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Barthanes blickte in seinen Wein hinunter und schien darüber nachzudenken, als habe Rand eine tiefschürfende Wahrheit ausgesprochen. »Wollt Ihr damit sagen, daß Ihr Galldrian nicht bei dieser Sache unterstützt?« fragte er schließlich.

»Ich habe Euch ja gesagt, daß ich den König noch nie getroffen habe.«

»Ja, natürlich. Ich wußte nicht, daß Leute aus Andor das Spiel so gut beherrschen. Hier in Cairhien lassen sich nicht viele sehen.«

Rand holte tief Luft, um sich davon abzuhalten, dem Mann wütend mitzuteilen, daß er ihr Spiel nicht spiele. »Es sind viele Getreidefrachter aus Andor auf dem Fluß zu sehen.«

»Kaufleute und Händler. Wer bemerkt die schon? Da kann man ja gleich auf die Käfer an den Blättern achten.« In Barthanes Stimme lag die gleiche Verachtung für die Käfer wie auch für die Händler, aber dann verfinsterte sich seine Miene erneut, als habe Rand irgendeine Andeutung gemacht. »Nicht viele Männer reisen in Begleitung einer Aes Sedai. Ihr scheint mir zu jung, um Behüter zu sein. Ich schätze, Lord Ingtar ist Verin Sedais Behüter.«

»Wir sind, was wir sagten«, antwortete Rand und verzog das Gesicht. Außer mir. Barthanes musterte nun fast unverhohlen Rands Gesicht. »Jung. Sehr jung für ein Reiherschwert.«

»Ich bin weniger als ein Jahr alt«, sagte Rand automatisch. Sofort bereute er seine Antwort. Sie klang unsinnig, doch Verin hatte gesagt, er solle sich so wie bei der Amyrlin verhalten, und Lan hatte ihm diese Antwort eingeimpft. Ein Grenzwärter betrachtete den Tag, an dem er sein Schwert bekam, als seinen Geburtstag.

»Tatsächlich. Ein Andormann, aber in den Grenzlanden ausgebildet. Oder von einem Behüter?« Barthanes Augen zogen sich zu schmalen Schlitzen zusammen, als er Rand so betrachtete. »Soviel ich weiß, hat Morgase nur einen Sohn. Wie ich hörte, heißt er Gawyn. Ihr müßt fast gleichaltrig sein.«

»Ich habe ihn kennengelernt«, sagte Rand vorsichtig.

»Diese Augen. Dieses Haar. Ich habe gehört, daß in der königlichen Familie von Andor diese Aielfarbe bei Haaren und Augen verbreitet sei.«

Rand stolperte, obwohl der Boden aus glattem Marmor bestand. »Ich bin kein Aiel, Lord Barthanes, und ich gehöre auch nicht der königlichen Familie an.«

»Wie Ihr meint. Ihr habt mir viel Stoff zum Nachdenken geliefert. Ich glaube, wenn wir uns wieder unterhalten, tun wir es möglicherweise auf der gleichen Ebene.« Barthanes nickte ihm zu und hob sein Glas. Dann wandte er sich um und sprach mit einem grauhaarigen Mann, der viele bunte Streifen auf seinem Mantel trug.

Rand schüttelte den Kopf und ging weiter — weg von allen Unterhaltungen. Es war schon schlimm genug gewesen, mit einem Lord aus Cairhien zu sprechen. Ein zweites solches Gespräch wollte er nicht riskieren. Barthanes hatte anscheinend in den trivialsten Kommentaren noch eine tiefe Bedeutung gesehen. Rand war klar geworden, daß er soeben genug über Daes Dae'mar erfahren hatte, um genau zu wissen, daß er keine Ahnung hatte, wie man es spielte. Mat, Hurin, findet bitte schnell etwas heraus, damit wir von hier verschwinden können! Diese Leute spinnen! Und dann betrat er wieder einen neuen Saal, und der Gaukler, der am anderen Ende seine Harfe zupfte und eine Erzählung aus Die Wilde Jagd nach dem Horn vortrug, war Thom Merrilin. Rand blieb wie angewurzelt stehen. Thom schien ihn nicht zu bemerken, obwohl ihn der Blick des Gauklers zweimal streifte. Thom schien es wirklich ernst damit zu sein, ihre Beziehung endgültig abzubrechen.

Rand wandte sich zum Gehen, doch eine Frau trat geschmeidig vor ihn hin und legte ihm eine Hand auf die Brust. Die nach hinten fallende Spitzenmanschette entblößte ein zierliches Handgelenk. Sie reichte ihm nicht ganz bis zur Schulter, aber der hohe Turm ihrer Locken kam ihm auf Augenhöhe entgegen. Die Spitzen ihrer Halskrause ragten unter ihrem Kinn hervor, und unter ihrem Busen war ihr dunkelblaues Kleid mit Farbstreifen geschmückt. »Ich heiße Alaine Chuliandred, und Ihr seid der berühmte Rand al'Thor. In seinem eigenen Haus hat Barthanes wohl das Recht, als erster mit Euch zu sprechen, aber wir sind alle fasziniert von dem, was man Euch nachsagt. Ich habe sogar gehört, daß Ihr Flöte spielt. Kann das wahr sein?«

»Ich spiele Flöte.« Wie konnte sie...? Caldevwin. Licht, jeder scheint in Cairhien alles zu erfahren. »Entschuldigt mich bitte... «

»Ich habe gehört, daß im Ausland einige Herren selbst Musik machen, habe das aber bisher nie geglaubt. Ich würde Euch so gern spielen hören. Vielleicht unterhaltet Ihr Euch auch ein wenig mit mir über dies und das. Barthanes schien die Unterhaltung mit Euch zu genießen. Mein Mann verbringt seine Tage damit, seinen Weinkeller durchzuprobieren, und er läßt mich ziemlich allein. Er ist nie da, um sich mit mir zu unterhalten.«

»Ihr müßt ihn vermissen«, sagte Rand, der sich krampfhaft bemühte, sich um sie und ihren weiten Rock herumzuschieben. Sie lachte hell auf, als habe er etwas außerordentlich Lustiges gesagt.

Eine weitere Frau trat an ihre Seite, und noch eine Hand legte sich auf seine Brust. Sie trug genauso viele Streifen wie Alaine, und sie waren auch etwa gleichaltrig — gute zehn Jahre älter als er. »Willst du ihn für dich behalten, Alaine?« Die beiden Frauen lächelten sich mit Dolchen in den Augen an. Die zweite lächelte Rand nun an. »Ich bin Belevaere Osiellin. Sind alle Männer in Andor so groß? Und so gutaussehend?«

Er räusperte sich. »Äh... ein paar sind genauso groß. Verzeiht mir, aber wenn ich jetzt... «

»Ich sah Euch mit Barthanes sprechen. Man behauptet, Ihr kennt auch Galldrian. Ihr müßt mich besuchen kommen, damit wir uns unterhalten können. Mein Mann besucht gerade unsere Güter im Süden.«

»Ihr seid so feinfühlig wie eine Dirne«, zischte Alaine ihr zu, aber im nächsten Moment lächelte sie Rand wieder an. »Sie hat einfach keine Bildung. Welcher Mann könnte sich wohl für eine Frau mit so schlechten Manieren interessieren? Bringt Eure Flöte in mein Haus, und wir werden uns unterhalten. Vielleicht bringt Ihr mir auch das Flötenspiel bei?«

»Was Alaine für Feinfühligkeit hält«, sagte Belevaere in süßlichem Tonfall, »ist lediglich ein Mangel an Mut. Ein Mann, der ein Reiherschwert trägt, muß tapfer sein. Das ist doch eine echte Reiherklinge, nicht wahr?«

Rand versuchte, sich nach hinten zu entfernen. »Wenn Ihr mich nun entschuldigen würdet... ich... « Sie folgten ihm Schritt für Schritt, bis er mit dem Rücken zur Wand stand. Ihre weiten Röcke bildeten eine zweite Wand vor ihm.

Er fuhr zusammen, als sich eine dritte Frau neben die beiden anderen schob. Ihr Rock reichte nun vollends bis an die Wand und versperrte ihm endgültig den Fluchtweg. Sie war älter als die beiden, aber genauso hübsch. Ihr amüsiertes Lächeln konnte die Schärfe ihres Blickes nicht verbergen. Sie trug noch mal um die Hälfte mehr Streifen als Alaine und Belevaere. Diese beiden knicksten vor ihr und sahen sie mürrisch an.

»Versuchen diese beiden Spinnen, Euch in ihr Netz zu locken?« Die ältere Frau lachte. »Die meiste Zeit über verwickeln sie sich selbst mehr darin als ihre Opfer.

Kommt mit mir, mein feiner, junger Andoraner, und ich erzähle Euch ein wenig, in welche Schwierigkeiten sie Euch bringen würden. Zum einen habe ich keinen Ehemann, dessentwegen Ihr Euch Gedanken machen müßt. Ehemänner sind so lästig.«

Über Alaines Kopf hinweg konnte er Thom sehen, der sich gerade von einer Verbeugung aufrichtete, obwohl keinerlei Applaus oder Aufsehen zu bemerken war. Mit einer Grimasse schnappte sich der Gaukler einen gefüllten Pokal vom Tablett eines überraschten Dieners.

»Ich sehe da jemanden, mit dem ich sprechen muß«, sagte Rand zu den Frauen, und er quetschte sich aus dem Käfig, den sie um ihn gebildet hatten, gerade als die zuletzt erschienene Frau nach seinem Arm faßte. Alle drei blickten ihm nach, als er zu dem Gaukler eilte.

Thom beäugte ihn über den Rand des Pokals hinweg und nahm dann einen großen Schluck.