Ich frage mich, wie viele dieser Sklavinnen Verräterinnen sind, überlegte Dannyl. Auf jedem Gut, auf dem sie abgestiegen waren, hatten die Sachakaner mit Erlaubnis der Besitzer die Gedanken der Sklaven gelesen. Sie hatten erfahren, dass viele glaubten, dass einige der von Sklaven und auch einige der von Ashaki geführten Landgüter in Wahrheit unter der Kontrolle der Verräterinnen standen.
Dieses Gut wurde einem Ashaki geleitet. Dannyls Helfer waren zu dem Schluss gekommen, dass man hier am gefahrlosesten Nachforschungen anstellen konnte. Trotzdem überlief Dannyl bei dem Gedanken, dass sie sich an einem Ort befinden könnten, der von Verräterinnen kontrolliert wurde, ein kleiner Schauer der Erregung. Wenn die Sklaven alle Verräterinnen waren, bedeutete das, dass sie auch Magierinnen waren? Wenn dem so war, waren sie den Besuchern zahlenmäßig überlegen.
Aber selbst wenn sie alle Spioninnen und Schwarzmagierinnen waren, würden sie einen sehr guten Grund brauchen, um eine Gruppe zu Besuch weilender Ashaki anzugreifen. Die unausweichliche Vergeltung würde sie dazu zwingen, ihre Kontrolle über das Gut preiszugeben.
Der oberste Sklave brachte sie alle ins Herrenzimmer. Der Besitzer des Gutes, ein alter Mann, der humpelte, begrüßte sie herzlich. Als sie den Grund ihres Besuches erläuterten und erklärten, dass sie die Gedanken seiner Sklaven lesen mussten, stimmte er widerstrebend zu.
»Es ist wahrscheinlich, dass unter meinen Sklaven einige Verräterinnen sind«, gab er zu, »wenn man bedenkt, wie nah wir den Bergen sind. Aber sie scheinen eine Möglichkeit zu haben, diesen Umstand aus ihren Gedanken fernzuhalten.« Er zuckte die Achseln und deutete damit an, dass er den Versuch, sie zu entdecken, aufgegeben hatte.
Nach einer Stunde waren die Gedanken sämtlicher Sklaven bis auf einige Feldarbeiter gelesen worden. Die Ashaki in Dannyls Gefolge zogen sich in die Gästezimmer zurück, wo sie sich auf Kissen legten und über das Gehörte sprachen, nachdem sie zuerst die Sklaven weggeschickt hatten, die sie bedienen sollten.
»Gestern Abend war eine Sklavin von einem anderen Gut zu Besuch«, sagte einer der Ashaki. »Sie wollte etwas zu essen für vier Personen.«
Ein anderer nickte. »Einer der Feldarbeiter hat eine einzelne Frau ankommen und wieder weggehen sehen. Sie hat die Verpflegung zu einem Wagen mit Viehfutter gebracht.«
»Wir haben gestern Abend von diesem Karren gehört«, bemerkte Achati. »Ist es derselbe? Ist es ungewöhnlich, dass ein Karren mit Viehfutter eine solche Reise unternimmt?«
»Es ist für wohlhabendere Güter nichts Ungewöhnliches, Futter an weniger fruchtbare am Fuß der Berge zu schicken.«
»Sie sind in dem Karren«, erklärte eine neue Stimme. Alle blickten auf und sahen Unh in der Tür stehen. Er wirkte in dem Gebäude seltsam deplatziert, wie Dannyl bemerkte. Wie eine Pflanze, von der man weiß, dass sie wegen Mangel an Sonnenlicht sterben wird.
»Ein Sklave hat es mir soeben erzählt«, fuhr der Mann fort. Dann wandte er sich ab und ging davon.
Die Ashaki tauschten nachdenkliche Blicke. Keiner von ihnen hinterfragte Unhs Behauptung, wie Dannyl auffiel. Welchen Grund zu lügen hätte der Düna? Er wird dafür bezahlt, Lorkin und Tyvara zu finden.
Achati wandte sich an Dannyl. »Ihr hattet recht, Botschafter. Die Verräterinnen wollen in der Tat, dass wir sie finden, und sie haben uns endlich einen Hinweis gegeben.«
25
Die Nachrichten des Boten
Die schlichten Lederschuhe, die Sklaven trugen, waren zwar nicht so stabil wie die Stiefel, mit denen die Gilde Lorkin sein Leben lang versorgt hatte, aber dafür machten sie nur wenig Lärm. Das Bündel, das er bei sich trug, war ihm zu Anfang zu klein und zu leicht vorgekommen, aber das Gewicht schien gewachsen zu sein, seit er es das erste Mal geschultert hatte. Tyvara hatte die Führung übernommen und ging mit stetigen, gemessenen Schritten voran, während der Weg immer steiler und schwieriger wurde. Chari bildete mit untypischer Schweigsamkeit die Nachhut hinter Lorkin.
Sie hatten ihm geraten, nicht auf irgendeine offenkundige Art Magie zu benutzen, jetzt, da er sich in einem Gebiet befand, das von den Verräterinnen kontrolliert wurde. Wenn sie die Barriere wahrgenommen hatten, die er errichtet hatte, um sich zu schützen und die Luft um ihn herum warm zu halten, mussten sie zu dem Schluss gekommen sein, dass es keine offenkundige Benutzung von Magie war, da keine der Frauen etwas darüber bemerkt hatte. Obwohl er zuversichtlich war, dass die Verräterinnen ihn nicht angreifen würden, solange er mit zwei Frauen aus ihren Reihen zusammen war, hätte er doch nicht sein Leben darauf verwettet.
Sie hatten den Karren und die Straße vor einigen Stunden verlassen und wanderten zu Fuß über Hügel und durch Täler, die zunehmend steiler und steiniger wurden. Keine der Frauen sprach. Lorkin stellte fest, dass er Charis Geplapper und ihre ständigen Fragen vermisste. Tyvara zog sich immer mehr in sich zurück, je weiter sie kamen. Ihre finsteren Blicke hatten ihn mit einem vage schlechten Gewissen erfüllt, aber er war sich nicht sicher, warum.
Sie erwartet die Verurteilung durch ihre Leute, weil sie eine der ihren getötet hat, was nicht geschehen wäre, hätte sie mir nicht das Lehen gerettet.
Abrupt verlangsamte Tyvara ihren Schritt, und er blieb stehen, um nicht mit ihr zusammenzustoßen. Als er über ihre Schulter blickte, sah er, dass hinter einer Anhöhe eine Gruppe von Leuten vor zwei kleinen Hütten stand. Sie beobachteten, wie er, Tyvara und Chari näher kamen.
Die Hütten waren klein und alt und von einem niedrigen Zaun umgeben. Von den Dachsparren hingen Tierhäute, und an den Mauern lehnten mehrere Tragen, aber keiner der Versammelten sah aus wie ein Jäger. Alle trugen schlichte Kleidung aus feinem Tuch. Die meisten waren Frauen. Er bemerkte zwei Männer unter ihnen und verspürte einen Anflug von Überraschung. Nach allem, was Tyvara und Chari über ihre Leute gesagt hatten, hatte er beinahe erwartet, überhaupt keine Männer zu sehen.
Etwa hundert Schritte von der wartenden Gruppe entfernt blieb Tyvara stehen. Dann drehte sie sich zu Lorkin um und runzelte nachdenklich die Stirn.
»Ich kann für dich sprechen, wenn du willst«, erbot sich Chari.
Tyvara funkelte sie an. »Ich kann für mich selbst sprechen«, blaffte sie. »Bleibt hier.« Dann drehte sie sich um und stolzierte auf ihre Leute zu, während Chari und Lorkin zurückblieben und einen verwunderten Blick tauschten.
»Habt ihr zwei euch wegen irgendetwas gestritten?«, fragte er.
Chari schüttelte den Kopf und lächelte. »Nein. Warum fragst du?«
»Sie hat sich nicht so benommen, als wärt ihr Freundinnen.«
»Oh, zerbrech dir darüber nicht den Kopf.« Chari kicherte und schaute zu der Gruppe hinüber. »Sie ist nur eifersüchtig. Und sie weiß es nicht.«
»Eifersüchtig weshalb?«
Chari sah ihn hochmütig an. »Du weißt es wirklich nicht? Ich habe mich immer gefragt, wie es kommt, dass im Rest der Welt Männer das Sagen haben, obwohl sie doch ständig so begriffsstutzig sind.«
Er schnaubte leise. »Und ich brenne darauf zu erfahren, wie es den weiblichen Verräterinnen gelingt, an der Macht zu bleiben, wenn sie genauso wie Frauen überall sonst geneigt sind, sich mit indirekten Hinweisen und Anspielungen mitzuteilen.«
Sie warf den Kopf in den Nacken und lachte. »Oh, ich mag dich, Lorkin. Wenn Tyvara nicht zu sich kommt und…« Eine Stimme erklang, und sie wurde sofort wieder ernst. Sie schenkte ihm ein schiefes Lächeln. »Sieht so aus, als sei es an der Zeit, dich vorzustellen.«
Er folgte ihr zu den wartenden Verräterinnen hinüber. Tyvara beobachtete sie mit sorgenvoll gerunzelter Stirn. Chari sah ihre Freunde nicht an, sondern richtete ihre Aufmerksamkeit auf eine Frau in mittleren Jahren, deren langes Haar von grauen Strähnen durchzogen war.