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»Ich bin nicht... nicht, was Ihr sagt«, ächzte Egwene. Sie zog wieder an dem Kragen, doch er gab genausowenig nach wie zuvor. Sie überlegte, ob sie die Frau niederschlagen und versuchen sollte, ihr das Armband vom Handgelenk zu ziehen, doch sie verwarf es wieder. Selbst wenn die Soldaten nichts dagegen unternähmen — im Moment schenkten sie Renna und ihr keinerlei Beachtung —, hatte sie doch das unangenehme Gefühl, die Frau habe die Wahrheit gesagt. Wenn sie ihr linkes Auge berührte, durchfuhr sie der Schmerz, aber es fühlte sich nicht geschwollen an. Also bekam sie wohl nicht solch ein blaues Auge wie Renna. Aber es tat weh. Ihr linkes Auge und Rennas linkes Auge. Sie erhob die Stimme: »Liandrin Sedai? Warum laßt Ihr das zu?« Liandrin klopfte sich den Staub von den Händen und blickte nicht einmal in ihre Richtung.

»Das allererste, was du lernen mußt«, sagte Renna, »ist, genau das zu tun, was man dir sagt, und zwar ohne zu zögern.«

Egwene schnappte nach Luft. Plötzlich brannte und prickelte ihre Haut, als hätte sie sich in Brennesseln gewälzt — von den Fußsohlen bis hinauf zur Kopfhaut. Sie drehte den Kopf hin und her, als sich das Brennen noch verstärkte.

»Viele Sul'dam«, fuhr Renna in diesem beinahe freundlichen Ton fort, »sind nicht der Meinung, daß man einer Damane ihren eigenen Namen lassen sollte; sie wollen ihnen einen neuen Namen geben. Aber da ich es war, die dich gefangen hat, leite ich auch deine Ausbildung, und ich werde dir gestatten, deinen Namen beizubehalten. Wenn du mich nicht zu sehr enttäuscht. Ich ärgere mich gerade ein bißchen über dich. Willst du so weitermachen, bis ich wirklich zornig bin?«

Bebend knirschte Egwene mit den Zähnen. Sie grub die Fingernägel in die Handflächen und mußte sich zurückhalten, damit sie sich nicht auch noch wild kratzte. Idiotin! Es geht doch nur um deinen Namen! »Egwene«, brachte sie schließlich heraus. »Ich heiße Egwene al'Vere.« Sofort war das Brennen und Jucken vorbei. Sie machte einen tiefen, zittrigen Atemzug.

»Egwene«, sagte Renna. »Das ist ein guter Name.« Und zu Egwenes Entsetzen tätschelte sie ihr den Kopf, wie man es bei einem Hund macht.

Und das war es auch gewesen, erkannte sie in diesem Moment, was sie an dem Tonfall der Frau festgestellt hatte: die Freundlichkeit, wie man sie einem Hund gegenüber bei der Dressur aufbringt, aber nicht die Art von Freundlichkeit, die man einem anderen Menschen gegenüber zeigt.

Renna schmunzelte. »Nun bist du noch wütender. Wenn du vorhast, mich noch einmal zu schlagen, dann mach es nur leicht, denn für dich wird es ja der doppelte Schmerz. Versuche nicht, die Macht zu benützen; das wirst du ohne meinen ausdrücklichen Befehl niemals tun!«

Egwenes Auge pulsierte. Sie rappelte sich hoch und bemühte sich, Renna zu ignorieren, jedenfalls, soweit es möglich war, jemanden zu ignorieren, der einen an einer an einem Halsband befestigten Leine hielt. Ihre Wangen glühten, als die Frau wieder leise lachte. Sie wollte hinüber zu Min gehen, doch die von Renna gehaltene Leine ließ das nicht zu — sie war einfach zu kurz. So rief sie leise: »Min, geht es dir besser?«

Min nickte, während sie sich zu einer hockenden Stellung aufrichtete. Dann faßte sie sich an die Stirn, als bereue sie, den Kopf bewegt zu haben.

Ein greller Blitz zuckte über den klaren Himmel und schlug zwischen den Bäumen in einiger Entfernung ein. Egwene fuhr zusammen und lächelte dann plötzlich. Nynaeve und Elayne waren immer noch frei. Wenn irgend jemand sie und Min befreien konnte, dann war es Nynaeve. Ihr Lächeln verflog, und sie blickte Liandrin haßerfüllt an. Was für einen Grund die Aes Sedai auch immer gehabt haben mochte, sie zu verraten, sie würde dafür bezahlen. Eines Tages. Irgendwie. Der Blick bewirkte nichts; Liandrin sah nur die Sänfte an.

Die Männer mit nacktem Oberkörper knieten nieder und senkten die Sänfte langsam zu Boden. Suroth trat heraus, zupfte sorgfältig ihre Robe zurecht und ging auf leisen, von weichen Pantoffeln bedeckten Sohlen zu Liandrin. Die beiden Frauen waren fast gleich groß. Braune Augen blickten gelassen in schwarze. »Ihr hättet mir zwei bringen sollen«, sagte Suroth. »Statt dessen habe ich nur eine, und zwei weitere laufen frei herum. Eine davon ist auch noch viel stärker, als man mich hatte glauben lassen. Sie wird jede unserer Patrouillen im Umkreis von zwei Wegstunden auf sich aufmerksam machen.«

»Ich habe drei mitgebracht«, sagte Liandrin ruhig. »Wenn Ihr es nicht fertigbringt, sie festzuhalten, sollte sich unser Herr vielleicht jemand anderen suchen, um ihm zu dienen. Ihr ängstigt Euch wegen jeder Kleinigkeit. Falls Patrouillen kommen, tötet sie einfach.«

Wieder zuckte ein Blitz in einiger Entfernung auf, und Augenblicke später donnerte es in der Nähe des Einschlagortes. Eine Staubwolke erhob sich in die Luft. Weder Liandrin noch Suroth achteten darauf.

»Ich könnte immer noch mit zwei neuen Damane nach Falme zurückkehren«, sagte Suroth. »Ich lasse nicht gern eine... eine Aes Sedai« — sie spie die Worte wie einen Fluch aus — »frei herumlaufen.«

Liandrins Gesichtsausdruck änderte sich nicht, doch Egwene sah, wie sich um sie herum eine schwach leuchtende Aura aufbaute.

»Nehmt Euch in acht, Hohe Dame«, rief Renna. »Sie ist kampfbereit!«

Die Soldaten rührten sich, griffen nach Schwertern und Lanzen, doch Suroth legte nur die Hände aneinander und lächelte über ihre langen Fingernägel hinweg Liandrin an. »Ihr werdet nichts gegen mich unternehmen, Liandrin. Es würde unserem Herrn nicht gefallen, da ich hier ganz sicher mehr gebraucht werde als Ihr, und außerdem fürchtet Ihr ihn mehr, als zur Damane gemacht zu werden.«

Liandrin lächelte, obwohl auf ihren Wangen weiße Flecke zu sehen waren. »Und Ihr, Suroth, fürchtet ihn mehr, als von mir hier an Ort und Stelle zu Asche verbrannt zu werden.«

»Genau. Wir fürchten ihn beide. Und doch wird sich mit der Zeit auch das ändern, was unser Herr benötigt. Schließlich werden einmal alle MarathDamane an die Leine genommen. Vielleicht werde gerade ich den Kragen um Euren lieblichen Hals legen.«

»Wie Ihr meint, Suroth. Die Bedürfnisse unseres Herrn werden sich ändern. Ich werde Euch daran erinnern, wenn Ihr eines Tages vor mir kniet.«

Ungefähr eine Meile entfernt verwandelte sich ein hoher Lederblattbaum plötzlich in eine hohe Flammensäule.

»Das wird allmählich langweilig«, sagte Suroth. »Elbar, rufe sie zurück!« Der Mann mit der Hakennase zog ein Horn hervor, das kaum so groß war wie seine Faust. Sein Klang war heiser und durchdringend.

»ihr müßt die Frau Nynaeve aufspüren«, sagte Liandrin in scharfem Ton. »Elayne ist unbedeutend, aber sowohl die Frau als auch dieses Mädchen hier müssen auf Euren Schiffen dabei sein, wenn Ihr zurücksegelt.«

»Ich weiß sehr genau, wie unsere Befehle lauten, Marath'Damane, obwohl ich viel dafür gäbe zu wissen, was das alles soll.«

»Wieviel man Euch sagte, Kind«, höhnte Liandrin, »ist genug. Mehr zu wissen, wäre nicht gut für Euch. Denkt daran, Ihr dient und gehorcht. Die beiden müssen zur anderen Seite des Aryth-Meeres gebracht und dort verwahrt werden.«

Suroth schniefte. »Ich werde nicht hierbleiben, um nach dieser Nynaeve zu suchen. Meine Nützlichkeit für unseren Herrn wäre beendet, wenn mich Turak den Wahrheitsfindern zur Folter übergibt.« Liandrin öffnete wütend den Mund, aber Suroth ließ sie gar nicht zu Wort kommen. »Die Frau wird nicht lange auf freiem Fuß bleiben. Keine von ihnen. Wenn wir zurücksegeln, werden wir jede Frau aus diesem armseligen Landzipfel mitnehmen, die auch nur ein wenig mit der Macht umgehen kann, und zwar mit Kragen und an der Leine. Falls Ihr hierbleiben und nach ihr suchen wollt, bitte. Bald werden die Patrouillen hier sein und glauben, sie müßten dieses Pack bekämpfen, das sich noch in den Hügeln verbirgt. Manche Patrouillen nehmen Damane mit, und es wird ihnen gleich sein, welchem Herrn Ihr dient. Solltet Ihr dieses Zusammentreffen überleben, wird Euch mit Hilfe von Halsband und Leine ein neues Leben eröffnet, und ich glaube nicht, daß unser Herr einer in dieser Lage hilft, die sich aus Dummheit fangen lassen hat.«