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Aber nicht anders geht es in der Welt, das, was man eifrig verfolgt, erreicht man am letzten, das, was man nicht zu erreichen strebt, kommt von selbst herbei. Der Zufall ist ein neckischer und neckender Spukgeist!

Genug, der Baron hatte beschlossen, hauptsächlich Amalias halber Berlin vorderhand nicht zu verlassen, und fand es daher nötig, die »Sonne« mit einer bequemern Wohnung zu vertauschen.

Als er nun die Stadt durchwanderte, fiel ihm über der Türe des schönen großen Hauses in der Friedrichssstraße Nr. - ein großer Zettel mit der Inschrift ins Auge: »Hier sind möblierte Zimmer zu vermieten!«

Der Baron stieg ohne weiteres die Treppe herauf. Vergebens sucht er eine Klingelschnur, und mochte er an diese, jene Türe im Vorsaal klopfen, wie er wollte, alles blieb mäuschenstill. Endlich war's ihm, als höre er von innen heraus ein seltsames Plappern und Schwatzen. Er drückte die Türe des Gemachs, aus dem der Ton zu kommen schien, auf und befand sich in einem mit auserlesenem Geschmack und großer Pracht ausstaffierten Zimmer. Vorzüglich merkwürdig schien ihm das große Bett mit reicher seidener Draperie, Blumengewinden und vergoldetem Schnitzwerk, das in der Mitte stand.

 »Lagos pipèrin étrive, kakon tys kefalis tu!«

So rief es dem Baron mit schnatternder Stimme entgegen, ohne daß er irgend jemanden gewahrte. Er schaute um sich und - o Himmel! - auf einem zierlichen Pfeilertisch lag die verhängnisvolle Brieftasche! Er sprang hinzu, wollte sich des ihm geraubten Kleinods bemächtigen, da schrie es ihm in die Ohren:

 »O diavolos jidia den yche, ke tyri epoulie.

Entsetzt prallte er zurück! - Aber in dem Augenblick vernahm er leise Seufzer, die offenbar aus dem großen Bette kamen. Sie ist es! - Sie ist es! so dachte er, und das Blut stockte ihm in den Adern vor Wonne und süßer Ahnung. - Er näherte sich bebend, erblickte durch eine Spalte der Gardine eine Spitzenhaube mit bunten Bändern. »Mut - Mut« , flüsterte er sich zu, faßte die Gardine, zog sie zurück. - Da fuhr aus den Kissen mit einem gellenden Schrei in die Höhe - jener wunderliche kleine Alte, dem er mit der Dame begegnet. Er war es, der die weibliche Spitzenhaube auf dem Kopfe trug, und deshalb sah der Kleine so höchst possierlich aus, daß jeder andere, der weniger gespannt auf ein Liebesabenteuer, wie der Baron, in lautes Lachen ausgebrochen wäre.

Der Alte glotzte den Baron an mit seinen großen schwarzen Augen und begann endlich mit leiser wimmernder Stimme: »Sind Sie es, Hochgeborner? - Ach Gott, Sie führen doch nicht etwa Böses im Schilde gegen mich, weil ich Sie neulich ausgelacht auf dem Pariser Platz, als Sie meinen muntren Jungen von Haarzopf in Schutz nehmen wollten? Starren Sie mich nicht so entsetzlich an - ich muß mich sonst fürchten.«

Der Baron schien nichts von dem, was der Alte sprach, zu vernehmen, denn ohne den stieren Blick von ihm abzuwenden, murmelte er dumpf vor sich hin: »König von Candia - König von Candia!« - Da lächelte der Alte sehr anmutig, setzte sich auf die Kissen und begann: »Ei, ei, bester Baron Theodor von S., sollten Sie auch von dem seltsamen Wahnsinn befangen sein, mich geringen Mann für den König von Candia zu halten? - Sollten Sie mich denn nicht kennen? - Sollten Sie denn nicht wissen, daß ich niemand anders bin als der Kanzleiassistent Schnüspelpold aus Brandenburg?«

 »Schnüspelpold?« wiederholte der Baron. - »Ja, so heiße ich« , fuhr der Kleine fort, »aber Kanzleiassistent in officio schon seit langen Jahren nicht mehr. Die verdammte Sucht zu reisen hat mich um Amt und Brot gebracht. Mein Vater - Gott habe ihn selig, er war ein Knopfmacher in Brandenburg - war auch solch ein Reisenarr und sprach so viel von der Türkei, wo er einmal gewesen, daß ich nicht länger ruhig sitzen konnte. Vielmehr stand ich eines Tages auf, ging über Genthin nach Tangermünde, setzte mich dort in einen Elbkahn und fuhr nach der Ottomanischen Pforte. Die wurde aber, als ich ankam, gerade zugeworfen, und da ich mit der rechten Hand hineingreifen wollte in die Türkei, quetschte mir die Pforte zwei Finger weg, wie Sie, Hochgeborner, hier an den wächsernen Fingern sehen können, die mir die abgequetschten ersetzen sollten. Da dieses schnöde Wachs aber immer wegschmolz beim Schreiben -«

 »Lassen Sie« , unterbrach der Baron den Alten, »lassen Sie das, und sagen Sie mir lieber alles von der fremden Dame, von dem Himmelsbilde, das ich mit Ihnen erblickte im Fuchsischen Laden. »

Der Baron erzählte nun, wie es gekommen mit dem Fund der Brieftasche, der Reise nach Griechenland, dem Traum in der »Sonne« , und schloß damit, den Alten zu beschwören, seiner Liebe nicht entgegen zu sein, da, seiner seltsamen Ausreden unerachtet, und wenn er auch nichts Höheres vorstellen wolle, als der Kanzleiassistent Schnüspelpold aus Brandenburg, er doch als Vater oder Oheim der holden Griechin über ihr Schicksal gebiete. »Ei« , sprach Schnüspelpold, vor Freude schmunzelnd, »ei, das ist mir ja über alle Maßen lieb, daß Sie vermöge der blauen Brieftasche in Liebe gekommen zu der griechischen Fürstin, deren Vormund ich zu sein die lästige Ehre habe. Das Oberlandesgericht auf Paphos hat mich dazu erkoren, weil sie keinen Menschen finden konnte, der gewisse geheime magische Eigenschaften - nun, nun, Schnüspelpoldchen, schwatze nicht aus der Schule! - still, still, mein Söhnlein! - Ich zweifle gar nicht, Hochgeborner, daß Sie bei meinem Mündel reüssieren werden! - Soviel kann ich ihnen sagen, daß sie einen jungen Prinzen, namens Teodoros Capitanaki sucht, den eigentlichen Finder der blauen Brieftasche, sind Sie denn nun auch derselbe nicht -« - »Was« , unterbrach der Baron den Alten, »was? ich sollte die Brieftasche nicht gefunden haben?« - »Nein« , erwiderte der Alte fest und stark, »Sie haben die Brieftasche nicht gefunden und sind überhaupt von allerlei tollen Einbildungen befangen.« - »Vergebens hängst du dich mir an die Füße, grober, bleischwerer König« , rief der Baron, aber die gellende Stimme schrie:

 »Allu ta kas karismata, kai allu genun y kotés.«

 »Still, still, kleiner Schreihals« , sprach der Alte sanft, und der graue Papagei hüpfte auf die oberste Sprosse seines Gestells. Dann wandte der Alte sich zum Baron und sprach ebenso sanft: »Sie heißen Theodor, Hochgeborner, und wer weiß, welche geheime Beziehungen noch stattfinden und Sie zu dem rechten Teodoros Capitanaki machen können. - Eigentlich kommt es nur auf eine Kleinigkeit an, wodurch Sie Herz und Hand meiner fürstlichen Mündel auf der Stelle gewinnen können. Ich weiß, Sie haben hübsche Konnexionen im Departement der auswärtigen Affären. Können Sie es durch diese dahin bringen, daß der Großsultan die griechischen Inseln für einen Freistaat erklärt, so ist Ihr Glück gemacht! - Aber - was erblicke ich -«