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»Die Frauen...? Egwene, Fain mag ja spinnen, aber du bist noch verrückter. Du kannst dich doch vor Hornissen nicht ausgerechnet im Hornissennest verstecken!«

»Welcher Ort wäre besser geeignet? Was ist der einzige Ort in der Festung, den kein Mann ohne die Einladung einer Frau betreten würde, noch nicht einmal Lord Agelmar? Was ist der einzige Ort, an dem niemals jemand nach einem Mann suchen würde?«

»Welches ist der einzige Ort in der Festung, bei dem du sicher sein kannst, daß er voll von Aes Sedai steckt? Das ist verrückt, Egwene.«

Sie deutete auf seine Bündel und redete, als sei alles beschlossene Sache. »Du mußt dein Schwert und den Bogen in deinen Umhang wickeln, dann sieht es aus, als würdest du mir die Sachen tragen. Es sollte nicht zu schwierig sein, ein Wams und ein Hemd für dich zu finden, die nicht so hübsch aussehen. Du mußt aber gebückt laufen, ja?«

»Ich sage dir doch, ich mache das nicht mit.«

»Da du so stur wie ein Maulesel bist, geschieht es dir nur recht, wenn du meinen Träger spielen mußt. Es sei denn, du möchtest lieber hier unten bei ihm bleiben.«

Fains von Gelächter erfülltes Flüstern drang durch die schwarzen Schatten. »Die Schlacht wird niemals enden, al'Thor. Mordeth weiß das.«

»Meine Chancen wären wohl noch besser, wenn ich von der Mauer springen würde«, murmelte Rand. Aber er legte seine Bündel ab und machte sich daran, Schwert und Bogen und Köcher einzuwickeln, wie sie es vorgeschlagen hatte.

In der Dunkelheit lachte Fain. »Es ist nie vorbei, al'Thor. Nie!«

4

Herbeizitiert

Allein in ihrem Zimmer im Frauenquartier zupfte sich Moiraine die mit Efeuranken und Weinblättern bestickte Stola um ihre Schultern zurecht und betrachtete sich in dem großen, gerahmten Spiegel, der in einer Ecke stand. Ihre großen, dunklen Augen konnten so scharf wie die eines Falken dreinblicken, wenn sie zornig war. Im Moment schienen sie das versilberte Glas zu durchbohren. Es war nur Zufall, daß sie die Stola in ihren Satteltaschen hatte, als sie nach Fal Dara kam. Solch eine Stola trug man selten außerhalb Tar Valons, und selbst dort meist nur in der Weißen Burg. Sie hatte die leuchtende weiße Flamme von Tar Valon auf dem Rücken, und die Farbe der langen Fransen zeigte, welcher Ajah sie angehörte. Bei Moiraine waren sie blau wie der Morgenhimmel. In Tar Valon war es eigentlich nur ein Treffen im Burgsaal, bei dem man eine solch formelle Stola trug, und jenseits der Leuchtenden Mauer würden zu viele Leute beim Anblick der Flamme wegrennen, um sich zu verstecken, oder vielleicht, um die Kinder des Lichts herbeizurufen. Der Pfeil eines Weißmantels war für eine Aes Sedai genauso tödlich wie für jeden anderen, und die Kinder waren zu klug, um sich von einer Aes Sedai sehen zu lassen, bevor der Pfeil heranzischte und während sie noch etwas dagegen unternehmen konnte. Moiraine hatte sicher nicht erwartet, die Stola in Fal Dara tragen zu müssen. Aber bei einer Audienz bei der Amyrlin mußte man das Protokoll schon beachten.

Sie war schlank und nicht gerade groß, und die glattwangige Alterslosigkeit der Aes Sedai ließ sie oft jünger wirken, als sie war, doch Moiraine besaß eine dominierende Eleganz und eine ruhige Ausstrahlung, die sie bei jeder Versammlung zur Führungspersönlichkeit werden ließ. Was ihr im Königspalast von Cairhien in Fleisch und Blut übergegangen war, war durch die noch größere Anzahl an Jahren als Aes Sedai nicht verlorengegangen, sondern noch verstärkt worden. Sie wußte, daß sie heute jedes bißchen ihrer Persönlichkeit brauchen würde. Und doch war der größte Teil ihrer Ruhe nur oberflächlich. Es muß Schwierigkeiten gegeben haben, sonst wäre sie nicht selbst gekommen, dachte sie zum wenigstens zehnten Mal. Aber das führte zu tausend weiteren Fragen. Welche Schwierigkeiten plagen sie, und wen hat sie zur Begleitung ausgewählt? Warum kam sie hierher? Warum gerade jetzt? Es darf jetzt einfach nichts mehr schiefgehen.

Der Ring mit der Großen Schlange spiegelte matt das Licht wider, als sie die feine Goldkette berührte, die sie in ihrem dunklem Haar befestigt hatte. Das Haar fiel ihr in Wellen auf die Schultern herunter. An der Kette hing ein kleiner, klarer blauer Edelstein genau in der Mitte ihrer Stirn. Viele in der Weißen Burg wußten von den Tricks, die sie mit diesem Stein als Brennpunkt ihrer Kräfte vollbringen konnte. Es war nur ein geschliffenes Stück blauen Kristalls, nur etwas, das ein junges Mädchen im frühesten Teil ihres Lernprozesses benützt hatte, in dem sie noch niemand hatte, der sie betreute. Dieses Mädchen hatte sich an die Geschichten der Angreal und der noch mächtigeren Sa'Angreal erinnert — dieser sagenhaften Überbleibsel aus dem Zeitalter der Legenden, die den Aes Sedai erlaubten, noch mehr von der Einen Macht zu lenken, als es ohne Hilfe möglich und sicher war —, sich daran erinnert und geglaubt, man brauche grundsätzlich einen solchen Brennpunkt, um die Macht überhaupt kontrollieren zu können. Ihre Schwestern in der Weißen Burg kannten ein paar ihrer Tricks und mutmaßten über weitere, einschließlich einiger, die nicht existierten und die sie erschreckt hatten, als sie davon hörte. Die Dinge, die sie mit Hilfe des Steins tun konnte, waren einfach und unbedeutend, wenn auch gelegentlich nützlich: was sich eben ein Kind so vorstellen konnte. Aber falls sich die Amyrlin in der Begleitung der falschen Frauen befand, könnte der Kristall sie vielleicht seines Rufs wegen aus dem Gleichgewicht bringen.

Es klopfte ein paarmal schnell und eindringlich an ihre Zimmertür. Kein Schienarer würde auf diese Weise anklopfen, gleich an welche Tür, aber am allerwenigsten an ihre. Sie blickte so lange weiter in den Spiegel, bis ihre Augen ganz ruhig zurückblickten und alle Gedanken in ihren dunklen Tiefen verbargen. Sie überprüfte die weiche Ledertasche, die an ihrem Gürtel hing. Welche Schwierigkeiten auch immer sie aus Tar Valon hierher brachten — sie wird sie vergessen, wenn ich ihr dieses Problem darlege. Es klopfte noch einmal und noch lebhafter als zuvor. Sie durchquerte das Zimmer und öffnete die Tür mit einem gelassenen Lächeln, das für die beiden Frauen bestimmt war, die sie abholen kamen.

Sie erkannte beide: die dunkelhaarige Anaiya in ihrer Stola mit blauen Fransen und die blonde Liandrin in ihrer roten Stola. Liandrin, die nicht nur jung schien, sondern jung und hübsch war, mit einem Puppengesicht und einem kleinen Schmollmund, hatte die Hand schon erhoben, um noch einmal zu klopfen. Ihre dunklen Augenbrauen und noch dunkleren Augen bildeten einen scharfen Kontrast zu der Unmenge blaß-honigfarbener Korkenzieherlocken, die ihr auf die Schultern hingen, aber diese Kombination war in Tarabon nichts Ungewöhnliches. Beide Frauen waren größer als Moiraine, Liandrin allerdings nur um weniger als eine Handbreite.

Anaiyas grobes Gesicht wurde sofort, als Moiraine die Tür öffnete, von einem Lächeln überzogen. Dieses Lächeln verlieh ihr die einzige Schönheit, die sie je besitzen würde, aber es reichte. Fast jeder fühlte sich beruhigt, sicher und als etwas Besonderes, wenn er oder sie von Anaiya angelächelt wurde. »Das Licht leuchte dir, Moiraine. Es ist schön, dich wiederzusehen. Geht es dir gut? Wir haben uns schon so lange nicht gesehen.«

»Mein Herz ist leichter, nun, da du da bist, Anaiya.« Das stimmte auch ganz gewiß; es war gut zu wissen, daß sie unter den Aes Sedai, die nach Fal Dara gekommen waren, wenigstens eine Freundin hatte. »Das Licht leuchte dir.«