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»Galldrian«, wiederholte er mit tonloser Stimme. Worin hat mich dieser blutige Schafhirte verwickelt? Was haben die Aes Sedai uns beiden angetan? Aber Galldrians Männer haben sie ermordet. Etwas von seinen Gedanken mußte sich auch auf seinem Gesicht gezeigt haben. Zera sagte in scharfem Ton: »Dena will, daß du lebst, du Narr! Versuche, den König zu töten, und du bist schon tot, bevor du dich ihm auf hundert Spannen genähert hast, falls du überhaupt so nahe herankommst!«

Von der Stadtmauer her erklang ein Geschrei, als beteilige sich die halbe Einwohnerschaft Cairhiens daran. Mit gerunzelter Stirn sah Thom aus dem Fenster. Jenseits der grauen Mauer, weit über den Dächern von Vortor, erhob sich eine dichte Rauchwolke in den Himmel. Weit hinter der Mauer. Neben der ersten, schwarzen Rauchsäule formte sich bald aus grauen Rauchfahnen eine zweite, und weiter hinten erschienen noch mehr Wölkchen. Er schätzte die Entfernung und holte tief Luft.

»Vielleicht solltest du auch daran denken, von hier zu verschwinden. Es sieht aus, als habe jemand die Getreidesilos angezündet.«

»Ich habe schon einige Male einen Aufruhr heil überstanden. Geh jetzt, Thom.« Nach einem letzten Blick auf Denas verhüllte Gestalt nahm er seine Sachen auf, doch als er gerade gehen wollte, sagte Zera noch: »Du hast einen gefährlichen Ausdruck im Blick, Thom Merrilin. Stelle dir vor, Dena säße gesund und munter hier. Überlege, was sie wohl sagen würde. Würde sie dich in einen sinnlosen Tod ziehen lassen?«

»Ich bin nur ein alter Gaukler«, sagte er von der Tür her. Und Rand al'Thor ist nur ein Schafhirte, aber wir tun beide, was wir tun müssen. »Für wen könnte ich denn schon gefährlich sein?«

Als er die Tür hinter sich zuzog und sie und Dena vor seinen Blicken verborgen waren, überzog ein freudloses, wölfisches Grinsen sein Gesicht. Sein Bein schmerzte, aber er fühlte es kaum, als er zielbewußt die Treppe hinuntereilte und aus der Schenke ging.

Padan Fain ließ sein Pferd auf einem Hügelkamm über Falme inmitten eines der wenigen Dickichte, die im Bereich der Hügel außerhalb der Stadt noch übrig waren, anhalten. Das Packpferd, das seine wertvolle Fracht geduldig trug, stieß gegen sein Bein, und er trat ihm, ohne überhaupt hinzusehen, in die Rippen. Das Tier schnaubte und ruckte zurück bis ans Ende der Leine, die er an seinem Sattel befestigt hatte. Die Frau hatte ihm ihr Pferd nicht geben wollen — alle Schattenfreunde hatten sich davor gefürchtet, im Hügelland allein mit den Trollocs zurückzubleiben, ohne daß Fain sie durch seine Gegenwart beschützte. Er hatte beide Probleme ohne Schwierigkeiten gelöst. Fleisch im Kochtopf eines Trollocs benötigte kein Pferd zum Reiten mehr. Die Begleiter der Frau waren schon erschüttert von ihrem Ritt durch die Kurzen Wege bis zu einem Wegetor bei einem lang verlassenen Stedding auf der Toman-Halbinsel, und der Anblick, wie die Trollocs ihr Mahl bereiteten, hatte die übrigen Schattenfreunde äußerst gefügig gemacht.

Von der Bewuchsgrenze her musterte Fain die ohne Mauer daliegende Stadt und verzog verächtlich das Gesicht. Ein kurzer Wagenzug rumpelte gerade zwischen die Ställe und Pferdekoppeln und Abstellplätze am Stadtrand hinein, während ein anderer herausrollte. Auf der in vielen Jahren von den Wagen ausgefahrenen Straße erhob sich kaum noch eine Staubfahne. Der Kleidung nach waren die Fahrer und die wenigen berittenen Wächter Einheimische, aber die Berittenen hatten sich wenigstens Schwerter umgehängt, und ein paar besaßen sogar Speere und Bogen. Die Soldaten, die er erkennen konnte — es waren nur wenige —, schienen diese Bewaffneten kaum zu beachten, die sie ja wohl erst vor kurzer Zeit besiegt hatten.

An dem einen Tag und während seiner einzigen Nacht auf der Toman-Halbinsel hatte er einiges über dieses Volk, die Seanchan erfahren. Oder zumindest soviel, wie die unterlegenen Einheimischen eben wußten. Es war nicht schwer, jemanden allein zu erwischen, und wenn man die Fragen richtig stellte, bekam man auch eine Antwort. Die Männer versuchten ohnehin, mehr über die Invasoren in Erfahrung zu bringen, als glaubten sie tatsächlich, sie könnten mit diesem Wissen eines Tages etwas ausrichten. Nur manchmal hielten sie etwas zurück. Die Frauen schienen im allgemeinen nur daran interessiert zu sein, ihr Leben im gleichen Trott fortzusetzen, gleich, wer gerade herrschte, aber sie bemerkten Dinge, die den Männern entgangen waren. Sie plapperten auch eher los, wenn sie einmal mit Schreien aufgehört hatten. Kinder plauderten am schnellsten alles aus, aber sie sagten nur selten etwas wirklich Stichhaltiges.

Er hatte drei Viertel des Gehörten als Unsinn und Gerüchte abgetan, die sich bereits zu Fabeln auswuchsen, aber nun mußte er einige seiner Vorurteile zurücknehmen. Es schien, daß jedermann ungehindert nach Falme kommen konnte. Überrascht beobachtete er etwas anderes, was er als ›Unsinn‹ abgetan hatte, als eine Gruppe von zwanzig Soldaten Falme verließ. Er konnte ihre Reittiere nicht ganz genau sehen, aber es waren auf jeden Fall keine Pferde. Sie rannten mit einer fließenden Eleganz, und ihre dunklen Häute schienen wie Schuppen in der Morgensonne zu glitzern. Er verdrehte den Hals, um sie zu beobachten, bis sie landeinwärts verschwunden waren, und dann gab er seinem Pferd die Stiefel zu spüren und ritt in Richtung auf die Stadt los.

Die Einheimischen, die zwischen den Ställen und abgestellten Wagen und Koppeln herumliefen, beachteten ihn kaum. Er kümmerte sich auch nicht um sie, sondern ritt weiter in die Stadt hinein. Kopfsteingepflasterte Straßen neigten sich nach unten dem Hafen zu. Er konnte den ganzen Hafen überblicken und sah die großen, eigenartig eckig geformten Schiffe der Seanchan, die dort ankerten. Niemand belästigte ihn, als er suchend durch schwach belebte Straßen ritt. Hier befanden sich nun doch mehr Soldaten der Seanchan. Die Menschen eilten mit zu Boden gesenktem Blick ihren Geschäften nach und verbeugten sich, wenn sie an Soldaten vorbeikamen, doch die Seanchan würdigten sie keines Blickes. An der Oberfläche erschien alles sehr friedlich — trotz der gerüsteten Seanchan auf den Straßen und ihrer Schiffe im Hafen —, doch Fain spürte die Anspannung, die über allem lag. Er war immer dort besonders erfolgreich, wo Menschen nervös und verängstigt waren.

Er erreichte ein großes Haus, vor dem mehr als ein Dutzend Soldaten Wache hielt. Fain hielt an und stieg ab. Außer einem klar erkennbaren Offizier trugen alle ganz schwarze Rüstungen, und ihre Helme erinnerten ihn an Heuschreckenköpfe. An jeder Seite des Haupteingangs stand eine Kreatur mit ledriger Haut, drei Augen und gekrümmtem Schnabel anstelle eines Mundes. Sie hockten da wie Frösche. Die Soldaten, die neben den Kreaturen standen, hatten jeweils drei Augen auf ihren Brustpanzer gemalt. Fain musterte die blau geränderte Flagge, die über dem Dach flatterte: ein Falke mit ausgebreiteten Schwingen, der in den Klauen Blitze trug. Er schnaubte verächtlich.

Auf der anderen Straßenseite gingen Frauen in einem Haus ein und aus, Frauen, die durch silberne Leinen miteinander verbunden waren, doch er schenkte ihnen keine weitere Beachtung. Er kannte die Damane aus den Erzählungen der Dorfbewohner. Später könnten sie einmal nützlich werden, doch nicht jetzt.

Die Soldaten musterten ihn, besonders der Offizier. Seine Rüstung war golden und rot und grün bemalt.

Fain zwang seine Gesichtszüge zu einem unterwürfigen Lächeln und verbeugte sich tief. »Meine Herren, ich habe hier etwas, das Euren Hochlord interessieren wird. Ich versichere Euch, er wird es und auch mich persönlich sehen wollen.« Er deutete auf den eckigen Gegenstand auf seinem Packpferd, der immer noch in die riesige, gestreifte Decke gehüllt war, in der ihn seine Leute vorgefunden hatten. Der Offizier musterte ihn von oben bis unten. »Ihr klingt, als wärt Ihr hier fremd. Habt Ihr die Eide abgelegt?«

»Ich gehorche, warte ab und werde dienen«, antwortete Fain unterwürfig. Jeder, den er befragt hatte, hatte die Eide erwähnt, obwohl keiner verstand, was sie bedeuten sollten. Wenn diese Leute das Ablegen von Eiden verlangten, dann würde er schwören, was man von ihm wollte. Er konnte die Eide schon lange nicht mehr zählen, die er alle geschworen hatte.