Er beobachtete, wie sie sich auf dem Boden zusammenrollte und sich einen Arm unter den Kopf schob, dann legte er sich ebenfalls nieder. Es war unmöglich, auf dem gewölbten Boden eine bequeme Haltung zu finden, und schließlich ahmte er sie nach und rollte sich auf der Seite zusammen, wobei er ihr den Rücken zuwandte. Er konnte die Wärme ihres Körpers spüren. Nein, denk nicht daran, oder du wirst niemals einschlafen.
»Könntest du das Licht ausmachen?«, murmelte sie.
»Kann ich es stattdessen etwas dämpfen?« Die Aussicht, von absoluter Dunkelheit umgeben zu sein, behagte ihm überhaupt nicht.
»Wenn es sein muss.«
Er verkleinerte den Lichtfunken, bis er kaum noch sie beide beleuchtete. Dann lauschte er dem Geräusch ihres Atems und wartete auf den langsamen, tiefen Rhythmus des Schlafs. Er wusste, dass er ihren Körper so dicht neben seinem zu deutlich wahrnahm, um einschlafen zu können. Aber er war sehr müde…
Es dauerte nicht lange, da trieb er in merkwürdige Träume, in denen er am Rand einer Straße aus Erde entlangging. Die Erde war so weich, dass er hindurchwaten musste, während Tyvara, die leichter und beweglicher war, den Boden kaum aufwühlte und ihm immer weiter und weiter vorausging…
20
Verbündete und Feinde
In der Straße unter ihm blieb auf der anderen Seite ein Mann stehen und blickte zum Fenster empor. Cery widerstand dem Drang zurückzuweichen. Es war zu spät, um es zu vermeiden, gesehen zu werden, und die Bewegung würde bestätigen, dass er nicht hätte hier sein dürfen.
»Oh-oh«, sagte Gol. »Das ist der Ladenbesitzer von nebenan.«
»Sieht so aus, als sei er dahintergekommen, dass sein Nachbar ungebetene Gäste hat.«
Der Mann schaute weg, auf den Boden. Kurz darauf straffte er sich und schritt über die Straße auf den Laden zu. Ein lautes Klopfen folgte.
Gol stand auf. »Ich wimmele ihn für dich ab.«
»Nein.« Cery erhob sich und reckte sich. »Ich werde mich darum kümmern. Bleib hier und halte Wache. Wie war noch mal sein Name?«
»Tevan.«
Als Gol sich wieder hinsetzte, murmelte er etwas des Sinnes, dass das Ganze Zeitverschwendung sei. Er hat wahrscheinlich recht, dachte Cery. Die wilde Magierin wird nicht zurückkommen. Aber wir können geradeso gut Wache halten, denn wir werden ziemlich dumm dastehen, wenn wir uns irren und sie doch zurückkommt. Und wir haben keine anderen Hinweise, denen wir folgen könnten.
Er verließ den Raum und ging über die Treppe ins Erdgeschoss hinunter. Dann trat er durch die Tür des Ladens und sah sich interessiert um. Sie hatten die Hintertür benutzt, daher war er noch nie zuvor hier gewesen. Der Raum war voller feiner Keramikschalen. Er blinzelte und schaute genauer hin, dann kicherte er. Es waren allesamt Toilettenschüsseln, so kunstvoll bemalt und gemeißelt wie Vasen oder Essgeschirr.
Durch die trübe Glastür konnte er die gebeugte Silhouette des Ladenbesitzers von nebenan sehen. Der Mann hatte wahrscheinlich versprochen, den Laden und das Haus seines Nachbarn im Auge zu behalten, und fühlte sich verpflichtet, die Eindringlinge zur Rede zu stellen.
Die Vordertür war verschlossen, und es war kein Schlüssel im Schloss oder irgendwo in der Nähe. Cery stellte zu seiner Erheiterung fest, dass er das Schloss aufbrechen musste. Sobald er das getan hatte, öffnete er die Tür, lächelte den Ladenbesitzer an und ahmte den kultivierten Akzent nach, mit dem Händler gern reiche Kunden zu beeindrucken versuchten.
»Es tut mir leid, der Laden ist geschlossen.« Cery tat so, als bedenke er den Mann mit einem zweiten Blick. »Aber das wisst Ihr, nicht wahr? Ihr seid… Tevan? Euch gehört der Laden nebenan, richtig?«
Der Mann war von durchschnittlicher Größe und trug das überschüssige Gewicht eines Menschen in mittleren Jahren, der seit langer Zeit nicht gezwungen gewesen war, eine Mahlzeit auszulassen – falls überhaupt je.
»Wer seid Ihr, und was tut Ihr in Vendels Haus?«, fragte er scharf.
»Ich bin Vendels Cousin, Delin, und ich habe mir für die Woche sein Haus geliehen.«
»Vendel hat keinen Cousin. Er hat überhaupt keine Familie. Er hat es mir erzählt.«
»Cousin zweiten Grades, angeheiratet«, erklärte Cery. »Er hat Euch nicht erzählt, dass ich hier wohnen werde?« Er runzelte mit gespielter Verwirrung die Stirn. »Ich nehme an, es wurde erst sehr spät entschieden.«
»Er hat nichts davon gesagt. Und es ist etwas, das zu erzählen er kaum versäumt hätte.« Tevan kniff die Augen zusammen, dann machte er einen Schritt rückwärts. »Ich rufe jetzt die Wache. Wenn Ihr lügt, verschwindet Ihr besser, solange Ihr noch die Chance dazu habt.« Der Mann drehte sich um und machte einen Schritt in Richtung Gehsteig.
»Die Wache wird Euch und Vendel wahrscheinlich größere Schwierigkeiten machen als mir«, erwiderte Cery, ließ den Akzent Akzent sein und brachte den Tonfall der Hüttenviertel ins Spiel. »Die Wachen werden hier überall herumkriechen und auf der Suche nach Beweisen für unsere Anwesenheit alle möglichen Dinge zerbrechen, und am Ende werden sie sagen, Ihr hättet es erfunden. Lasst uns das unter uns regeln.«
Tevan war stehen geblieben und sah Cery jetzt mit einem besorgten Stirnrunzeln an.
»Ich brauche nur eine Woche hierzubleiben, vielleicht weniger«, erklärte Cery. »Vendel wird nichts davon merken, dass ich hier war. Ich würde ihm Miete zahlen, wenn er da wäre, aber da er nicht anwesend ist…« Er griff in seinen Mantel, wobei er das Heft eines Messers für einen kurzen Moment aufblitzen ließ, und zog einen flachen Beutel mit Goldmünzen heraus, den er dort für Augenblicke wie diesen bereithielt. Die Augen des Mannes weiteten sich.
»Eine Woche?«, wiederholte er. Er war wie gebannt von all dem Gold. »Oder weniger.«
Der Mann hob den Blick. »Die Miete hier in der Gegend ist teuer.«
»Euer Haus wäre billiger«, erwiderte Cery.
Tevan schluckte. Er schaute abermals auf die Münzen, dann nickte er. »An was hattet Ihr gedacht?«
»Ein halbes Goldstück pro Tag«, antwortete Cery. Er ließ den Beutel wieder in seinen Mantel gleiten. »Ihr werdet sie vor Eurer Hintertür finden, nachdem ich fort bin.«
Der Mann nickte, aber sein Mund war zu einer dünnen Linie der Ungläubigkeit verzogen. Trotzdem brachte er seine Zweifel nicht zum Ausdruck. Stattdessen blickte er über die Straße.
»Ihr beobachtet etwas«, sagte er. »Oder Ihr sucht nach jemandem. Irgendetwas, wobei ich helfen kann?«
»Hofft Ihr, mich früher loszuwerden?«, fragte Cery lächelnd. Ein Ausdruck der Verwirrung trat in die Augen des Mannes. Nein, vielleicht denkt er, er hat noch eine Möglichkeit gefunden, Profit zu machen. »Nun, wenn Ihr dort drüben etwas Verdächtiges beobachtet habt…«
Tevan runzelte die Stirn. »Da ist eine ausländische Frau, die zu seltsamen Stunden kommt und geht. Der Schuhmacher sagt, sie habe seinen Keller gemietet. Wir sind nie dahintergekommen, womit sie sich ihren Lebensunterhalt verdient. Zu alt und zu hässlich, um herumzuhuren… Meine Frau hat sie freitags morgens bei den Gewürz- und Kräuterverkäufern auf dem Markt gesehen. Wir denken, dass sie vielleicht…« Er kam näher und senkte die Stimme, »…jungen Frauen aus unerwünschten Situationen heraushilft.«
Cerys Herz setzte einen Schlag aus, aber er ließ sich nichts anmerken. Tevan sah ihn erwartungsvoll an.
»In diese Richtung geht mein Interesse nicht«, sagte er achselzuckend. »Noch irgendetwas anderes?«
Der Mann schüttelte den Kopf. »Dies ist ein sauberes, anständiges Viertel. Wenn etwas im Gange ist, geschieht es wohl im Verborgenen.« Er hielt inne. »Irgendetwas, das ich wissen sollte?«
Cery schüttelte den Kopf. »Nichts, was Ihr würdet wissen wollen.«
»In Ordnung.« Tevan trat wieder zurück. »Dann viel Glück.«
»Gute Nacht.«