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Nynaeve schüttelte den Kopf. Es klang einerseits danach, als sei zuviel in diesen Schwur eingebaut, aber andererseits auch wieder zu wenig. Sie sagte das auch ganz deutlich.

»Einst verlangte man von den Aes Sedai nicht, daß sie einen Eid schwören mußten. Es war bekannt, was Aes Sedai waren und wofür sie standen, und das reichte vollauf. Viele von uns wünschen sich, es wäre noch genauso. Aber das Rad dreht sich, und die Zeiten ändern sich. Die Tatsache, daß wir diese Eide ablegen und daran gebunden sind, erlaubt den Staaten, Beziehungen zu uns zu unterhalten, ohne fürchten zu müssen, daß wir unsere Macht, die Eine Macht, gegen sie einsetzen. Wir entschieden uns zwischen den Trolloc-Kriegen und dem Hundertjährigen Krieg für diesen Weg, und nur deshalb steht die Weiße Burg noch immer, und wir sind noch immer in der Lage, alles in unserer Macht Stehende gegen den Schatten zu unternehmen.« Sheriam holte tief Luft. »Licht, Kind, ich versuche, Euch Dinge beizubringen, die jede andere Frau an Eurer Stelle im Verlauf von Jahren gelernt hätte. Das ist einfach nicht möglich. Was jetzt für Euch am wichtigsten ist, das ist der TerAngreal. Wir wissen nicht, warum sie angefertigt wurden. Wir wagen es lediglich, eine Handvoll von ihnen zu benützen, und die Methoden, die wir anzuwenden wagen, entsprechen vielleicht überhaupt nicht den Zwecken ihrer Hersteller. Die meisten dieser Zwecke haben wir zu einem hohen Preis vermeiden gelernt. Das zu lernen, hat im Laufe der Jahre viele Aes Sedai das Leben gekostet, und bei anderen brannten die Fähigkeiten vollständig aus.«

Nynaeve schauderte. »Und Ihr wollt, daß ich da hineingehe?« Das Flackern des Lichts innerhalb der Bogen hatte jetzt nachgelassen, aber sie konnte das Innere nach wie vor nicht erkennen.

»Wir wissen, was dort drinnen geschieht. Ihr werdet von Angesicht zu Angesicht Euren größten Ängsten gegenüberstehen.« Sheriam lächelte süß. »Niemand wird Euch fragen, was Ihr gesehen habt; Ihr müßt nicht mehr sagen, als Ihr wollt. Die Ängste einer Frau gehören nur ihr selbst.«

Nynaeve dachte kurz an ihre Angst vor Spinnen, besonders im Dunklen, aber sie glaubte nicht, daß Sheriam von solchen Ängsten sprach. »Ich gehe einfach durch einen Torbogen und komme in einem anderen wieder heraus? Dreimal hindurch und dann ist es geschafft?«

Die Aes Sedai zuckte mit der Schulter, damit ihre Stola wieder in die richtige Lage kam. »Falls Ihr es so kurz und bündig ausdrücken wollt, dann ja«, sagte sie trocken. »Ich sagte Euch auf dem Weg hierher bereits alles, was Ihr über die Zeremonie wissen müßt, also das, was jede Frau vorher erfahren darf. Wenn Ihr eine Novizin wärt, die vor dieser Aufgabe stünde, wüßtet Ihr alles auswendig, aber macht Euch trotzdem keine Gedanken über mögliche Fehler. Wenn nötig, sage ich es Euch vor. Seid Ihr auch bestimmt bereit, dies auf Euch zu nehmen? Wenn Ihr jetzt lieber aufgeben wollt, kann ich Euren Namen noch immer ins Register der Novizinnen eintragen.« »Nein!«

»Also gut. Ich werde Euch jetzt zwei Dinge erklären, die keine Frau hört, bevor sie sich in diesem Raum befindet. Das erste ist folgendes: Wenn Ihr diese Prüfung beginnt, müßt Ihr sie auch bis zum Ende durchstehen. Weigert Ihr Euch, weiterzugehen, dann werdet Ihr — ganz gleich, wie groß Euer Potential auch sein mag —freundlich aus der Burg gewiesen, bekommt genug Silber, um Euch ein Jahr lang zu versorgen, und dürft nie mehr zurückkehren.« Nynaeve öffnete den Mund, um zu sagen, daß sie nicht aufgeben werde, doch Sheriam schnitt ihr mit einer abrupten Geste das Wort ab. »Hört zu und sprecht nur dann, wenn Ihr wißt, was Ihr sagen müßt. Zweitens: Zu suchen und nach etwas zu streben, heißt auch, sich in Gefahr begeben. Hier wird Euch die Gefahr begegnen. Einige Frauen sind hineingegangen und nie wieder herausgekommen. Als man dem TerAngreal gestattete, sich zu beruhigen, waren sie einfach nicht mehr da. Und man hat sie nie mehr gesehen. Wenn Ihr überleben wollt, müßt Ihr standhaft bleiben. Zweifelt, versagt, und... « Ihr Schweigen sagte mehr als Worte. »Das ist jetzt Eure letzte Gelegenheit, Kind. Ihr könnt jetzt, noch in diesem Moment, umkehren, und ich werde Euren Namen in das Register der Novizinnen eintragen, und es wird nur eine einzige negative Eintragung für Euch geben. Zwei weitere Male wird man Euch gestatten, hierherzukommen, und erst beim dritten Verweigern werdet Ihr aus der Burg gewiesen. Es ist keine Schande, die Prüfung abzubrechen. Viele tun das. Ich war selbst nicht in der Lage, hineinzugehen, als ich zum erstenmal hier war. Jetzt könnt Ihr Euch äußern.«

Nynaeve sah die silbernen Torbogen aus den Augenwinkeln an. Das Licht darin flackerte nicht mehr; das Innere war von einem weichen weißen Glühen erfüllt. Um zu lernen, was sie lernen wollte, mußte sie die Freiheiten einer Aufgenommenen besitzen: in Frage zu stellen, selbständig zu studieren und nicht mehr Anleitung zu erhalten, als sie wünschte. Moiraine muß dafür bezahlen, was sie uns angetan hat. Ich muß. »Ich bin bereit.«

Sheriam ging langsam in den Raum hinein. Nynaeve schritt neben ihr her.

Als sei dies ein Signal, sprach die Rote Schwester mit lauter Stimme in feierlichem Singsangton: »Wen bringst du mit, Schwester?« Die drei Aes Sedai am TerAngreal konzentrierten ihre Aufmerksamkeit weiterhin auf das Gebilde.

»Eine, die als Kandidatin kommt, um aufgenommen zu werden, Schwester«, antwortete Sheriam genauso feierlich.

»Ist sie bereit?«

»Sie ist bereit, hinter sich zurückzulassen, was sie war, ihre Ängste zu bezwingen und aufgenommen zu werden.« »Kennt sie ihre Ängste?«

»Sie hat ihnen noch nie gegenübergestanden, aber nun ist sie willens dazu.«

»Dann laßt sie dem gegenübertreten, was sie fürchtet.«

Sheriam blieb zwei Spannen weit vor den Bogen stehen, und Nynaeve blieb ebenfalls stehen. »Euer Kleid«, flüsterte Sheriam, ohne sie anzusehen.

Nynaeve lief rot an, weil sie bereits vergessen hatte, was ihr Sheriam auf dem Weg von ihrem Zimmer herunter gesagt hatte. Schnell zog sie ihre Kleider, Schuhe und Strümpfe aus. Einen Augenblick lang vergaß sie beinahe die Torbogen, während sie damit beschäftigt war, ihre Kleidung zu falten und sauber wegzulegen. Sie steckte Lans Ring sorgfältig unter ihr Kleid, denn sie wollte nicht, daß er angestarrt wurde. Dann war sie fertig, und der TerAngreal war immer noch da und wartete auf sie.

Der Steinboden unter ihren bloßen Füßen war kalt, und sie bekam eine Gänsehaut am ganzen Körper, doch sie stand aufrecht und atmete ruhig. Sie wollte niemandem zeigen, daß sie Angst hatte.

»Das erste Mal steht für das, was war«, sagte Sheriam. »Der Weg zurück erscheint nur ein einziges Mal. Seid standhaft.«

Nynaeve zögerte. Dann trat sie vor, ging durch den Bogen hindurch und in das Glühen hinein. Es umgab sie, als glühe die Luft selbst, als ertrinke sie im Licht. Das Licht war überall. Das Licht war alles.

Nynaeve fuhr zusammen, als ihr klar wurde, daß sie nackt war, und dann sah sie sich erstaunt um. Auf beiden Seiten befand sich eine Steinmauer, zweimal so hoch wie sie und glattgeschliffen. Ihre Zehen wühlten im Staub eines unebenen Pflasters. Der Himmel über ihr schien bleiern und ohne Tiefe, trotz des Fehlens aller Wolken, und die Sonne hing aufgebläht und rot über ihr. Nach beiden Seiten zu entdeckte sie Durchgänge in den Mauern, die durch kurze quadratische Säulen markiert waren. Obwohl die Mauern ihr Gesichtsfeld einengten, sah sie, daß der Boden sich von ihrem Standpunkt aus sowohl nach vorn wie auch nach hinten senkte. Durch die Durchgänge erblickte sie weitere dicke Mauern und dazwischen Wege. Sie befand sich in einem gigantischen Labyrinth.