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»Nach Westen«, unterbrach ihn Dannyl. »Lorkin ist jetzt wie ein Sklave gekleidet, und er und Tyvara fahren in einem Karren zu Ashaki Tikakos Landgut.«

Achati starrte ihn an, dann lächelte er. »Das Sklavenmädchen. Sie hat Euch das erzählt?« »Ja.«

»Eure Untersuchungsmethoden, so unwahrscheinlich sie sein mögen, scheinen doch zu funktionieren.« Das Lächeln des Mannes verblasste. »Hmm. Das bedeutet… das legt die Vermutung nahe, dass eine der schlimmsten Möglichkeiten, die ich erwogen habe, die zutreffende sein könnte.«

»Dass Ashaki Tikako die Gedanken seiner Sklavin gelesen und uns nichts verraten hat, weil er an Lorkins Entführung beteiligt war, oder dass die sachakanischen Methoden des Gedankenlesens nicht so wirksam sind, wie sie sein sollten?«

Achati zuckte die Achseln. »Ersteres ist unwahrscheinlich. Tikako ist mit dem König verwandt und einer seiner größten Anhänger. Letzteres ist schon immer der Fall gewesen. Man braucht Zeit und Konzentration, um einen Geist zur Gänze zu durchsuchen.« Er verzog das Gesicht. »Aber es ist die Natur des Geistes, dass das, was er am dringendsten verbergen will, dazu neigt, die Oberfläche zu streifen, wenn die Gedanken des Betreffenden gelesen werden. Tikako hätte diese Information sehen sollen. Die Tatsache, dass es der jungen Frau gelungen ist, es zu verbergen, deutet auf Fähigkeiten hin, die sie nicht haben sollte. Fähigkeiten, über die nur die Mitglieder einer bestimmten Gruppe von Rebellen gebieten.«

»Rebellen?«

»Sie nennen sich die Verräterinnen. Sie benutzen Sklavinnen als Spione und zur Ausführung von Morden und Entführungen. Einige Leute – größtenteils Frauen – glauben, dass es sich bei den Verräterinnen um eine ausschließlich aus Frauen bestehende Gesellschaft handelt, weil es angeblich vor allem Frauen in schwierigen und unglücklichen Umständen sind, die sie aufnehmen. Ich habe den Verdacht, dass es sich dabei um ein Gerücht handelt, mit dessen Hilfe sie sich die Fügsamkeit ihrer Opfer sichern, und dass der wahre Grund für die Entführung der Frauen darin liegt, dass sie sie in die Sklaverei verkaufen, hier oder in einem anderen Land.«

Ein kalter Schauer überlief Dannyl. »Was wollen sie dann von Lorkin?«

»Ich bin mir nicht sicher. Manchmal mischen sie sich in Politik ein. Im Allgemeinen mit Bestechungen oder Erpressung, aber manchmal auch durch einen Auftragsmord. Der einzige Gewinn, den sie durch eine Entführung Lorkins haben können, ist meiner Meinung nach der, dass sie den König damit in Verlegenheit bringen würden.« Er runzelte nachdenklich die Stirn. »Es sei denn, sie wollen einen Krieg zwischen unseren Ländern heraufbeschwören.«

»Wenn das ihre Absicht wäre, hätten sie Lorkin gewiss getötet.«

Achatis Miene war grimmig, als er Dannyl in die Augen sah. »Möglicherweise haben sie das immer noch vor.«

»Dann müssen wir sie schnell finden. Gibt es viele Straßen, die nach Westen führen, zu Tikakos Landgut?«

Der Sachakaner antwortete nicht. Seine Miene spiegelte Verwirrung und Geistesabwesenheit wider. »Aber warum es uns erzählen?«, fragte er.

»Wer?«, fragte Dannyl.

»Das Sklavenmädchen. Warum hat sie uns erzählt, wie wir Lorkin finden können, wenn sie eine Verräterin ist? Versucht sie, uns von der richtigen Spur abzubringen?«

»Vielleicht haben die Verräterinnen nichts damit zu tun und wollen vermeiden, dass man ihnen die Schuld an Lorkins Entführung gibt.«

Achati zog die Brauen zusammen. »Nun, es ist der einzige Hinweis, den wir haben. Ob es eine List ist oder nicht, wir haben keine andere Möglichkeit, als der Angelegenheit nachzugehen.«

Auf der Straße zu Tikakos Landgut herrschte ein ständiger Verkehrsstrom, der Lorkin zwang, während des größten Teils des Tages Tyvaras Rat zu befolgen und kein Wort zu sagen, für den Fall, dass sein kyralischer Akzent Aufmerksamkeit erregen sollte. Er konnte sie nicht nach dem Ziel ihrer Reise fragen oder um Informationen über die Leute bitten, die versucht hatten, ihn zu töten. Seine Haut juckte von der Farbe, die sie bedeckte. Wenn er sich kratzte, warf sie ihm einen missbilligenden Blick zu und trat ihm sachte gegen den Knöchel, wenn er sich vergaß und die Leute, an denen sie vorbeikamen, direkt anschaute. Das war ungeheuer frustrierend und machte das langsame Fortkommen des Karrens, der von einem uralt aussehenden Pferd gezogen wurde, fast unerträglich.

Von Zeit zu Zeit sah er sie verstohlen an und bemerkte die Anspannung ihres Körpers und wie sie auf ihrer Unterlippe kaute. Außerdem konnte er nicht umhin, ihre beinahe makellose braune Haut zu bewundern. Es war das erste Mal, dass er sie draußen im Freien und im Sonnenlicht sah, statt im Licht einer Lampe oder einer magischen Kugel. Ihre Haut hatte einen gesunden Schimmer, und er ertappte sich bei der Frage, ob sie sich so warm anfühlen würde wie die Haut von Riva. Dann kam die unausweichliche Erinnerung an Rivas Tod, an die blicklosen Augen, und er wandte sich ab.

Es ist gefährlich, sich zu Tyvara hingezogen zu fühlen, dachte er. Aber aus irgendeinem Grund machen das Rätsel, das sie umgibt, und der Umstand, dass ich nicht weiß, wie mächtig sie ist, sie noch reizvoller. Trotzdem, dies ist nicht der Zeitpunkt, um wegen einer Frau den Verstand zu verlieren. Es besteht eine sehr reale Gefahr, dass ich am Ende mehr verlieren könnte als nur den Verstand.

Als sie ihm schließlich zumurmelte, dass sie in Kürze ihr Ziel erreichen würden, schwebte die Sonne direkt über dem Horizont. Er verspürte eine Erleichterung, die sich alsbald in Luft auflöste, als sie ihm sagte, was er als Nächstes tun sollte. Sie würden ein weiteres Gut erreichen, in dem man sie erwartete. Dort würden sie essen und schlafen, aber Tyvara würde erst dann wissen, was sie danach tun sollten, wenn sie Verbindung zu ihren Leuten aufgenommen hatte.

Dies würde der erste Test seiner Fähigkeit sein, sich wie ein Sklave zu benehmen. Sie hatte ihm eingeschärft, dass er nicht mehr als nötig sprechen sollte, dass er den Blick stets gesenkt halten und ohne Zögern oder Protest gehorchen musste. Außerdem sollte er sich, wenn irgend möglich, in der Dunkelheit halten.

Jetzt deutete sie mit dem Kopf auf eine Lücke in der Mauer vor ihnen und wies ihn an, das Pferd darauf zuzulenken. Es war ein wenig seltsam, dass eine Haussklavin einen Liefersklaven begleitete, daher hatten sie sich eine Ausrede zurechtgelegt: Angeblich zeigte sie ihm den Weg und lehrte ihn, wie man den Karren fuhr, weil keine anderen Sklaven dafür freigestellt werden konnten. Er hatte die Fahrlektionen genossen, obwohl er nicht viele Fragen stellen konnte, weil sie befürchten mussten, belauscht zu werden.

Sie schafften es ohne Missgeschick durch die Lücke in der Mauer, obwohl der Wagen an einer Seite die Steine berührte. Lorkin schaute zu den Gebäuden hinüber. Gestalten bewegten sich zwischen ihnen hindurch – der Kleidung nach allesamt Sklaven. Als der Wagen sich näherte, blieben die Leute stehen, um einen Moment zuzuschauen, bevor sie ihre Pflichten wieder aufnahmen.

»Dort hindurch«, sagte Tyvara und deutete auf eine Toreinfahrt. Er lenkte den Karren auf einen kleinen Innenhof. Ein hochgewachsener Sklave, der das Kopfband eines Sklavenmeisters trug, trat aus einer Tür und bedeutete Lorkin anzuhalten.

Sie brachten den Wagen zum Stehen. Lorkin, der sich des durchdringenden Blicks des Sklavenmeisters vollauf bewusst war, schaute zu Boden. Zwei weitere Sklaven kamen herbei und traten neben den Kopf des Pferdes.

»Euch zwei habe ich noch nie gesehen«, bemerkte der Mann.

Tyvara nickte. »Das ist Ork. Er ist neu.«

»Ein bisschen mager für einen Liefersklaven.«

»Mit ein wenig Arbeit wird er schon Muskeln zulegen.«

Der Mann nickte. »Und du?«

»Vara. Ich musste ihm den Weg zeigen.« Sie klang selbstgefällig. »Niemand sonst war abkömmlich.«

»Hm.« Der Sklavenmeister machte ihnen ein Zeichen und wandte sich ab. »Du wirst froh sein, dass du dich ausruhen konntest. Der Herr will, dass der Wagen sofort beladen wird, damit ihr beim ersten Tageslicht aufbrechen könnt, und wir bekommen nichts zu essen, bevor die Arbeit getan ist.«