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»Ich muß zurück.« Verzweifelt sah sie sich nach dem Bogen um, fand aber nur die Wiese und den Himmel. Härter als Stahl und tödlicher als Gift. Lan. Lans Kinder. Licht, hilf mir doch! »Ich muß jetzt zurück.«

»Zurück? Wohin? Nach Emondsfeld? Wenn du das wünscht. Ich schicke Morgase einen Brief und bestimme eine Eskorte.«

»Allein«, murmelte sie und suchte immer noch in ihrem Inneren. Wo ist es? Ich muß weg. »Ich lasse mich nicht darin verwickeln. Ich könnte es nicht ertragen. Nicht das hier. Ich muß jetzt weg!«

»Worin verwickeln, Nynaeve? Was könntest du nicht ertragen? Nein, Nynaeve. Hier kannst du allein umherreiten, wann immer du willst, aber wenn die Königin von Malkier ohne die ihr zustehende Eskorte nach Andor käme, wäre Morgase entsetzt, vielleicht sogar beleidigt. Du willst sie doch nicht beleidigen, oder? Ich dachte, ihr zwei seid Freundinnen.«

Nynaeve fühlte sich, als habe man sie ein ums andere Mal auf den Kopf geschlagen. »Königin?« fragte sie zögernd. »Und wir haben Kinder?«

»Bist du ganz sicher, daß es dir gutgeht? Ich glaube, ich sollte dich lieber zu Sharina Sedai bringen.«

»Nein.« Sie zog sich wieder vor ihm zurück. »Keine Aes Sedai.« Das ist nicht wirklich. Ich werde mich diesmal nicht hineinziehen lassen. Auf keinen Fall!

»Also gut«, sagte er bedächtig. »Als meine Frau — wie könntest du da nicht auch gleichzeitig Königin sein? Wir sind hier alle Malkieri und keine Ausländer. Du wurdest in den Sieben Türmen zur gleichen Zeit gekrönt, als wir die Ringe tauschten.« Unbewußt bewegte er die linke Hand. An seinem Zeigefinger steckte ein einfacher goldener Ring. Sie blickte auf ihre eigene Hand hinunter, auf den Ring, den sie kannte. Sie legte ihre andere Hand darüber, aber ob sie seine Existenz verleugnen könne. »Erinnerst du dich jetzt wieder?« fuhr er fort. Er streckte seine Hand aus, als wolle er ihre Wange streicheln, doch sie trat nochmals sechs Schritt zurück. Er seufzte. »Wie du wünschst, Liebling. Wir haben drei Kinder, wenn auch nur eines davon noch ein Säugling ist. Maric geht dir schon bis an die Schulter und kann sich nicht entscheiden, ob ihm Pferde oder Bücher besser gefallen. Elnore hat damit angefangen, auszuprobieren, wie man den Jungen am besten den Kopf verdreht, wenn sie nicht gerade Sharina löchert, wann sie endlich alt genug sei, zur Weißen Burg zu gehen.«

»Elnore war der Name meiner Mutter«, sagte sie leise.

»Das sagtest du, als du den Namen wähltest. Nynaeve... «

»Nein. Ich lasse mich diesmal nicht hineinziehen. Diesmal nicht. Auf keinen Fall!« Jenseits von ihm, zwischen den Bäumen neben der Wiese, sah sie den silbernen Torbogen. Vorher hatten ihn die Bäume verborgen. Der Weg zurück erscheint nur ein einziges Mal. Sie wandte sich dorthin. »Ich muß gehen.« Er ergriff ihre Hand, und es war ihr, als hätten ihre Füße im Stein Wurzeln geschlagen. Sie hatte nicht die Kraft, sich ihm zu entziehen.

»Ich weiß nicht, was dich so bewegt, meine liebe Frau, aber was es auch sein mag: Sag es mir, und ich werde es richten. Ich weiß, daß ich vielleicht nicht der beste aller Ehemänner bin. Als ich dich fand, war ich ein ziemlich eckiger Typ, aber du hast zumindest einige meiner Kanten abgeschliffen.«

»Du bist der beste aller Ehemänner«, murmelte sie. Zu ihrem Schrecken wurde ihr bewußt, daß sie sich an ihn als ihren Mann erinnerte, an Lachen und Weinen, an Krach und süße Versöhnung. Es waren schwache Erinnerungen, aber sie fühlte, wie sie stärker und wärmer wurden. »Ich kann nicht.« Dort drüben stand der Bogen, nur wenige Schritte entfernt. Der Weg zurück erscheint nur ein einziges Mal. Seid standhaft.

»Ich weiß nicht, was geschieht, Nynaeve, aber ich habe das Gefühl, ich verliere dich. Das könnte ich nicht ertragen.« Er legte eine Hand auf ihr Haar. Sie schloß die Augen und drückte ihre Wange an seine Handfläche. »Bleib immer bei mir!«

»Ich möchte bleiben«, sagte sie leise. »Ich möchte bei dir bleiben.« Als sie die Augen öffnete, war der Torbogen weg... Nur ein einziges Mal. »Nein. Nein!«

Lan drehte ihr Gesicht dem seinen zu. »Was ist mit dir? Du mußt es mir sagen, wenn ich helfen soll.«

»Das ist alles nicht wirklich.«

»Nicht wirklich? Bevor ich dich traf, glaubte ich, bis auf mein Schwert sei nichts real. Sieh dich um, Nynaeve.

Es ist Wirklichkeit. Was auch immer du als real betrachten möchtest, das wird für uns beide real sein.«

Staunend blickte sie sich um. Die Wiese lag immer noch um sie herum. Die Sieben Türme erhoben sich immer noch über den Tausend Seen. Der Bogen war weg, aber sonst hatte sich nichts geändert. Ich könnte hierbleiben. Bei Lan. Nichts hat sich geändert. Ihre Gedanken wirbelten. Nichts hat sich geändert. Egwene ist allein in der Weißen Burg. Rand wird die Macht benutzen und dem Wahn verfallen. Und was ist mit Mat und Perrin? Können sie ein Stück ihres Lebens festhalten und weitermachen? Und Moiraine, die unser Leben so zerrissen hat, ist immer noch frei. »Ich muß zurück«, flüsterte sie. Unfähig, den Schmerz in seinem Gesichtsausdruck zu ertragen, riß sie sich von ihm los. Entschlossen formte sie eine Knospe im Geist, eine weiße Knospe an einem Schlehenzweig. Sie machte die Dornen scharf und gefährlich und wünschte, sie sollten ihre Haut durchbohrten. Dabei fühlte sie sich als habe sie bereits mitten im Schlehengebüsch gehangen. Sheriam Sedais Stimme tanzte gerade außerhalb ihrer Hörweite und sagte ihr, es sei gefährlich, die Eine Macht zu gebrauchen. Die Knospe öffnete sich, und Saidar erfüllte sie mit Licht.

»Nynaeve, sag mir doch, was los ist!«

Lans Stimme schnitt in ihre Konzentration. Sie weigerte sich, darauf zu hören. Der Weg zurück mußte immer noch existieren. Sie starrte auf den Fleck, wo sich der silberne Bogen befunden hatte. Nichts.

»Nynaeve... «

Sie versuchte, sich den Bogen vorzustellen, ihn bis in die kleinste Einzelheit in ihrem Geist neu zu formen, diesen Bogen schimmernden Metalls, der mit einem Glühen wie von brennendem Schnee erfüllt war. Es schien ihr, als verschwimme etwas vor ihr, sei zuerst zwischen den Bäumen und ihr selbst vorhanden, dann wieder nicht, dann doch wieder. »... ich liebe dich... «

Sie zog Energie aus Saidar, trank den Strom der Einen Macht, bis sie glaubte, sie müsse platzen. Das Leuchten erfüllte sie, strahlte von ihr aus, schmerzte in ihren Augen. Die Hitze wollte sie verschlingen. Der flackernde Bogen bildete sich und wurde realer, stand schließlich ganz vor ihr. Feuer und Schmerz schienen sie zu erfüllen. Ihre Knochen brannten; ihr Schädel war ein tobender Hochofen.

»... von ganzem Herzen.«

Sie rannte auf die silberne Krümmung zu und gestattete sich keinen Blick zurück. Sie war so sicher gewesen, das Bitterste, was sie je hören könne, sei der Hilfeschrei Marin al'Veres gewesen, als Nynaeve sie im Stich ließ, doch das war Honig gegenüber dem Klang von Lans gequälter Stimme, die sie verfolgte. »Nynaeve, bitte verlaß mich nicht!«

Das weiße Glühen verschlang sie.

Nackt taumelte Nynaeve durch den Bogen und fiel auf die Knie. Ihr Mund hing offen, sie schluchzte, und Tränen strömten ihr über die Wangen. Sheriam kniete neben ihr nieder. Sie funkelte die rothaarige Aes Sedai an. »Ich hasse Euch!« brachte sie zornig heraus, wobei sie nach Luft schnappen mußte. »Ich hasse alle Aes Sedai!«

Sheriam seufzte leicht und zog Nynaeve auf die Beine. »Kind, beinahe jede Frau, die das durchmacht, sagt dasselbe. Es ist mehr als schwer, den eigenen Ängsten zu begegnen. Was ist denn das?« fragte sie in scharfem Ton und drehte Nynaeves Hände um, so daß die Handflächen nach oben zeigten.

Nynaeves Hände zitterte in einem plötzlichen Aufwallen von Schmerz, den sie zuvor nicht gefühlt hatte. Genau durch die Mitte der Handflächen beider Hände war jeweils ein langer schwarzer Dorn getrieben. Sheriam zog sie vorsichtig heraus. Nynaeve fühlte die kühle Heilkraft der Berührung der Aes Sedai. Als die Dornen draußen waren, hinterließen sie jeweils nur eine kleine Narbe in der Handfläche und auf dem Handrücken.