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Lachend und so graziös, als ob sie sie tanze, kam Selene auf ihn zu. Mondschatten ließen ihr Gesicht geheimnisvoll erscheinen, als sie zu ihm aufblickte, und das Geheimnis machte es um so schöner. »Ich bin in der Lage, auf mich selbst aufzupassen, bis Ihr zurückkehrt, um mich zu beschützen. Nehmt den Alantin mit.«

»Sie hat recht, Rand«, sagte Loial und stand auf. »Ich kann bei Mondschein besser sehen als du. Dank meiner Augen müssen wir uns vielleicht nicht so nahe heranschleichen wie du allein.«

»Also gut.« Rand ging hinüber zu seinem Schwert und schnallte es sich um. Bogen und Köcher ließ er liegen. Im Dunklen war ein Bogen zu nichts nutze, und er wollte außerdem etwas ausspähen und nicht kämpfen. »Hurin, zeig mir dieses Feuer!«

Der Schnüffler führte ihn den Abhang hinauf zu dem Vorsprung, der wie ein riesiger Steindaumen aus dem Berg ragte. Das Feuer war nur als winziger Fleck zu erkennen — beim ersten Mal, als Hurin darauf zeigte, entdeckte er es noch gar nicht. Wer immer es angezündet hatte, wollte nicht, daß es gesehen wurde. Er merkte sich die genaue Lage.

Als sie zum Lager zurückkehrten, hatte Loial den Braunen und sein eigenes Pferd gesattelt. Rand kletterte auf den Hengst, und Selene faßte ihn an der Hand. »Denkt an den Ruhm«, sagte sie leise. »Denkt daran.« Das Hemd schien ihr besser zu passen als vorher. Es hatte sich ihrer Figur angepaßt.

Er holte tief Luft und zog seine Hand zurück. »Du bist mir für ihr Leben verantwortlich, Hurin. Loial?« Er gab dem Braunen sanft die Fersen. Das große Reittier des Ogiers polterte hinterher.

Sie bemühten sich erst gar nicht, schnell vorwärtszukommen. Die Nacht verbarg den Abhang, und die Mondschatten machten den Boden unübersichtlich. Rand konnte das Feuer nicht mehr sehen — zweifellos war es dem Beobachter verborgen, der sich auf gleicher Höhe befand —, aber er hatte die Lage im Kopf. Für jemanden, der im Gewirr des Westwaldes im Gebiet der Zwei Flüsse das Jagen erlernt hatte, stellte es keine große Schwierigkeit dar, das Feuer zu finden. Und was dann? Selenes Gesicht tauchte vor ihm auf. Wie stolz wäre ich, an der Seite dessen zu stehen, der das Horn in Händen hält.

»Loial«, sagte er plötzlich in einem Versuch, wieder klarer zu denken, »was bedeutet dieses Alantin, mit dem sie dich immer bezeichnet?«

»Das ist in der Alten Sprache, Rand.« Das Pferd des Ogiers suchte sich unsicher seinen Weg, aber er lenkte es beinahe so sicher wie bei Tageslicht. »Es bedeutet ›Bruder‹ und ist die Kurzform von Tia avende Alantin. Bruder der Bäume. Baumbruder. Es ist sehr förmlich, aber ich habe gehört, daß die Leute in Cairhien Formalitäten lieben. Zumindest die Adelshäuser. Die einfachen Menschen, die ich dort sah, benahmen sich überhaupt nicht förmlich.«

Rand runzelte die Stirn. Ein Schäfer wäre unter diesen Umständen wohl kaum annehmbar für ein Adelshaus aus Cairhien gewesen. Licht, Mat hatte recht in bezug auf dich. Du spinnst und hast dazu einen mächtig geschwollenen Kopf. Aber wenn ich heiraten könnte...

Er hätte etwas dafür gegeben, seine Gedanken abschalten zu können, und bevor es ihm bewußt wurde, hatte sich in ihm das Nichts gebildet und ließ die Gedanken fern erscheinen, als seien sie Teil eines anderen Menschen. Saidin beleuchtete ihn, lockte ihn. Er knirschte mit den Zähnen und wollte es nicht wahrhaben. Es war, als versuche er, eine glühende Kohle in seinem Kopf nicht zur Kenntnis zu nehmen; aber wenigstens wurde es nicht schlimmer. Doch beinahe hätte er das Nichts verlassen, aber dort draußen in der Nacht befanden sich die Schattenfreunde, und sie kamen immer näher. Und die Trollocs. Er brauchte die Leere, brauchte sogar die halbherzige Ruhe des Nichts. Ich muß es nicht berühren. Ich muß nicht.

Nach einer Weile hielt er den Braunen an. Sie standen am Fuß eines Hügels. Die weit verstreuten Bäume auf dem Abhang waren schwarze Schemen in der Nacht. »Ich glaube, wir sind jetzt nahe dabei«, flüsterte er. »Am besten gehen wir den Rest des Wegs zu Fuß.« Er glitt aus dem Sattel und band die Zügel des Hengstes an einen Ast.

»Fühlst du dich wohl?« flüsterte Loial beim Absteigen. »Du klingst so eigenartig.«

»Mir geht's gut.« Seine Stimme klang äußerst angespannt, merkte er. Gedehnt. Saidin rief ihn zu sich. Nein! »Sei vorsichtig. Ich kann nicht sicher sagen, wie weit es noch ist, aber das Feuer befindet sich irgendwo direkt vor uns. Auf der Hügelkuppe, vermute ich.« Der Ogier nickte.

Vorsichtig schlich sich Rand von Baum zu Baum, setzte einen Fuß vor den anderen und hielt sein Schwert fest, damit es nicht gegen einen Baumstamm schlug. Er war dankbar dafür, daß es kaum Unterholz gab. Loial folgte ihm wie ein großer Schatten — viel mehr konnte Rand von ihm nicht sehen. Alles schien nur aus Mondschatten und Dunkelheit zu bestehen.

Plötzlich löste irgendein besonderer Einfallswinkel des Mondscheins die Schatten vor ihm auf, und er erstarrte. Er hielt sich an der rauhen Rinde eines Lederblattbaumes fest. Undeutliche Erhebungen auf dem Boden vor ihm verwandelten sich zu Männern, in Decken gehüllt. Ein Stück entfernt fiel sein Blick auf eine Gruppe größerer Erhebungen. Schlafende Trollocs. Sie hatten das Feuer gelöscht. Ein Mondstrahl, der sich zwischen den Ästen durchschob, enthüllte einen goldenen und silbernen Schimmer am Boden in der Mitte zwischen beiden Gruppen. Der Mondschein schien heller zu werden; für einen Augenblick hatte er klare Sicht. Die Gestalt eines schlafenden Mannes lag neben dem Schimmer, aber er war es nicht, der seinen Blick anzog. Die Truhe. Das Horn. Und etwas obenauf. Ein roter Lichtpunkt erstrahlte im Mondschein. Der Dolch! Warum legte Fain den...?

Loials riesige Hand legte sich auf Rands Mund. Er wandte sich um und sah den Ogier an. Loial zeigte bedächtig nach rechts.

Zuerst konnte Rand nichts entdecken. Dann bewegte sich ein Schatten keine zehn Schritt entfernt. Ein großer massiger Schatten mit einer langen Schnauze. Rand stockte der Atem. Ein Trolloc. Er hob die Schnauze witternd in die Luft. Manche von ihnen jagten nur nach Witterung. Für einen Moment flackerte das Nichts. Im Lager der Schattenfreunde rührte sich jemand, und der Trolloc wandte sich um und spähte hinüber.

Rand erstarrte und ließ sich von der Ruhe der Leere einhüllen. Seine Hand lag auf dem Schwertgriff, aber er dachte überhaupt nicht nach dabei. Das Nichts war alles. Was auch immer geschah, es geschah. Er beobachtete den Trolloc ohne jedes Augenzwinkern.

Der Schatten mit der Schnauze beobachtete das Lager der Schattenfreunde noch ein wenig und ließ sich dann, anscheinend befriedigt, neben einem Baum nieder. Beinahe augenblicklich war ein leises Geräusch wie von reißendem Stoff zu vernehmen.

Loial brachte seinen Mund ganz nahe an Rands Ohr. »Er schläft«, flüsterte er ungläubig.

Rand nickte. Tam hatte ihm gesagt, Trollocs seien faul und würden jede Aufgabe schnell vernachlässigen — vom Töten abgesehen —, wenn sie nicht von Angst getrieben wurden. Er wandte sich wieder dem Lager zu.

Alles war ruhig dort, nichts rührte sich. Der Mondstrahl traf die Truhe nicht mehr, aber er wußte nun, welcher Schatten es war. Er konnte sie im Geist sehen, wie sie golden und mit Silber verziert im Schein von Saidin glitzerte. Das Horn von Valere und der Dolch, den Mat brauchte, und beides so nahe, daß er sie beinahe mit der Hand berühren konnte. Selenes Gesicht schwebte neben der Truhe. Sie konnten Fains Gruppe am Morgen folgen und warten, bis Ingtar sich ihnen anschloß. Falls Ingtar kam; falls er der Spur ohne Schnüffler noch folgte. Nein, es würde keine bessere Möglichkeit mehr geben. Alles in Reichweite seiner Hand. Selene wartete auf dem Berg.

Rand bedeutete Loial, ihm zu folgen, legte sich auf den Bauch und kroch auf die Truhe zu. Er hörte den Ogier gedämpft aufkeuchen, aber seine Augen waren auf die schattenhafte Erhebung vor ihm gerichtet. Schattenfreunde und Trollocs lagen zu seiner Rechten und zu seiner Linken, aber als er einst beobachtet hatte, wie Tam sich so nahe an einen Hirsch herangeschlichen hatte, daß er ihm die Hand auf die Flanke legen konnte, bevor das Tier erschreckt davonstürzte, hatte er sich vorgenommen, diese Kunst ebenfalls zu erlernen. Wahnsinn! Der Gedanke huschte fast außerhalb seiner Reichweite an ihm vorbei. Das ist Wahnsinn! Du-wirst-verrückt! Undeutliche Gedanken; die Gedanken eines anderen.