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Rand schwieg einen Augenblick lang. Narr! Natürlich gibt es keinen Ausweg. Du wirst verrückt und stirbst, gleich, was du anstellst. Aber Ba'alzamon sagte — »Nein!« Unter Thoms forschendem Blick lief er rot an. »Ich meine... ich habe nichts mehr damit zu tun, Thom. Aber ich habe immer noch das Horn von Valere. Stellt Euch vor, Thom: das Horn von Valere! Andere Gaukler erzählen vielleicht Geschichten darüber, aber Ihr könntet sagen, Ihr hättet es selbst in Händen gehalten!« Ihm wurde bewußt, daß er schon wie Selene redete, aber das brachte ihn nur dazu, sich zu fragen, wo sie wohl stecken mochte. »Es gibt niemanden, den ich lieber dabei hätte als Euch, Thom!«

Thom runzelte die Stirn, als überlege er angestrengt, aber schließlich schüttelte er entschieden den Kopf. »Junge, ich kann dich gut genug leiden, aber du weißt genausogut wie ich, daß ich euch vorher nur half, weil eine Aes Sedai in die Sache verwickelt war. Seaghan versucht mich nicht mehr zu betrügen, als ich es erwarte, und wenn man noch des Königs Präsent dazu rechnet, könnte ich auf den Dörfern niemals genausoviel verdienen. Zu meiner großen Überraschung scheint Dena mich zu lieben, und — genauso überraschend für mich —erwidere ich das Gefühl. Warum sollte ich also all das aufgeben, um mich statt dessen von Trollocs und Schattenfreunden jagen zu lassen? Das Horn von Valere? O ja, es ist schon eine Versuchung, das gebe ich zu. Aber nein. Nein, ich will nicht wieder in solche Dinge verwickelt werden.«

Er beugte sich vor und nahm einen der hölzernen Instrumentenbehälter, einen langen, schmalen, in die Hand. Als er ihn öffnete, lag eine Flöte darin, einfach gearbeitet, doch mit Silber verziert. Er schloß den Behälter wieder und schob ihn über den Tisch. »Du brauchst sie vielleicht eines Tages wieder, um dir dein Essen zu verdienen, Junge.«

»Das kann schon sein«, sagte Rand. »Wenigstens können wir miteinander sprechen. Ich werde in... «

Der Gaukler schüttelte den Kopf. »Eine klare Trennung ist am besten, Junge. Wenn du herumkommst, brauchst du es gar nicht zu erwähnen, ich habe trotzdem immer das Horn im Kopf. Aber ich will nichts damit zu tun haben. Absolut nichts!«

Nachdem Rand gegangen war, warf Thom seinen Umhang auf das Bett und setzte sich an den Tisch, die Ellenbogen auf die Tischfläche gestützt. Das Horn von Valere. Wie konnte dieser Bauernjunge das finden...? Er brach diesen Gedankengang ab. Zu lange über das Horn nachzudenken könnte bedeuten, daß er mit Rand wegrannte, um es nach Schienar zu bringen. Das gäbe eine Geschichte: das Horn von Valere, verfolgt von Trollocs und Schattenfreunden, in die Grenzlande bringen. Kopfschüttelnd erinnerte er sich Denas. Und selbst wenn sie ihn nicht geliebt hätte, konnte man doch ein solches Talent nicht alle Tage finden. Und sie liebte ihn tatsächlich, wenn er sich auch nicht vorstellen konnte, warum. »Alter Narr«, murmelte er.

»Ja, ein alter Narr«, sagte Zera von der Tür her. Er fuhr zusammen. Er war so in Gedanken versunken gewesen, daß er nicht gehört hatte, wie sich die Tür öffnete. Er kannte Zera seit Jahren, hatte sie zwischen seinen Reisen immer wieder getroffen, und sie nutzte ihre Freundschaft dazu, ihm immer wieder die Meinung zu sagen. »Ein alter Narr, der schon wieder das Spiel der Häuser spielt. Wenn mich mein Gehör nicht täuscht, spricht dieser junge Lord mit dem Akzent von Andor. Auf jeden Fall kommt er nicht aus Cairhien. Daes Dae'mar ist gefährlich genug, auch ohne sich in die Intrigen eines ausländischen Lords verwickeln zu lassen.«

Thom blinzelte überrascht, aber dann überlegte er, wie Rand wohl auf die anderen gewirkt haben mochte. Der Mantel war sicher fein genug gewesen für einen Lord. Er wurde langsam alt, wenn er solche Einzelheiten nicht mehr wahrnahm. Mit schlechtem Gewissen wurde ihm bewußt, daß er sich überlegt hatte, ob er Zera die Wahrheit sagen oder sie lieber bei ihrer vorgefaßten Meinung lassen sollte. Es ist nur notwendig, über das Große Spiel nachzudenken, und schon fange ich an, es zu spielen. »Der Junge ist Schäfer, Zera, und kommt von den Zwei Flüssen.«

Sie lachte höhnisch. »Und ich bin die Königin von Ghealdan. Ich sage dir, in den letzten paar Jahren ist das Spiel in Cairhien äußerst gefährlich geworden. Es ist nicht so harmlos, wie du es aus Caemlyn kennst. Jetzt wird dabei auch gemordet. Wenn du nicht aufpaßt, schneidet dir eines Tages jemand die Kehle durch.«

»Ich sage dir doch, ich spiele das Große Spiel längst nicht mehr. Das liegt alles zwanzig Jahre oder so zurück.«

»Ja.« Es klang nicht, als glaube sie ihm. »Aber was auch immer, abgesehen von jungen ausländischen Adligen hast du begonnen, in den Herrenhäusern der Lords aufzutreten.«

»Sie zahlen gut.«

»Und sie benützen dich für ihre Intrigen, sobald sie einen Weg dazu gefunden haben. Sie sehen einen Mann und überlegen, wie sie ihn benützen können. Das ist für sie genauso natürlich wie das Atmen. Dieser junge Lord wird dir nicht helfen können; sie werden ihn bei lebendigem Leibe rösten.«

Er gab es auf, sie davon überzeugen zu wollen, daß er nichts mehr damit zu tun habe. »Bist du deshalb heraufgekommen, Zera, um mir das zu sagen?«

»Ja. Hör auf, das Große Spiel mitzuspielen, Thom.

Heirate Dena. Sie nimmt dich, die Närrin, auch wenn du knochig bist und weiße Haare hast. Heirate sie, und vergiß diesen jungen Lord und Daes Dae'mar.«

»Danke für den guten Rat«, sagte er trocken. Sie heiraten? Sie mit einem alten Ehemann belasten? Sie wird niemals Bardin werden, wenn ihr meine Vergangenheit wie ein Bleigewicht am Hals hängt. »Wenn du nichts dagegen hast, Zera, möchte ich ein wenig allein sein. Ich werde heute nacht bei Lady Arilyn auftreten, um ihre Gäste zu unterhalten, und ich muß mich darauf vorbereiten.«

Sie schnaubte kurz, schüttelte den Kopf und knallte die Tür hinter sich zu.

Thom trommelte mit den Fingern auf die Tischfläche. Mantel oder nicht, Rand war immer noch Schafhirte. Wenn er mehr wäre, vielleicht das, was Thom einst vermutet hatte — ein Mann, der die Macht lenken konnte —, hätte weder Moiraine noch irgendeine andere Aes Sedai ihn ohne Dämpfung herumlaufen lassen. Horn oder nicht, der Junge war nur ein Schafhirte.

»Er hat nichts mehr damit zu tun«, sagte er laut, »und ich auch nicht.«

27

Schatten in der Nacht

»Ich verstehe das nicht«, sagte Loial. »Ich hatte die meiste Zeit über eine Gewinnsträhne. Und dann kam Dena und spielte mit — und sie gewann alles zurück. Jeden Wurf. Sie sprach von einer kleinen Lektion. Was hat sie damit gemeint?«

Rand und der Ogier schritten durch die Straßen von Vortor. Die Traube lag ein gutes Stück hinter ihnen. Die Sonne stand tief am westlichen Himmel. Die Hälfte der roten Kugel befand sich schon unterhalb des Horizonts, und die sichtbare Hälfte warf lange Schatten über sie. Die Straße war leer bis auf eine der großen Puppen, einen gehörnten Trolloc mit einem Schwert am Gürtel, der auf sie zukam. Fünf Männer hielten die Stangen. Aus anderen Teilen Vortors konnten sie immer noch den fröhlichen Lärm von Feiern hören. Dort standen die Festhallen und Tavernen. Hier waren die Türen bereits verrammelt und die Läden vor den Fenstern verriegelt.

Rand hörte auf, den hölzernen Flötenkasten zu streicheln, und hängte ihn sich wieder auf den Rücken. Ich konnte wohl kaum von ihm erwarten, daß er alles über Bord wirft und mit mir kommt, aber reden könnte er ja wenigstens mit mir. Licht, ich wünschte, Ingtar tauchte endlich auf. Er steckte die Hände in die Taschen und fühlte nach Selenes Zettel.

»Du glaubst doch nicht, daß sie...« Loial schwieg bedrückt. »Du glaubst doch nicht, daß sie gemogelt hat, oder? Alle haben gegrinst, als mache sie etwas sehr Schlaues.«

Rand zuckte die Achseln unter seinem Umhang. Ich muß das Horn nehmen und gehen. Wenn wir auf Ingtar warten, kann alles mögliche passieren. Fain kommt früher oder später auch hierher. Ich muß einen Vorsprung vor ihm haben. Die Männer mit der Puppe befanden sich unmittelbar vor ihnen.