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Als sich die Tür hinter dem Offizier aus Cairhien schloß, kam die Wirtin zu ihnen an den Tisch.

»Ich habe Eure Lady gut untergebracht, Eure Lordschaft. Und ich habe schöne Zimmer für Euch und Euren Mann und Euch, Freund Ogier, richten lassen.« Sie hielt inne und musterte Rand. »Verzeiht mir, falls ich zu weit gehe, Lord Rand, aber ich glaube, ich kann frei mit einem Lord sprechen, der seinen Mann ohne Aufforderung reden läßt. Falls ich mich täusche... Also, ich meine es nicht böse. Dreiundzwanzig Jahre lang haben Barin Madwen und ich uns gestritten, wenn wir uns nicht gerade küßten... Also, ich will damit sagen, daß ich einige Erfahrung besitze. Im Moment glaubt Ihr wahrscheinlich, Eure Lady wolle Euch nie wieder sehen, aber aus Erfahrung bin ich der Meinung, wenn Ihr heute nacht an ihre Tür klopft, dann wird sie Euch einlassen. Lächelt und sagt ihr, es sei alles Eure Schuld gewesen, gleichgültig, ob es stimmte oder nicht.«

Rand räusperte sich und hoffte, daß sein Gesicht nicht rot anlief. Licht, Egwene brächte mich um, wenn sie wüßte, daß ich auch nur an so etwas gedacht habe. Und Selene brächte mich um, wenn ich es täte. Oder? Der Gedanke rötete ihm die Wangen. »Ich... danke Euch für Eure Anregung, Frau Madwen. Die Zimmer... « Er vermied es, die mit einer Decke bedeckte Truhe neben Loials Stuhl anzusehen. Sie wagten es nicht, sie einfach ohne Bewachung stehen zu lassen. »Wir drei schlafen alle im gleichen Zimmer.«

Die Wirtin wirkte überrascht, fing sich aber gleich wieder. »Wie Ihr wünscht, Eure Lordschaft. Hier hinauf, bitte.«

Rand folgte ihr die Treppe hinauf. Loial trug die Truhe mit der Decke. Die Treppe knarrte unter der Last doch die Wirtin schien zu glauben, es liege nur an dem Gewicht des Ogiers. Hurin trug immer noch alle Satteltaschen und den zum Bündel verschnürten Umhang mit Harfe und Flöte. Frau Madwen ließ ein drittes Bett hereinbringen, zusammenbauen und beziehen. Eines der beiden bereits vorhandenen Betten erstreckte sich von Wand zu Wand. Das war ganz offensichtlich für Loial vorgesehen gewesen. Es war kaum Platz genug, um sich zwischen den Betten zu bewegen. Sobald die Wirtin gegangen war, wandte sich Rand an die anderen. Loial hatte die Truhe unter sein Bett geschoben und probierte die Matratze aus. Hurin lehnte die Satteltaschen an die Wand. »Weiß einer von euch, warum der Hauptmann uns so mißtrauisch behandelt hat? Das hat er doch, da bin ich sicher.« Er schüttelte den Kopf. »So, wie er geredet hat, könnte man fast glauben, wir wollten diese Statue stehlen.«

»Daes Dae'mar, Lord Rand«, sagte Hurin. »Das Große Spiel. Das Spiel der Häuser wird es von manchen genannt. Dieser Caldevwin glaubt, Ihr führtet irgend etwas im Schilde, sonst wärt Ihr nicht hier. Und was immer Ihr vorhabt: Es könnte zu seinem Nachteil gereichen, also muß er vorsichtig taktieren.«

Rand schüttelte den Kopf. »Das Große Spiel? Was für ein Spiel?«

»Es ist überhaupt kein Spiel, Rand«, sagte Loial von seinem Bett her. Er hatte ein Buch aus der Tasche gezogen; es lag jedoch ungeöffnet auf seiner Brust. »Ich weiß nicht viel darüber — Ogier tun so etwas nicht —, aber ich habe davon gehört. Die Adligen und die adligen Familien, die Häuser, intrigieren, um sich Vorteile zu verschaffen. Sie tun Dinge, die ihnen vermeintlich helfen oder einem Gegner schaden — oder beides. Normalerweise läuft das alles geheim ab, und wenn nicht, tun sie so, als wollten sie etwas ganz anderes als in Wirklichkeit.« Er kratzte sich fragend ein behaartes Ohr. »Aber obwohl ich weiß, was es ist, verstehe ich es nicht. Der Älteste Haman hat immer gesagt, es sei ein größerer Verstand nötig, um die Dinge zu verstehen, die Menschen so anstellen, na ja, und ich kenne nicht viele, die so klug sind wie der Älteste Haman. Ihr Menschen seid schon eigenartig.«

Hurin sah den Ogier prüfend an, sagte aber: »Er hat recht in bezug auf Daes Dae'mar, Lord Rand. Die Adligen in Cairhien spielen das noch häufiger als andere, obwohl das überall im Süden verbreitet ist.«

»Diese Soldaten morgen früh«, sagte Rand, »sind sie ein Teil von Caldevwins Strategie, das Große Spiel mitzuspielen? Wir können es uns nicht leisten, in so etwas verwickelt zu werden.« Das Horn mußte er gar nicht erst erwähnen. Sie alle waren sich seiner Gegenwart nur zu bewußt.

Loial schüttelte den Kopf. »Ich weiß nicht, Rand. Er ist ein Mensch, also kann es alles mögliche bedeuten.« »Hurin?«

»Ich weiß es auch nicht.« Hurin klang genauso besorgt, wie Loial aussah. »Es kann sein, daß er genau das meint, was er sagt, oder... So ist das Spiel der Häuser. Man weiß nie genau Bescheid. Ich verbrachte die meiste Zeit in Vortor, als ich in Cairhien lebte, Lord Rand, und weiß deshalb nicht viel über den Adel der Stadt, aber... Na ja, Daes Dae'mar kann überall gefährlich sein, und ganz besonders in Cairhien, wie ich hörte.« Plötzlich hellte sich seine Miene auf. »Die Lady Selene, Lord Rand. Sie wird es besser wissen als ich oder der Erbauer. Ihr könnt sie morgen früh danach fragen.«

Aber am Morgen war Selene fort. Als Rand in den Schankraum hinunterging, händigte ihm Frau Madwen einen versiegelten Umschlag aus. »Vergebt mir, Eure Lordschaft, doch Ihr hättet besser auf mich gehört. Ihr hättet doch an die Tür Eurer Lady klopfen sollen.«

Rand wartete, bis sie weg war, dann zerbrach er das weiße Wachssiegel. In das Wachs war eine Mondsichel mit Sternen eingedrückt.

Ich muß Euch für eine Weile verlassen. Es gibt hier zuviele Leute, und mir gefällt dieser Caldevwin nicht. Ich werde in Cairhien auf Euch warten.

Glaubt niemals, daß ich Euch fern sei. Ihr werdet immer in meinen Gedanken sein, so wie ich in Euren —das weiß ich.

Es war nicht unterschrieben, aber diese elegante fließende Schrift sah ganz nach Selene aus.

Er faltete den Brief sorgfältig zusammen und steckte ihn in die Tasche, bevor er nach draußen ging, wo Hurin mit den Pferden wartete.

Hauptmann Caldevwin war auch da. Er hatte einen jüngeren Offizier dabei, und fünfzig berittene Soldaten drängten sich auf der Straße. Die beiden Offiziere trugen keine Kopfbedeckung, wohl aber stahlbewehrte Handschuhe, und sie hatten goldverzierte Brustpanzer über ihre blauen Mäntel geschnallt. Ein kurzer Stab war auf dem Rücken jedes Offiziers an der Rüstung befestigt, so daß ein kleiner steifer Flaggenwimpel über seinem Kopf hing. Caldevwins Flagge zeigte einen einzelnen weißen Stern, während auf dem Wimpel des jüngeren Offiziers zwei gekreuzte weiße Balken zu sehen waren. Sie bildeten einen harten Kontrast zu den Soldaten in ihren einfachen Rüstungen und Helmen, die wie Glocken aussahen, bei denen man ein Stück Metall herausgeschnitten hatte, damit sie sehen konnten.

Caldevwin verbeugte sich, als Rand aus der Schenke trat. »Einen guten Morgen, Lord Rand. Darf ich Euch Elricain Tavolin vorstellen, der Eure Eskorte befehligt, falls ich so sagen darf?« Der andere Offizier verbeugte sich. Sein Kopf war vorn kahlgeschoren wie der von Caldevwin. Er schwieg.

»Uns ist eine Eskorte willkommen, Hauptmann«, sagte Rand und brachte es fertig, dabei ganz entspannt zu wirken. Fain würde nichts gegen fünfzig Soldaten unternehmen, aber Rand hoffte, daß sie wirklich nur als Eskorte gedacht waren.

Der Hauptmann musterte Loial, der mit der verdeckten Truhe auf dem Weg zu seinem Pferd war. »Eine schwere Last, Ogier.«

Loial wäre beinahe gestolpert. »Ich möchte nie von meinen Büchern getrennt sein, Hauptmann.« Die Zähne in seinem breiten Mund blitzten auf, als er verlegen grinste, und er beeilte sich damit, die Truhe auf den Sattel zu schnallen.