumliegen.«
»Ich würde den anderen Heilern meine Gründe nennen müssen, und wenn ich das tue, kann ich geradeso gut der Gilde von der wilden Magierin erzählen und es ihr überlassen, sie zu finden.«
»Kannst du dir keinen anderen Grund ausdenken?«
Sonea seufzte. Sie bezweifelte, dass es Cery kümmerte, ob man es ihm als Verdienst anrechnen würde, eine wilde Magierin entdeckt und der Gilde geholfen zu haben, sie zu fangen. Er wollte nur Rache – und zweifellos wollte er verhindern, dass er selbst zum nächsten Opfer des Jägers der Diebe wurde.
Ich würde ihm gern helfen. Aber wenn die Gilde von mir erwartet, dass ich die Neuigkeit über die wilde Magierin an sie weiterleite, und wenn ich das nicht tue, wird es ein Grund mehr sein, mir zu misstrauen.
Ihre makellose Vertrauenswürdigkeit seit der Ichani-Invasion würde durch die Lüge besudelt werden, und die Leute waren bereits so empfindlich, was ihre Vergangenheit und ihre Kenntnis schwarzer Magie betraf. Sie würden ihr die Freiheit nehmen, die Hospitäler zu leiten. Sie würden sie zwingen, das Gelände der Gilde nicht mehr zu verlassen.
Ich bin besser beraten, die Information an die Höheren Magier weiterzuleiten und es ihnen zu überlassen, darauf zu reagieren. Es spielt keine Rolle, ob ich diejenige bin, die die wilde Magierin findet, oder jemand anderer. Es zählt nur, dass sie gefunden wird. So oder so, Cery wird sowohl seine Rache haben als auch ein gewisses Maß an Sicherheit.
»Weißt du, wo die Frau jetzt ist?«, fragte sie.
Cery schüttelte den Kopf. »Aber ich weiß jetzt, wie sie aussieht, und ihre Erscheinung ist so auffällig, dass ich andere beauftragen kann, ebenfalls nach ihr Ausschau zu halten.«
»Lass nicht zu, dass irgendjemand sie anspricht«, warnte sie. »Sie hat offensichtlich die Kontrolle über ihre Kräfte, und sie ist alt genug, um sie mit einiger Geschicklichkeit benutzen zu können.«
»Oh, sie ist ganz anders, als du warst«, pflichtete Cery ihr grinsend bei. »Du magst vor all jenen Jahren vielleicht den Wunsch gehabt haben, den einen oder anderen Dieb zu töten, aber du bist nie so weit gegangen, sie zu jagen und… oder…« Er wandte den Blick ab, und seine Miene war plötzlich grimmig.
… oder ihre Familien zu töten, beendete sie seinen Satz im Stillen, und abermals verspürte sie Mitgefühl. »Ich muss darüber nachdenken, aber ich werde wahrscheinlich die Gilde informieren und es ihr überlassen müssen, nach der wilden Magierin zu suchen.«
»Nein!«, protestierte er. »Sie werden es einfach verpfuschen, wie sie es bei dir gemacht haben.«
»Oder sie werden sich das, was sie aus jener Erfahrung gelernt haben, zu Herzen nehmen und diesen Fall anders angehen.«
Er runzelte finster die Stirn. »Ganz anders, hoffe ich.«
»Bist du bereit, mit ihnen zusammenzuarbeiten?«, fragte sie, suchte seinen Blick und hielt ihm stand.
Er verzog das Gesicht, dann seufzte er. »Vielleicht. Ja. Ich schätze, ich muss es tun. Ich habe keine große Wahl, oder?«
»Eigentlich nicht. Sag mir, wie sie sich mit dir in Verbindung setzen können.«
Cery seufzte. »Könntest du… darüber schlafen, bevor du es irgendjemandem erzählst?«
Sie lächelte. »In Ordnung. Ich werde mich vor der heutigen Nachtschicht entscheiden. Du wirst entweder von mir hören, oder die Gilde wird an deine Tür klopfen.«
Die Augen des Küchensklaven waren rund geworden, sobald er den Raum betreten und die Leiche entdeckt hatte, und während Dannyls gesamtem Verhör waren sie so groß geblieben. Doch er hatte gelassen und ohne Zögern geantwortet.
»Wann hast du Tyvara zum letzten Mal gesehen?«, fragte Dannyl.
»Gestern Abend. Ich bin im Flur an ihr vorbeigegangen. Sie war auf dem Weg zu diesen Räumen.« »Hat sie etwas gesagt?« »Nein.«
»Wirkte sie irgendwie anders als sonst? Vielleicht nervös?«
»Nein.« Der Sklave hielt inne. »Sie wirkte wütend, denke ich. Es war dunkel.«
Dannyl nickte und registrierte die kleine Einzelheit. Er hatte inzwischen eine recht ansehnliche Liste von Details, aber andererseits befragte er nun schon seit einigen Stunden die Sklaven.
»Du sagtest, sie und Riva hätten einander gekannt. Hast du sie jemals streiten sehen? Ist dir etwas Merkwürdiges zwischen den beiden Frauen aufgefallen?«
»Sie haben sich gestritten, ja. Tyvara hat Riva oft gesagt, was sie tun solle. Riva hat das nicht gefallen. Tyvara hatte kein Recht dazu. Aber«, der Mann zuckte die Achseln, »es kommt vor.«
»Dass einige Sklaven andere herumkommandieren?« Der Mann nickte. »Ja.«
»Hast du sie gestern irgendwann streiten sehen oder hören?«
Der Mann öffnete den Mund zu einer Antwort, hielt jedoch inne, als es leise an der Tür klopfte. Dannyl blickte auf. Der Sklave, der stets die Tür des Gildehauses öffnete, stand nervös im Eingang. Im nächsten Moment warf der Mann sich auf den Boden.
»Du darfst dich erheben. Was hast du mir zu sagen?«, fragte Dannyl.
»Ashaki Achati ist soeben eingetroffen.« Der Sklave rang die Hände, wie er es seit Dannyls Rückkehr ins Gildehaus jedes Mal getan hatte, wenn Dannyl ihn sah.
Dannyl wandte sich an den Küchensklaven, den er gerade befragt hatte. »Du darfst gehen.«
Beide Sklaven huschten davon, während Dannyl sich erhob und sein Notizbuch ins Gewand steckte. Er sah sich in Lorkins Räumen um, dann verließ er sie und machte sich auf den Weg in den Hauptraum. Er kam gerade rechtzeitig, um Achati zu begrüßen.
»Willkommen, Ashaki Achati«, sagte er.
»Botschafter Dannyl«, erwiderte Achati. »Ich fürchte, Euer Sklave hat einige Zeit gebraucht, um mich aufzuspüren. Was ist passiert? Er wollte mir nicht mehr erzählen, als dass es dringend sei.«
Dannyl bedeutete Achati, ihm zu folgen. »Kommt mit, und ich werde es Euch zeigen.«
Der Sachakaner folgte Dannyl durch das Gildehaus, und zu Dannyls Erleichterung schwieg er. Die späte Stunde und das langwierige Verhör der Sklaven forderten ihren Tribut. Aber es ist noch viel zu tun. Ich werde noch eine Weile auf Schlaf verzichten müssen. Er zog ein wenig Magie in sich hinein und benutzte sie, um die Müdigkeit zu lindern. Ich schätze, ich werde das in den kommenden Tagen noch einige Male tun müssen.
Sie erreichten Lorkins Räume. Dannyl führte Achati hinein und weiter zur Tür des Schlafzimmers. Die Lampen waren heruntergebrannt, aber der Anblick der Leiche war immer noch so schockierend wie zuvor.
»Eine tote Sklavin«, sagte Achati und trat in den Raum, um sie zu betrachten. »Ich verstehe, warum Ihr Euch Sorgen macht.«
»Gelinde gesagt.« »Hat Euer…?«
»Nein. Der Körper ist ohne jede Energie. Wer immer sie getötet hat, hat höhere Magie benutzt, in die Lorkin niemals eingewiesen wurde.«
Achati sah ihn an, dann runzelte er die Stirn und berührte den Arm der toten Frau. Obwohl die Gilde nicht wollte, dass die Sachakaner wussten, wie wenige kyralische Magier schwarze Magie benutzen konnten, hatten sie nicht von Dannyl verlangt, so zu tun, als verstünden sie sich alle darauf. Es würde plausibel erscheinen, dass Lorkin als Magier niederen Ranges noch nicht darin unterwiesen worden war. Es wird schwerer sein, die Tatsache zu verbergen, dass ich ebenfalls keine schwarze Magie wirken kann.