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Gipfel

zurück. Er sollte das Bild nie wieder im Leben wirklich vergessen.

Das Gas schien den Vulkankrater mittlerweile vollends auszufüllen und quoll in trägen, schweren Schwaden über seinen Rand, wie Dampf aus einem überquellendem Kochtopf. Wie durch ein Wunder jedoch hatte es Delamere geschafft: Er erschien in genau diesem Moment auf dem Kraterrand, fast bis zu den Hüften in brodelnden Gaswolken watend, aber noch am Leben.

Und dann glühte der Krater hinter ihm in grellem, intensiv rotem Licht auf. Eine gigantische Lavasäule schoss brüllend in den Himmel hinauf. Für den Bruchteil einer Sekunde war Delameres Gestalt noch als schwarze Silhouette vor dem grellglühenden Hintergrund zu sehen, und dann war er einfach verschwunden. Immer mehr und mehr Lava raste über ihnen in den Himmel und statt Gas quollen nun brodelnde Flammen über den Kraterrand. Mike blickte entsetzt in den Himmel. Die Lava schoss mit der Geschwindigkeit einer Dampflokomotive nach oben, aber sie würde nicht lange dort bleiben. Was sie bisher noch gerettet hatte, war die schiere Wucht des Ausbruchs, der die Lavabrocken weit über sie hinwegschleuderte, sodass die ersten Trümmer fast am Fuße des Berges niederkrachten, so weit sie nicht noch weiter geschleudert wurden und weit draußen im Meer einschlugen. Die Kraft der Eruption nahm immer noch zu. Der Lärm war unvorstellbar und der Boden zitterte und wankte so heftig, dass es Mike immer schwerer fiel, sich auf den Beinen zu halten. Zwei oder drei Schritte unter ihnen stürmten die Insulaner dahin. Immer wieder stürzte einer von ihnen, rappelte sich hoch oder schlitterte sich hilflos überschlagend ein gutes Stück weiter talwärts. Wie durch ein Wunder war noch immer niemand ernsthaft zu Schaden gekommen, aber Mike war klar, dass diese Glückssträhne nicht mehr ewig anhalten konnte. Und selbst wenn -er fragte sich voller neuem, plötzlichem Schrecken, wohin sie sich eigentlich wenden wollten? Der Vulkan grenzte an dieser Seite der Insel unmittelbar ans Meer. Es gab nichts, wohin sie flüchten konnten. Trotzdem rannten sie weiter, so schnell sie es wagten, um auf dem abschüssigen Grund nicht den Halt zu verlieren. Serena stürmte unmittelbar neben Mike einher, während Trautman und Singh ein paar Schritte zurückgefallen waren um Delameres Frau zu stützen. Sie versuchte jetzt zwar nicht mehr sich loszureißen und zum Krater zurückzulaufen, doch dafür schien sämtliche Kraft aus ihr gewichen zu sein. Trautman und Singh mussten sie richtig vorwärts ziehen.

Hinter ihm zerriss eine neue, noch gewaltigere Detonation den Berg. Mike sah nach oben und schrie erneut vor Schreck auf, als er sah, dass ein ganzer Teil des Kraterrandes zusammengebrochen war. Zerborstene, rot und weiß glühende Felstrümmer begannen hinter ihnen den Berg herabzustürzen, manche langsam und in großen, dröhnenden Lawinen, andere so schnell wie Geschosse, sodass es kaum noch möglich schien, ihren Kurs vorauszuberechnen und ihnen auszuweichen. Einer der rot glühenden Brocken verfehlte Mike so knapp, dass ihn die Hitze aufschreien ließ, ein anderer streifte Serenas Kleid und setzte seinen Saum in Brand, obwohl er ihn kaum berührte. Die Pahuma spritzten in Panik auseinander, als die tödliche Steinlawine in ihre Reihen fuhr. Mike konnte nicht erkennen, ob es auch diesmal allen gelang, sich noch rechtzeitig in Sicherheit zu bringen.

Über ihnen begann sich der Kraterrand in immer rascherem Tempo aufzulösen. Der größte Teil der Felstrümmer rutschte nach rechts und links ab und würde nicht einmal in ihre Nähe kommen, aber schon drohte die nächste Gefahr: Der Vulkan hörte auf Feuer und kochende Lava in die Luft zu schleudern, doch durch die Lücke im Kraterrand schob sich jetzt eine träge, grellglühende Woge aus geschmolzenem Gestein. Sie schien sich nur langsam zu bewegen, aber Mike wusste, wie sehr dieser Eindruck täuschte. Wenn die Lava erst einmal mit ganzer Kraft aus dem Krater herausbrach, würde sie rasch schneller werden und schließlich mit einem Tempo von zwei-oder dreihundert Kilometern zu Tal rasen.

Es wurde immer dunkler und der Lärm nahm immer noch weiter zu, auch wenn Mike das noch vor wenigen Sekunden für unmöglich gehalten hätte. Der Himmel bezog sich so schnell mit schwarzen, brodelnden Wolken, als hätte jemand die Sonne abgeschaltet. Das einzige Licht kam von dem Flammen speienden Höllenschlund hinter ihnen, sodass Mike schon nach Sekunden das Gefühl hatte, sich durch einen Albtraum zu bewegen, in dem es nichts als vollkommene Schwärze, aufloderndes grelles Licht und grotesk verzerrte, hüpfende Schatten gab. Glutflüssige, bizarr geformte Finger aus Lava brodelten aus dem zerborstenen Kraterrand und der Boden, über den sie sich bewegten, wurde immer heißer. An einigen Stellen brach der Felsen auf und kochend heißer Dampf oder rot glühendes Gestein spritzten heraus. Mike spürte, wie der vermeintlich so massive Fels unter seinen Schritten zu knirschen begann und dann zerbrach wie eine Eierschale! Ein fast metergroßes Stück des Bodens löste sich in zahllose Bruchstücke auf und darunter kam ein Strom rot glühender, zähflüssiger Lava zum Vorschein. Mike schrie vor Schreck und Schmerz laut auf, warf sich verzweifelt nach vorne und prallte mit Gesicht und Händen auf glühend heißen Stein. Für eine endlose, grauenhafte Zehntelsekunde schwebten seine Füße nur Zentimeter über dem brodelnden Lavastrom.

Im buchstäblich allerletzten Moment beugte sich Serena zu ihm herab, krallte die linke Hand in seine Schulter und die rechte in sein Haar und riss ihn mit solcher Kraft in die Höhe, dass er erneut vor Schmerz schrie, gleichzeitig aber auch auf die Füße stolperte. Sein rechter Schuh brannte. Mike raste weiter, so schnell er konnte, stampfte mit aller Kraft mit dem Fuß auf und schaffte es irgendwie, die Flammen zu ersticken, ehe sie seine Haut erreichen und ihn wirklich verletzen konnten.

Und dann war ihre Flucht vorbei. Sie hatten den Fuß des Berges erreicht und unter ihnen lag nichts mehr als ein zehn Meter tiefer, senkrechter Abgrund und das tobende Meer, das an den Klippen zu weißer Gischt auseinander spritzte. Ein Sprung dort hinunter wäre Selbstmord.

Aber welche Wahl hatten sie schon? Mike sah noch einmal zum Krater hinauf und erkannte, dass genau in diesem Moment das geschah, was er schon die ganze Zeit über befürchtet hatte: Der Kraterrand brach endgültig auseinander und eine gewaltige

Springflut aus fast weißer Lava ergoss sich über die Flanke des Berges. »Springt!«, schrie Mike.