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Ah'Kal sah sie einen Augenblick lang nachdenklich und durchdringend an, aber dann nickte er. »So solles sein«, sagte er. »Mögen die Götter entscheiden. Über das Schicksal der Fremden und das von uns allen.« Er wandte sich an Mike. »Du und der Mann, den du Delamere nennst, ihr mögt gehen. Die anderen werden hier bei uns bleiben und auf Ogdys Gnade hoffen.«

Mike atmete erleichtert auf - und sah erst dann den Schrecken in Serenas Augen. Aber es dauerte noch einmal ein paar Sekunden, bis erwirklichbegriff, was Ah'Kals Worte bedeuteten.

»Und ... Serena und Singh?«, fragte er. »Die Tochter des Alten Volkes und dein Freund bleiben hier«, antwortete der Häuptling. »Die Götter werden über ihr Schicksal entscheiden.«

»Du willst was?! Hast du vollkommen den Verstand verloren?«

Mike zog den Kopf zwischen die Schultern, wich einen halben Schritt vor Trautman zurück und sah sich in der Kommandozentrale der NAUTILUS um, als suche er ein Mauseloch, in dem er sich verkriechen konnte.

Am liebsten hätte er genau das getan. Es war eine der ganz seltenen Gelegenheiten, bei denen er Trautman schreien hörte. Und eine der noch selteneren Gelegenheiten, bei denen er miterlebte, dass der weißhaarige Steuermann der NAUTILUS drauf und dran war, die Beherrschung zu verlieren. Nicht dass Mike Trautman nicht verstehen konnte. Insgeheim gab er ihm sogar Recht. Seit ihre Abenteuer an Bord der NAUTILUS begonnen hatten, hatte er schon eine Menge schlechter Ideen gehabt... aber diese war mit Abstand die schlechteste. »Ich bin nicht ganz unschuldig daran«, mischte sich Delamere ein. »Im Grunde war es meine Idee. Aber es war nur eineTheorie.Ich meine: So wie man theoretisch auch zum Mond fliegen könnte.« »Eine Theorie, die das Leben von einem Dutzend Menschen in Gefahr bringt!«, grollte Trautman. »Und so ganz nebenbei auch unsere eigenen«, fügte Ben hinzu.

»Ich sagte bereits, es tut mir Leid«, verteidigte sich Jacques. »Ich habe mich wohl nicht klar genug ausgedrückt. Ich dachte, Mike hätte verstanden, dass es nur ein Gedankenspiel ist.«

»Das macht es auch nicht besser«, grollte Trautman. Eine Sekunde lang war Mike fest davon überzeugt, dass sich sein Zorn nun auf den Belgier entladen würde, aber dann seufzte er nur, schüttelte den Kopf und trat an sein Instrumentenpult. »Herzlichen Glückwunsch«, sagte Ben spöttisch. »Du hast ja schon eine Menge Mist gebaut, aber das schießt wirklich den Vogel ab!« »Was hätte ich denn tun sollen?«, verteidigte sich Mike. »Vielleicht -«

»Hört auf zu streiten«, sagte Trautman vom Kontrollpult aus. Ohne von seinen Instrumenten aufzusehen fuhr er fort: »Das hilft uns jetzt auch nicht mehr. Monsieur Delamere, kommen Sie her. Ich brauche Sie, um den genauen Kurs zu ermitteln.« »Kurs?« Delamere blinzelte. »Aber ... was denn für einen Kurs?«

Trautman sah hoch und spießte ihn mit Blicken regelrecht auf. »Den Kurs dieser Erdspalte, von der Sie Mike erzählt haben.«

Jacques wurde noch ein bisschen blasser, als er sowieso schon war. Und noch nervöser. »Aber was denn für eine Erdspalte, um Himmels willen?«, murmelte er. »Ich ... ich weiß ja noch nicht einmal, ob es sie gibt! Verstehen Sie denn immer noch nicht, dass ich nur von einer Theorie gesprochen habe?« Seine Stimme wurde bei den letzten Worten schrill. »Dann haben Sie jetzt eine wunderbare Gelegenheit, Ihre Theorie zu überprüfen«, antwortete Juan ruhig. »Ihr ... ihr wollt das doch nicht wirklich tun!«, stammelte Jacques. »Das ist doch der helle Wahnsinn.« »Haben Sie einen besseren Vorschlag?«, fragte Ben. »Wir können Hilfe holen«, antwortete Jacques. »Sie meinen: Wir können fliehen und unsere Freunde im Stich lassen«, sagte Ben abfällig. »Tut mir Leid. Das mag jaIhreArt sein, Ihre Freunde zu behandeln, aber nicht unsere.« Er wandte sich an Mike. »Haben wir eine Chance, Serena und Singh zu befreien ... und die anderen auch?«

Mike schüttelte schweigend den Kopf. Auf dem ganzen Weg vom Berg hier herunter hatte er über nichts anderes nachgedacht als genau über diese Frage, aber es war unmöglich. Die Pahuma bewachten ihre Gefangenen zu gut. Und ein gewaltsamer Befreiungsversuch kam nicht in Frage. »Dann ist es bereits entschieden«, sagte Trautman. »Meinen Glückwunsch, Monsieur Delamere. Sie haben die einmalige Chance, sich den Nobelpreis zu verdienen.«

Es war dunkel. Die NAUTILUS befand sich in mehr als achthundert Metern Tiefe, einem Bereich des Ozeans also, in den noch nie ein Sonnenstrahl gedrungen war und ewige Nacht herrschte. Das Wasser, durch das das Tauchboot glitt, war jedoch von einem unheimlichen, düsterroten Glühen erfüllt, das aus einer Anzahl breiter, gezackter Risse aus dem Meeresgrund drang. Und es warheiß.Ein flüchtiger Blick auf die Instrumente zeigte Mike, dass das Wasser, durch das die NAUTILUS glitt, fast hundert Grad heiß war und seine Temperatur immer noch stieg. Der Druck in dieser Tiefe war bereits so groß, dass der Siedepunkt des Wassers bei annähernd zweihundert Grad liegen musste. Mike fragte sich, ob die NAUTILUS überhaupt imstande war, solche Temperaturen über längere Zeit auszuhalten. Er hatte bereits jetzt das Gefühl, dass es hier drinnen spürbar wärmer geworden war. Natürlich stimmte das nicht. Die Temperatur im Salon der NAUTILUS betrug genau einundzwanzig Grad Celsius, wie immer; trotzdem war er am ganzen Leib in Schweiß gebadet. Und nicht nur er. Mit Ausnahme Delameres, der am Tisch saß und nervös Zahlen auf Papier kritzelte, hatten sie alle ihre Plätze an den Kontrollinstrumenten des Schiffes eingenommen, und Ben, Chris, Juan und selbst Trautman waren nicht nur ungewohnt schweigsam, sondern auch ziemlich nervös und wie er in Schweiß gebadet.

Vor gut einer Stunde waren sie von Hathi losgefahren und hatten Kurs auf den Punkt im Meer genommen, an dem der unterseeische Vulkan ausgebrochen war. Die NAUTILUS war nur wenige Meilen weit über das Meer gefahren, dann hatte sie der schwere Seegang gezwungen zu tauchen und ihren Weg unter Wasser fortzusetzen.

Ruhiger war ihre Fahrt nicht geworden. Das Meer befand sich in Aufruhr und nicht nur an der Oberfläche. Die NAUTILUS erbebte in fast regelmäßigen Abständen unter harten Stößen, die vom Meeresgrund ausgingen und den gesamten Ozean erschütterten. Mike hatte Delamere nicht extra fragen müssen um zu begreifen, dass sich der Vulkanologe in seiner Vorhersage kräftig verschätzt hatte. Das Bild vor dem Fenster sprach seine eigene, sehr deutliche Sprache. Bis zum nächsten großen Ausbruch des unterseeischen Vulkans würden nicht mehr Tage oder gar Wochen vergehen, sondern wahrscheinlich nur noch Stunden. Sie hatten den Ort des letzten Ausbruchs noch lange nicht erreicht. Trotzdem war der Meeresboden hundert Meter unter ihnen von einem Gewirr rot leuchtender, gezackter Linien durchzogen, das langsam, aber trotzdem in sichtbarer Geschwindigkeit wuchs und dabei beständig dichter wurde. An manchen Stellen sah es tatsächlich aus wie ein Spinnennetz. Mike fragte sich, wie lange der Meeresgrund dem immer stärker werdenden Druck noch standhalten konnte. Wieder erzitterte die NAUTILUS unter einem harten Schlag. Irgendwo zerbrach Glas und aus dem gleichmäßigen Dröhnen der Motoren wurde für einen Moment ein unregelmäßiges Stampfen. »Sehr viel näher können wir nicht heran, Monsieur Delamere«, sagte Trautman.

»Ich dachte, dieses Schiff ist so fantastisch«, knurrte der Belgier ohne von seinen Berechnungen aufzusehen.

»Die NAUTILUS wurde dafür gebaut, den Wasserdruck in extremen Tiefen auszuhalten«, antwortete Trautman kühl. »Nicht in einem Dampfkessel herumzufahren.«