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Verzweifelt suchte er sich einen Weg aus dem Nichts heraus, krallte sich in dessen Wänden fest. Bewegungslos, noch immer auf den Knien, kämpfte er sich frei. Und dann blieben nur noch der faulige Geschmack auf seiner Zunge, einige Magenkrämpfe und seine Erinnerung. So —lebendig. »Ihr habt uns gerettet, Erbauer.« Hurin stand mit dem Rücken an die Mauer gelehnt und sprach mit heiserer Stimme. »Dieses — Ding — war das der Schwarze Wind? Das war schlimmer als... wollte es dieses Feuer auf uns schleudern? Lord Rand! Hat es Euch berührt? Ist Euch etwas zustoßen?« Er rannte zu ihm hin, als Rand aufstand, und war ihm behilflich. Auch Loial stand auf und klopfte sich den Schmutz von Händen und Knien.

»Auf diesem Weg werden wir Fain niemals folgen können.« Rand berührte Loials Arm. »Danke. Du hast uns wirklich gerettet.« Mich zumindest hast du gerettet. Es wollte mich töten. Mich töten, und das war ein —wunderbares Gefühl. Er schluckte; ein schwacher, fauliger Nachgeschmack war noch in seinem Mund. »Ich brauche etwas zum Trinken.«

»Ich habe nur das Blatt gefunden und wieder an seinen Platz zurückgesteckt«, sagte Loial achselzuckend. »Es schien, daß wir sterben müßten, wenn wir das Tor nicht wieder hätten schließen können. Ich fürchte, ich bin kein großer Held, Rand. Ich hatte solche Angst und konnte kaum noch klar denken.«

»Wir hatten beide Angst«, sagte Rand. »Wir sind vielleicht alles andere als Helden, aber so ist das eben. Ich bin jedenfalls froh, Ingtar bei uns zu haben.«

»Lord Rand«, sagte Hurin zögernd, »könnten wir vielleicht jetzt — wieder zurückgehen?«

Der Schnüffler wollte absolut nicht, daß Rand als erster über die Mauer kletterte, weil sie ja nicht wußten, was mittlerweile draußen auf sie wartete, aber dann machte Rand ihm klar, daß er als einziger von ihnen bewaffnet sei. Selbst dann paßte es Hurin offensichtlich nicht, Rand von Loial hochheben zu lassen, damit er sich über die Mauerkrone ziehen konnte.

Rand landete aufrecht mit einem dumpfen Aufprall und blieb erst einmal stehen, wobei er in die Nacht hinein lauschte und spähte. Einen Augenblick lang bildete er sich ein, er habe eine Bewegung gesehen, einen Stiefel auf dem gepflasterten Weg scharren gehört, aber nichts davon wiederholte sich, und er schob es auf seine Nervosität. Er hatte ja auch wohl ein Recht darauf, nervös zu sein. Er wandte sich Hurin zu, um ihm herunterzuhelfen.

»Lord Rand«, sagte der Schnüffler, kaum daß seine Füße den Boden berührten, »wie werden wir ihnen nun folgen? Nach allem, was ich von diesen Wegen gehört habe, könnten sie sich bereits um die halbe Welt in jeder Richtung von uns entfernt haben.«

»Verin wird schon etwas einfallen.« Rand hätte am liebsten gelacht: Um Horn und Dolch zu finden — falls er sie jetzt überhaupt noch finden konnte —, mußte er sich wieder an die Aes Sedai wenden. Sie hatten ihn von der Leine gelassen, und nun mußte er zurückkehren. »Ich lasse Mat nicht sterben, ohne alles in meiner Macht Stehende zu unternehmen.«

Loial schloß sich ihnen an, und sie gingen zurück zum Herrenhaus, wo Mat sie an einer kleinen Seitentür erwartete. Er öffnete sie gerade in dem Moment, als Rand nach der Klinke fassen wollte. »Verin sagt, ihr sollt nichts unternehmen. Falls Hurin herausfand, wo man das Horn aufbewahrt, dann können wir im Moment nicht mehr tun, meint sie. Sie sagt, wir gehen, sobald ihr zurück seid, und dann werden wir einen Schlachtplan entwerfen. Aber das ist das letzte Mal, daß ich den Botenjungen spielen werde. Wenn ihr irgend jemandem etwas mitteilen wollt, dann sagt es ihm gefälligst selbst.« Mat blickte an ihnen vorbei in die Dunkelheit hinaus. »Befindet sich das Horn irgendwo dort draußen? In einem der äußeren Gebäude? Habt ihr den Dolch gesehen?«

Rand drehte ihn einfach um und zog ihn nach innen. »Es ist in keinem Außengebäude, Mat. Ich hoffe, Verin weiß, was jetzt zu tun ist; ich habe nämlich keine Ahnung.«

Mat wirkte, als wolle er ihn mit Fragen überschütten, ließ sich aber doch durch den trüb beleuchteten Korridor ziehen. Er dachte sogar daran, daß er humpeln mußte, als sie die Treppe hochgingen.

Als Rand mit den anderen wieder in die Säle zurückkehrte, in denen die Adeligen herumstanden, zogen sie einige Blicke auf sich. Rand fragte sich, ob irgend jemand etwas von dem ahnte, was draußen vorgefallen war, oder ob er besser Mat und Hurin ins Foyer geschickt hätte, um dort zu warten, aber dann wurde ihm klar, daß sich die Blicke in nichts von denen unterschieden, die ihnen vorher schon gegolten hatten — sie waren neugierig und berechnend. Was hatten der Lord und der Ogier wohl gemacht? Diener waren für diese Leute einfach unsichtbar. Keiner versuchte, sich ihnen zu nähern, da sie zusammen waren. Es schien, für die Intrigen des Großen Spiels gab es gewisse Vorschriften. Jeder konnte eine private Unterhaltung belauschen, aber man drängte sich nicht direkt hinein.

Verin und Ingtar standen beieinander und waren demzufolge auch allein. Ingtar wirkte ein wenig benommen. Verin blickte Rand und die anderen kurz an, runzelte ob ihrer Mienen die Stirn und zupfte dann ihre Stola zurecht, bevor sie sich auf den Weg zum Foyer begab.

Als sie dort ankamen, erschien Barthanes, als habe ihm jemand gesagt, sie verließen das Fest. »Ihr geht schon? Verin Sedai, kann ich Euch nicht dazu überreden, länger zu bleiben?«

Verin schüttelte den Kopf. »Wir müssen gehen, Lord Barthanes. Ich bin schon ein paar Jahre nicht mehr in Cairhien gewesen. Ich war froh, daß Ihr den jungen Rand eingeladen habt. Es war wirklich... interessant.«

»Dann soll Euch die Gnade des Lichts sicher zu Eurer Schenke zurückführen. Ihr wohnt im ›Großen Baum‹, nicht wahr? Vielleicht gebt Ihr Euch wieder die Ehre, mich zu besuchen? Es wäre mir wirklich eine Ehre, Verin Sedai, Lord Rand, Lord Ingtar und auch Euch nicht zu vergessen, Loial, Sohn des Arent, Sohn des Halam.« Sein Gruß der Aes Sedai gegenüber war ein wenig ehrfürchtiger als bei den anderen, bestand aber auch nur in einem leichten Kopfneigen.

Verin nickte zurück. »Vielleicht. Das Licht erleuchte Euch, Lord Barthanes.« Sie wandte sich dem Tor zu.

Als Rand den anderen folgen wollte, zupfte ihn Barthanes mit zwei Fingern am Ärmel und hielt ihn zurück. Mat wollte schon ebenfalls zurückbleiben, aber Hurin zog ihn mit sich und den anderen fort.

»Ihr seid tiefer in das Spiel verwickelt, als ich glaubte«, sagte Barthanes leise. »Als ich Euren Namen hörte, konnte ich das nicht glauben, und doch seid Ihr gekommen, und die Beschreibung paßt auf Euch und... ich denke, daß die Botschaft Euch galt, die man mir gab. Also werde ich sie wohl doch an Euch weitergeben.«

Rand war es bei Barthanes Worten kalt den Rücken hinuntergelaufen, aber nun schaute er verblüfft drein. »Eine Botschaft? Von wem? Lady Selene?«

»Von einem Mann. Nicht die Art von Mann, dessen Botschaften ich sonst überbringen würde, aber er hat gewisse... Ansprüche auf meine Hilfe, die ich nicht mißachten kann. Er hat keinen Namen genannt, doch er kam aus Lugard. Aaah! Ihr kennt ihn.«

»Ich kenne ihn.« Fain ließ eine Botschaft zurück? Rand sah sich in dem geräumigen Foyer um. Mat und Verin und die anderen warteten am Ausgang auf ihn. Livrierte Diener standen steif an der Wand und warteten auf Aufträge. Ansonsten sahen oder hörten sie nichts. Der Lärm der festlichen Menge erklang von drinnen heraus. Es wirkte nicht wie ein Ort, an dem ein Angriff von Schattenfreunden zu befürchten war. »Wie lautet die Botschaft?«

»Er sagte, er werde auf der Toman-Halbinsel auf Euch warten. Er hat das, was Ihr sucht, und wenn Ihr es wollt, dann müßt Ihr ihm folgen. Falls Ihr es vorzieht, ihm nicht zu folgen, wird er Eure Familie und Euer Volk und alle, die Ihr liebt, vernichten, bis Ihr Euch ihm stellt. Natürlich hört sich das verrückt an, wenn ein Mann einen Lord so herausfordert, aber er hatte so etwas an sich... Ich glaube, er ist wirklich verrückt — er hat ja auch offensichtlich verleugnet, daß Ihr ein Lord seid — aber es dürfte schon etwas dran sein. Was hat er bei sich, das er von Trollocs bewachen läßt? Was sucht Ihr?« Barthanes schien ob der eigenen direkten Fragen zu erschrecken.