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Ah'Kal schüttelte den Kopf. »Ogdy wird uns beschützen«, sagte er überzeugt. »Wird er euch auch etwas zu essen geben?«, fragte Singh. »Es wird ein Jahr oder länger dauern, bis hier wieder irgendetwas wächst.«

»Dann wird uns das Meer ernähren«, antwortete Ah'Kal. »Ich danke euch für euer Angebot, doch wir brauchen es nicht.«

Singh setzte dazu an, erneut zu widersprechen, kam jedoch nicht dazu, weil Serena in diesem Moment wie zufällig einen Schritt zur Seite trat und ihm dabei so kräftig auf die Zehen stieg, dass sich seine Augen weiteten. Mike warf ihr einen dankbaren Blick zu und Ah'Kal, der das Manöver aus den Augenwinkeln beobachtet hatte, lächelte flüchtig. Mike sah wieder in den Himmel. Die Wolkendecke war dichter geworden und sie schien jetzt noch niedriger über der Insel zu hängen. Die Spannung, die er die ganze Zeit über schon zu spüren glaubte, hatte zugenommen; fast wie das elektrische Knistern, das manchmal vor einem besonders schweren Gewitter zu spüren war.

Ah'Kal löste sich endlich aus der Erstarrung, in der er die ganze Zeit über dagestanden hatte, und begann mit gemessenen Schritten den See zu umrunden. Mike fiel an dem Wasser des kreisrunden Sees etwas auf, aber er wusste nicht, was es war nur eben, dass etwas nicht stimmte.

Erst als sie den See zur Hälfte umrundet hatten, wurde ihm klar, was es war. Das Wasser. Es hatte seine Farbe geändert. Bisher war grau gewesen, manchmal mit einem Schimmer von Blau oder Türkis, je nachdem, welche Farbe der Himmel hatte, den es widerspiegelte. Jetzt hatte es einen intensiven, fast unnatürlichen Grünton. Ein ganz leichter Nebel schien über dem See zu hängen und plötzlich fiel ihm auch der Geruch auf: Ein schwacher, aber trotzdem durchdringender, irgendwie ... saurer Geruch, der allmählich zuzunehmen schien.

»Das Wasser ...«, murmelte er. Trautman warf ihm einen fragenden Blick zu. »Was?«

»Das Wasser!«, wiederholte Mike lauter. »Irgendetwas stimmt mit dem See nicht!« Trautman folgte seinem Blick, runzelte die Stirn -und wurde plötzlich kreideweiß. »Großer Gott!«, flüsterte er.

Gleichzeitig blieb er so abrupt stehen, als wäre er gegen eine unsichtbare Wand geprallt. »Was bedeutet das?«, fragte Mike erschrocken. »Trautman!«

Trautman antwortete ihm nicht, sondern war mit einem Satz bei Ah'Kal und riss ihn fast grob an der Schulter herum. Zwei oder drei von Ah'Kals Kriegern traten drohend näher, aber Trautman ignorierte sie einfach.

»Geht nicht weiter!«, keuchte er. »Weg vom See! Wir müssen hier weg!«

Ah'Kal sah ihn verwirrt an. »Ich verstehe nicht -« »Ich erkläre es euch, aber später!«, unterbrach ihn Trautman. »Jetzt müssen wir hier weg! Schnell! Wir werden alle sterben, wenn wir dem See zu nahe kommen!«

Ah'Kal sah ihn zweifelnd an. »Dieser See ist der Spender unseres Lebens.«

»Und das wird er auch wieder«, sagte Trautman gehetzt. »Aber nicht jetzt! Er bringt den Tod, bitte glaub mir!«

Ah'Kal wirkte nicht überzeugt, doch vielleicht zum ersten Mal, seit dieses Chaos begonnen hatte, kam ihnen das Schicksal zu Hilfe.

Auf der anderen Seite des Sees erklang ein schrilles Bellen und als Mike in die entsprechende Richtung sah, erblickte er einen kleinen Hund, der kläffend am Seeufer entlang auf sie zugeeilt kam; wahrscheinlich gehörte er einem der Insulaner, war aber von ihm getrennt worden, als der Sturm losbrach.

Er kam nur wenige Schritte weit. Mike sah genau, was geschah. Der Hund rannte schwanzwedelnd auf sie zu und kam dabei dem See so nahe, dass das grün schimmernde Wasser unter seinen Pfoten aufspritzte. Kaum aber war er in den Bereich des unheimlichen Nebels eingedrungen, der von der Oberfläche des Sees aufstieg, da hörte er auf, mit dem Schwanz zu wedeln. Seine Schritte wurden unsicher. Er stolperte, fiel hin, rappelte sich mühsam wieder hoch und stolperte wieder. Aus seinem freudigen Kläffen wurde ein Jaulen, dann ein schwächer werdendes Wimmern. Er stolperte wieder, fiel hin und blieb schließlich reglos liegen. Mike wusste sofort, dass er tot war. »Ogdy!«, flüsterte Ah'Kal entsetzt. »Das hat nichts mit eurem Gott zu tun«, sagte Trautman brutal. »Aber wir werden alle sterben, wenn wir hier bleiben!«

Ah'Kal ließ noch eine endlose Sekunde verstreichen, aber dann nickte er grimmig, drehte sich auf der Stelle herum und machte eine befehlende Geste und sein gesamter Stamm wandte sich um und entfernte sich wieder vom Kratersee. Erst als sie wieder gute hundert oder hundertfünfzig Schritte weit den Berg hinaufgestürmt waren, blieben sie stehen. Mike verspürte erneut ein kurzes, aber eisiges Frösteln, als er zum See hinabblickte. Aus der Höhe betrachtet wirkte er noch viel unheimlicher. Die giftgrüne Färbung des Wassers schien noch viel intensiver geworden zu sein und die Nebelschwaden, die von seiner Oberfläche aufstiegen, wirkten viel dichter, fast wie rauchige Arme, die mit unsicheren, blinden Bewegungen nach neuen Opfern tasteten. »Was ... was ist das?«, murmelte Mike entsetzt.

»Gas«, antwortete Trautman hart. »Das Wasser hat seine chemische Zusammensetzung geändert. Es ist jetzt eine tödliche Säure. Wenn du hineinspringen würdest, würde es dir in ein paar Sekunden das Fleisch von den Knochen ätzen! Außerdem setzt der See ein tödliches Gas frei -wie wir ja gerade mit eigenen Augen gesehen haben.«

»Aber ... aber wie ist denn das möglich?!«, fragte Serena stockend.

»So ungewöhnlich ist das gar nicht«, antwortete Trautman. »So etwas passiert oft, bevor oder nachdem ein Vulkan ausbricht. Es hat schon Hunderte von Toten in solchen Fällen gegeben.« Seine Miene verdüsterte sich. »Wäre es hier nicht so vollkommen windstill, dann wären wir alle jetzt vielleicht auch schon tot. Du hast gesehen, wie schnell das Gas wirkt! Ich begreife nicht, wieso uns Delamere nicht gewarnt hat! Er hätte es sofort sehen müssen!« »Wo ist er überhaupt?«, fragte Serena. »Jacques?« Mike sah sich suchend um, zuckte aber nur mit den Schultern. »Keine Ahnung.« Wenn er es recht bedachte, hatte er ihn gar nicht mehr gesehen, seit sie den Krater verlassen hatten. Genauer gesagt: Seit sie die Höhle verlassen hatten. »Wie lange wird das andauern?«, fragte Serena und deutete auf den See.

Als Trautman antworten wollte, zitterte der Boden unter ihren Füßen; ganz sacht nur, aber spürbar. Und in der nächsten Sekunde kam auch in die Oberfläche des Sees Bewegung. Wellen kräuselten das Wasser, dann stiegen eine Anzahl faustgroßer, ölig schimmernder Blasen an seine Oberfläche und zerplatzten. Aus ihrem Inneren drang grauer Dunst, der sich mit der trägen Nebelschicht verband, die über dem See schwebte.

Und was das Schlimmste war: Mike spürte eine ganz sanfte, warme Berührung im Gesicht. Wind.

Die Luft war nicht mehr still. Vom Meer her war ein ganz leichter Wind aufgekommen. Der Gasnebel über dem See begann sich zu bewegen. Noch sehr langsam. Der Wind hatte noch nicht genug Kraft, das Gas, das viel schwerer war als Luft, nennenswert zu bewegen, aber wenn er auch nur ein bisschen zunahm, dann würde er die tödlichen grauen Schwaden genau in ihre Richtung treiben!