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»Mit einem Grolm ist immer zu rechnen«, sagte Selene. Die große weiße Stute scheute und bleckte die Zähne zu Rands Braunem hin, aber Selenes Griff an den Zügeln beruhigte sie.

Rand hing sich den Bogen über und stieg auf den Braunen. Licht, wie kann denn Haut so zart sein? »Hurin, wo ist die Spur? Hurin? Hurin!« Der Schnüffler fuhr zusammen und hörte auf, Selene anzugaffen. »Ja, Lord Rand. Äh... die Spur. Nach Süden, Lord Rand. Immer noch nach Süden.«

»Dann also los.« Rand sah unsicher hinüber zu dem graugrünen mächtigen Körper des Grolms, der im Bachbett lag. Es war schöner gewesen, sich vorzustellen, sie wären die einzigen Lebewesen auf dieser Welt. »Nimm die Spur auf, Hurin!«

Zuerst ritt Selene neben Rand und plauderte mit ihm über dies und das, stellte ihm Fragen und nannte ihn Lord. Mehrmals wollte er ihr sagen, er sei kein Lord, nur ein Schäfer, aber jedesmal, wenn er sie ansah, blieben ihm die Worte im Hals stecken. Eine Lady wie sie spräche nicht mit einem Schäfer, da war er sicher, nicht einmal mit einem Schäfer, der ihr Leben gerettet hatte.

»Ihr werdet ein großer Mann sein, wenn Ihr das Horn von Valere gewonnen habt«, sagte sie zu ihm. »Ein Mann, aus dem eine Legende wird. Der Mann, der das Horn bläst, wird seine eigenen Legenden erschaffen.«

»Ich will es nicht blasen, und ich will auch kein Teil irgendeiner Legende sein.« Er wußte nicht, ob sie ein Parfüm benutzte, aber sie schien von einem Duft umgeben, der seine Sinne verwirrte und ihm den Kopf mit eigenartigen Gedanken erfüllte. Gewürze, gleichzeitig scharf und süß, kitzelten ihn in der Nase, und er schluckte.

»Jeder will ein großer Mann sein. Ihr könntet der größte Mann aller Zeitalter werden.«

Das klang zu sehr nach Moiraines Worten. Der Wiedergeborene Drache würde aus den Zeitaltern herausragen. »Ich doch nicht!« rief er leidenschaftlich. »Ich bin nur dabei, das Horn zu suchen. Und einem Freund zu helfen.«

Sie schwieg für einen Moment und sagte dann: »Ihr habt Euch die Hand verletzt.«

»Es ist nichts.« Er wollte schon die verwundete Hand in die Manteltasche stecken — sie schmerzte stark, weil er die Zügel zu fest gehalten hatte —, da griff sie herüber und nahm seine Hand in die ihre.

Er war so überrascht, daß er es zuließ, und dann hatte er nur die Wahl, sie ihr entweder grob zu entreißen oder zuzulassen, daß sie das Taschentuch entfernte. Ihre Berührung wirkte kühl und sicher. Seine Handfläche war in einem bösartigen Rotton angelaufen und geschwollen, aber der Reiher zeichnete sich klar und deutlich ab.

Sie berührte das eingebrannte Zeichen mit einem Finger, sagte aber nichts und fragte nicht einmal, wie er dazu gekommen war. »Ihr könntet eine steife Hand davontragen, falls sich niemand darum kümmert. Ich habe eine Salbe, die helfen wird.« Sie nahm eine kleine Steinflasche aus einer Innentasche ihres Umhangs, zog den Stöpsel heraus und rieb ihm sanft eine weiße Flüssigkeit auf die Handfläche und die Brandwunde, während sie weiterritten.

Die Salbe fühlte sich erst kühl an, schien sich dann aber zu erwärmen und in sein Fleisch einzudringen. Und sie wirkte genausogut, wie Nynaeves Salben es manchmal taten. Er blickte erstaunt auf seine Hand, als die Röte verflog und die Schwellung unter ihren sanft massierenden Fingern zurückging.

»Einige Männer«, sagte sie, ohne den Blick von seiner Hand zu wenden, »entscheiden sich dafür, den Ruhm zu suchen, während er anderen aufgezwungen wird. Es ist immer besser, freiwillig diesen Weg zu gehen als gezwungenermaßen. Ein Mann, der in diese Rolle gezwungen wird, ist niemals ganz sein eigener Herr. Er wird von denen, die ihn hineinzwingen, als Marionette benutzt.«

Rand entzog ihr seine Hand. Die Brandwunde sah aus, als sei sie mindestens eine Woche alt, und war schon fast verheilt. »Was meint Ihr damit?« wollte er wissen.

Sie lächelte ihn an, und er schämte sich ob seines Ausbruchs. »Na, das Horn natürlich«, sagte sie ruhig. Dann steckte sie die Salbe weg. Ihre Stute, die neben Rands Braunem herschritt, war so groß, daß sich Selenes Augen nur wenig unter Rands Augenhöhe befanden. »Wenn Ihr das Horn von Valere findet, könnt Ihr dem Ruhm nicht entrinnen. Wird er Euch dann aufgezwungen oder werdet Ihr Euch ihm freiwillig hingeben? Das ist die Frage.«

Er öffnete und schloß die Hand probeweise. Sie klang sosehr wie Moiraine. »Seid Ihr eine Aes Sedai?«

Selenes Augenbrauen hoben sich. Ihre dunklen Augen funkelten ihn an, aber ihre Stimme klang sanft. »Aes Sedai? Ich? Nein.«

»Ich wollte Euch nicht kränken. Es tut mir leid.«

»Mich kränken? Ich bin nicht gekränkt, aber ich bin keine Aes Sedai.« Ihre Lippen verzogen sich spöttisch, und selbst das sah schön aus. »Sie hocken in ihrer vermeintlichen Sicherheit, obwohl sie soviel tun könnten. Sie dienen, obwohl sie herrschen könnten, und sie lassen die Männer Kriege ausfechten, während sie Ruhe und Ordnung in die Welt bringen könnten. Nein, nennt mich niemals Aes Sedai!« Sie lächelte und legte die Hand auf seinen Arm, um ihm zu zeigen, daß sie sich nicht geärgert hatte. Bei ihrer Berührung mußte er schlucken. Er war erleichtert, als sie ihre Stute verhielt und dann neben Loial weiterritt. Hurin nickte ihr untertänig zu wie ein alter Diener der Familie.

Rand war erleichtert, aber er vermißte auch gleichzeitig ihre Gegenwart. Sie befand sich nur zwei Spannen entfernt, aber das war eben nicht das gleiche, wie wenn er sie direkt neben sich gehabt hätte, nahe genug, um ihren Duft zu spüren, nahe genug, sie zu berühren. Er drehte sich im Sattel um und sah nach ihr. Sie ritt neben Loial, und der Ogier hatte sich weit heruntergebeugt, um mit ihr zu sprechen. Rand setzte sich ärgerlich im Sattel zurecht. Es war ja nicht so, daß er sie unbedingt berühren wollte — er erinnerte sich an seine Liebe zu Egwene und hatte Schuldgefühle, weil er erst bewußt daran denken mußte — aber sie war so schön, und sie hielt ihn für einen Lord, und sie behauptete, er könne ein großer Mann werden. Er kämpfte in Gedanken mit sich selbst. Moiraine sagt auch, du kannst groß werden — der Wiedergeborene Drache. Selene ist keine Aes Sedai. Das stimmt; sie ist eine Adlige aus Cairhien, und du bist ein Schäfer. Das weiß sie doch nicht. Wie lange willst du sie noch mit einer Lüge täuschen? Nur so lange, bis wir von hier weg sind. Falls wir wegkommen. Falls. Damit beruhigten sich seine Gedanken und verfielen in mürrisches Schweigen.

Er bemühte sich, die Landschaft im Auge zu behalten. Wenn Selene behauptete, es gäbe mehr von diesen Dingern... diesen Grolmen... in der Gegend, dann glaubte er ihr. Hurin war zu sehr darauf konzentriert, die Spur zu wittern, um irgendeine Gefahr zu bemerken, und Loial war ganz in seine Unterhaltung mit Selene versunken, so daß er nichts sehen würde, bis es ihn in die Ferse bisse. Aber es war schwer, die Landschaft zu betrachten. Wenn er den Kopf zu schnell drehte, traten ihm die Tränen in die Augen. Ein Hügel oder ein Gehölz konnten, aus einem Winkel gesehen, eine Meile entfernt erscheinen, und aus einem anderen Blickwinkel waren sie nur ein paar hundert Spannen entfernt.

Die Berge kamen näher, das war sicher. Brudermörders Dolch, der nun hoch in den Himmel ragte, zeigte eine gezackte Reihe schneebedeckter Gipfel. Das Land rundum stieg bereits zu einer Hügelkette an, die die nahen Berge ankündigte. Sie würden den Saum der eigentlichen Berge noch vor Einbruch der Dunkelheit erreichen, vielleicht in einer Stunde. Mehr als dreihundert Meilen in weniger als drei Tagen. Noch schlimmer: Wir haben den größten Teil eines Tages südlich des Erinin noch in unserer eigenen Welt verbracht. Mehr als dreihundert Meilen also in weniger als zwei Tagen.

»Sie sagt, du hattest recht mit deinen Ansichten in bezug auf diesen Ort, Rand.«

Rand fuhr zusammen, denn er hatte nicht bemerkt, daß Loial zu ihm nach vorn aufgeschlossen hatte. Er sah sich nach Selene um und stellte fest, daß sie neben Hurin einherritt. Der Schnüffler grinste, nickte und legte beinahe bei jedem Wort die Faust vor die Stirn. Rand warf dem Ogier einen Seitenblick zu. »Ich bin überrascht, daß du nicht mehr an ihrer Seite bist, so wie ihr die Köpfe zusammengesteckt habt. Was meinst du damit: daß ich recht hatte?«