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Außerdem würde er niemals hier sitzen bleiben und in aller Ruhe abwarten ohne zu wissen, wie es Serena ging.

»Kommt nicht in Frage!«, sagte er entschieden. »Ich komme mit.«

»Und ich ebenfalls.« Trautman machte eine entschiedene Handbewegung, die jeden Widerspruch schon im Keim erstickte. »Kommt.«

Delamere sah für einen Moment regelrecht bestürzt drein, sagte aber nichts, sondern drehte sich herum und stampfte mit finsterem Gesicht aus dem Salon. Trautman sah ihm kopfschüttelnd nach, beließ es aber bei einem bloßen Achselzucken und einer entsprechenden Geste in Mikes Richtung, ihm zu folgen. Trotzdem war Mike klar, dass er Delamere ebenso wenig traute wie er selbst.

Sie verließen die NAUTILUS, ließen das Boot zu Wasser und ruderten zur Insel hinüber. Ein intensiver Brandgeruch lag in der Luft und vom Himmel fiel noch immer Asche in grauen Flocken wie heißer Schnee, der aber nicht schmolz, wenn er das Boot oder seine Insassen berührte, sondern eine schmierige, graue Schicht bildete, die in den Augen brannte und das Atmen schwer machte. Es war auch hier, Stunden vom Zentrum der Eruption entfernt, fast vollkommen dunkel. Trautman hatte den starken Scheinwerfer eingeschaltet, der im Bug des kleinen Ruderbootes befestigt war, aber der grellweiße Strahl erreichte nicht einmal das Ufer, sondern verlor sich schon nach wenigen Metern in tanzenden Flocken und absoluter Schwärze. Obwohl sie nur fünf Minuten brauchten um das Ufer zu erreichen, war das Boot fast zur Hälfte mit Asche gefüllt und seine drei Insassen mit einer grauen Schicht überpudert. Trautman und Mike zogen das Beiboot so weit auf den aschebedeckten Strand hinauf, wie sie konnten. Delamere stand nur dabei und sah ihnen zu, aber weder Trautman noch Mike verloren auch nur ein Wort darüber. Irgendetwas stimmte mit dem Vulkanologen nicht, das war jetzt kaum mehr zu übersehen. Aber sie würden später noch Zeit genug haben, sich den Kopf darüber zu zerbrechen - oder schlimmstenfalls Astaroth mit der Aufgabe zu betrauen, die Wahrheit herauszufinden. Jetzt war es Mike im Grunde nur wichtig, Serena und Singh zu holen und so schnell wie möglich wieder von hier zu verschwinden.

Die Insel selbst bot einen fast noch unheimlicheren Anblick als das Meer. Auch hier herrschte eine solche Dunkelheit, dass sie nur wenige Schritte weit sehen konnten -und das Wenige, was in dieseraschedurchsetzten Düsternis überhaupt zu erkennen war, schien kaum noch Ähnlichkeit mit dem tropischen Inselparadies zu haben, als das sich ihnen das Eiland vor kaum vierundzwanzig Stunden noch präsentiert hatte. Der Dschungel war grau, ohne Farben und fast ohne Schattierungen. Die Blätter der großen Palmbäume bogen sich unter dem Gewicht der Asche, die auf ihnen lastete, und selbst zwischen den Bäumen bedeckte eine knöcheltiefe, warme Schicht den Boden. Die Luft roch so intensiv verbrannt, dass Mike eigentlich erwartete, nur noch verkohlte Strünke und zu Lava erstarrtes Erdreich zu sehen, was aber nicht der Fall war; auch später nicht, als sie tiefer in den Dschungel eindrangen. Der Brandgeruch schien einzig von den beiden aktiven Vulkanen zu kommen, die hundert Kilometer entfernt immer noch Feuer in den Himmel spien. Mike sah nicht auf die Uhr, aber er war sicher, dass sie viel länger als beim ersten Mal brauchten, um den Dschungel zu durchqueren. Der Trampelpfad, dem sie gestern gefolgt waren, war verschwunden. Alles, was sie sahen, war wirbelnde graue Asche, die in ihren Augen und Lungen brannte, sodass sie bald ununterbrochen husteten und sich die tränenden Augen rieben.

Als sie den Fuß des Vulkanberges erreichten, sahen sie zum ersten Mal wieder Licht: Einen flackernden, roten Schein, der vom Gipfel des Berges zu ihnen herabstrahlte. Im ersten Moment durchfuhr Mike ein eisiger Schrecken, denn er nahm an, dass auch dieser Vulkan ausgebrochen war und sie den Widerschein der Lava sahen; dann begriff er seinen Irrtum und atmete erleichtert auf. Der Feuerschein stammte nicht aus dem Krater, sondern strahlte aus halber Höhe des Berghanges zu ihnen herab. Im Dorf der Pahuma brannten Fackeln, das war alles. Die Asche machte es noch schwieriger, auf der erstarrten Lava zu gehen, die den Berghang bedeckte. Der Trampelpfad, den Millionen Pahuma-Füße in Tausenden von Jahren in den Berghang gegraben hatten, war ebenso unter der grauen Schicht verschwunden wie der Weg durch den Wald, sodass sie mehr als einmal unter der darunter verborgenen spiegelglatten Lava ausglitten und stürzten. Der Weg zu dem Plateau auf halber Höhe des Berges hinauf kostete sie fast alle Kraft, die sie noch hatten. Mike taumelte mehr, als er ging, zwischen den ersten Häusern hindurch.

Das Erste, was ihm auffiel, war die unheimliche Stille. Auch das Dorf der Pahuma war über und über mit Asche bedeckt, die hier sogar noch höher lag als unten im Dschungel; Mike versank zum Teil bis über die Waden in der pulvrigen, grauen Masse.

Hier und da brannte ein Feuer oder eine Fackel, mit der die Pahuma versucht hatten, die künstliche Nacht zu erhellen, aber nirgends zeigte sich auch nur die geringste Spur von Leben und sie hörten auch nichts. Nach ein paar Schritten blieb Mike stehen und sah sich mit wachsender Beunruhigung um. Auch Trautman blieb stehen, ging schließlich schweigend zu einer der Hütten und sah hinein. Schon nach einem Augenblick kam er zurück, betrat ohne ein weiteres Wort das nächste Gebäude und dann noch eines und noch eines. Schließlich schüttelte er den Kopf und sagte: »Nichts. Hier ist niemand mehr.« »Aber wo sind sie denn?«, murmelte Mike. Gleichzeitig rief er in Gedanken nach Astaroth, so intensiv er nur konnte. Auf dem Weg hier herauf hatte er das schon ein paar Mal getan, ohne eine Antwort zu bekommen, und er bekam auch jetzt keine. »Dort!«, rief Jacques plötzlich. Er deutete nach vorne, anscheinend auf den runden Kratersee, der das Dorf an einer Seite begrenzte. Erst nach einer Sekunde sah Mike, dass er etwas auf der anderen Seite meinte.

Trotzdem hätte er die Menschenansammlung dort drüben wahrscheinlich kaum bemerkt, hätten sich nicht einige von ihnen in diesem Moment bewegt. Auch am anderen Ufer des Sees brannten mehrere Fackeln, aber die drei oder vier Dutzend Gestalten, die Mike mit einiger Mühe in ihrem Licht ausmachte, waren so mit grauer Asche bedeckt, dass sie sich kaum vom Boden unterschieden.

»Was ... was tun die da?«, murmelte Delamere stockend.

Sie flehen ihren Vulkangott um Hilfe an,flüsterte eine Stimme in Mikes Kopf.Und ich würde euch nicht raten, das Zeremoniell zu stören. Darauf reagieren sie ziemlich übel.

»Astaroth?«, murmelte Mike. Etwas lauter und an die anderen gewandt sagte er: »Bleibt stehen!« Delamere, der bereits dazu angesetzt hatte, auf die Insulaner zuzugehen, verhielt tatsächlich mitten im Schritt, sah Mike aber eindeutig ärgerlich an: »Wieso?«

»Tun Sie einfach, was er sagt«, knurrte Trautman. »Mike weiß schon, was er tut.« Delamere blieb tatsächlich stehen, starrte Mike aber so finster an, dass die lautlose Stimme in seinem Kopf gar nicht nötig gewesen wäre:Sagt dir der Begriffeingebildeter Rotzlöffeletwas?Mike zog es vor, nichts dazu zu sagen, sondern konzentrierte sich lieber auf die Geschehnisse am anderen Ufer des Sees. Gute fünf Minuten lang geschah scheinbar nichts und auch Astaroth rührte sich nicht mehr. Doch gerade als sich auch Mikes Geduld allmählich ihrem Ende zuzuneigen begann, kam Bewegung in die aschefarbene Gruppe. Zuerst eine, dann zwei Gestalten und schließlich ein knappes Dutzend löste sich aus den bisher reglos dastehenden Reihen und kam langsam um den See herum und auf sie zu. Etwas, das wie eine zu groß geratene Aschenflocke aussah, folgte ihnen in geringem Abstand. »Das sind Serena und Ah'Kal«, sagte er. »Und ein halbes Dutzend seiner Krieger ... Sie sind nicht besonders gut gelaunt, fürchte ich.« »Woher willst du das wissen?«, fragte Jacques. »Ich weiß es eben«, antwortete Mike. Es erschien ihm wenig ratsam, Delamere zu verraten, dass es jemanden unter ihnen gab, der die Gedanken eines Mensehen lesen konnte wie ein offenes Buch. Auch als Astaroth in seinen Gedanken hinzufügte:Sag mal, was heißt