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John Norman

Die Jäger von Gor

1

»Ich wünsche nicht«, sagte Samos und hob den Blick vom Spielbrett, »daß du in die nördlichen Wälder reist.«

Ich musterte die Figuren. Nach reiflichem Überlegen setzte ich meinen Ubars Tarnkämpfer auf Ubars Schriftgelehrten Sechs.

»So eine Reise wäre gefährlich«, meinte Samos.

»Du bist am Zug«, erwiderte ich, ohne mich vom Spiel ablenken zu lassen.

Er bedrohte den Ubars Tarnkämpfer mit einem Speerträger, den er auf seinen Ubar Vier vorzog.

»Wir möchten dich nicht verlieren«, setzte Samos das Gespräch fort. Um seine Lippen spielte ein leichtes Lächeln.

»Wir?« fragte ich.

»Die Priesterkönige und ich«, sagte er und lächelte.

»Ich diene den Priesterkönigen nicht mehr.«

»Ach ja«, meinte Samos, seufzte und fügte hinzu: »Paß auf deinen Tarnkämpfer auf.«

Wir spielten in der großen Halle Samos, in einem hohen, luftigen Raum mit großen schmalen Fenstern. Es war tiefe Nacht. Eine Fackel brannte in einem Gestell links hinter mir. Schatten zuckten über das Spielbrett, das aus hundert roten und gelben Quadraten bestand. Die geschnitzten Spielfiguren wirkten in diesem Licht groß und massiv.

Wir saßen mit untergeschlagenen Beinen auf den Fliesen des Bodens, über das große Spiel gebeugt.

Rechts von mir klimperten die Sklavenglöckchen eines Mädchens.

Samos trug die blau-gelbe Robe eines Sklavenhändlers. Er war der erste Vertreter dieses Standes in Port Kar und erster Kapitän im Kapitänsrat dieser Stadt. Auch ich gehörte diesem Rat an, der seit dem Niedergang der vier Ubars von Port Kar herrschte – ich, Bosk aus Port Kar. Ich trug ein weißes Gewand, aus der Wolle der Hurt gewoben, aus dem fernen Ar importiert, mit feiner Goldborte aus Tor abgesetzt. Die Farbe meines Gewands wies mich als Kaufmann aus. Doch unter meiner Robe trug ich eine rote Tunika, die Farbe der Krieger.

In einer Ecke des Raums kniete ein Mann, der in Ketten gelegt war und ein breites Eisenband um den Hals trug. Zwei Wächter flankierten ihn, behelmt und bewaffnet. Der Kopf des Mannes war vor einigen Wochen verunstaltet worden; man hatte ihm von der Stirn bis in den Nacken einen handbreiten Streifen Haar abrasiert. Inzwischen wuchsen die Haarstoppeln nach, die wie das übrige Haar schwarz und borstig waren. Der Mann war sehr kräftig. Er war noch nicht gebrandet worden, obwohl er ein Sklave war. Der Halskragen wies ihn als Sklaven aus.

Das Mädchen kniete neben dem Spielbrett. Sie trug ein kurzes rotes Seidengewand, die Kleidung einer Vergnügungssklavin. Sie war schön. Ihr Kragen, der ein Schloß hatte, war mit gelbem Emaille verziert.

»Paga«, sagte Samos geistesabwesend und starrte auf das Spiel.

»Ja«, sagte ich.

Mit klimpernden Glöckchen zog sich die Sklavin zurück, ohne den knienden Mann eines Blickes zu würdigen.

Ich bemerkte seinen wütenden Blick und hörte, wie sich die Ketten bewegten. Die Wächter kümmerten sich nicht um ihn. Er konnte nicht entkommen. Das Mädchen lachte und ging weiter, um Paga zu holen.

»Paß auf deinen Tarnkämpfer auf«, sagte Samos.

Statt dessen attackierte ich mit meinem Ubar auf Ubars Tarnkämpfer Eins.

Darauf blickte ich Samos prüfend an, doch er schaute auf das Spiel.

Er hatte einen großen, massigen Kopf und kurzes weißes Haar. Sein Gesicht war von der Sonne dunkel gebräunt und vom Wind und von der See gezeichnet. Kleine goldene Ringe baumelten ihm an den Ohren. Er war Pirat und Sklavenhändler, ein Meister mit dem Schwert, ein Kapitän aus Port Kar. Er betrachtete konzentriert das Spiel.

Dann nahm er nicht den Ubars Tarnkämpfer mit seinem Speerträger. Er sah mich vielmehr an und verteidigte seinen Heimstein, indem er seinen Schriftgelehrten auf Ubar Eins vorrückte, von wo er seinen Ubars Tarnkämpfer Drei steuern konnte – und damit die tödliche Diagonale beherrschte.

»Wie ich höre, ist Talena, die Tochter des Marlenus aus Ar, als Sklavin in die nördlichen Wälder gebracht worden«, sagte ich beiläufig.

»Woher hast du diese Information?« wollte er wissen. Samos war immer mißtrauisch.

»Von einer Sklavin, die in meinem Haus gelebt hat«, sagte ich. »Sie war ein hübsches Mädchen. Ihr Name war Elinor.«

»Ist das jene El-in-or, die nun Rask aus Treve gehört?« fragte er.

»Ja«, sagte ich und lächelte. »Ich habe hundert Goldstücke für sie bekommen.«

Samos lächelte. »Für einen solchen Preis wird Rask aus Treve dafür sorgen, daß er den tausendfachen Gegenwert an Freuden von ihr erhält.«

Ich lächelte ebenfalls. »Zweifellos. Und doch vermute ich, daß echte Liebe die beiden verbindet.«

Samos lächelte. »Liebe?« fragte er. »Liebe – zu einer Sklavin? Daß ich nicht lache!«

»Paga, die Herren?« fragte das dunkelhaarige Mädchen und kniete neben dem Tisch nieder.

Ohne sie anzusehen, hob Samos seinen Weinkelch. Das Mädchen schenkte ein.

Auch ich hob das Trinkgefäß und erhielt frischen Wein.

»Warte dort drüben«, sagte Samos, und sie gehorchte.

»Liebe oder nicht«, fuhr er fort, »er wird ihr den Kragen nicht nehmen. Immerhin stammt er aus Treve.«

»Sicher«, sagte ich. Und ich zweifelte nicht, daß Samos recht hatte. Obwohl er sie liebte, würde Rask aus Treve diesem Mädchen keine Rechte einräumen; sie würde in der absoluten Abhängigkeit eines goreanischen Sklavenmädchens bei ihm leben – das war nach den Sitten Treves gar nicht anders möglich.

»Es heißt, die Männer aus Treve sind würdige Gegner«, meinte Samos.

Ich schwieg.

»Jedenfalls sollen das die Kämpfer auf Ko-ro-ba immer wieder festgestellt haben.«

»Ich bin Bosk aus Port Kar«, sagte ich.

»Natürlich«, versicherte er lächelnd.

Ich zog meinen Ubarreiter des Hohen Tharlarion vor, so daß er die Reihe beherrschte, auf der gut geschützt Samos’ Heimstein lag.

»Es ist lange her, daß du der Freie Gefährte Talenas warst, der Tochter des Marlenus«, bemerkte Samos. »Die Gefährtenschaft ist beendet, da sie nicht jährlich erneuert wurde. Und du bist zwischendurch Sklave gewesen.«

Ärgerlich starrte ich auf das Spiel. Es traf zu, daß die Gefährtenschaft nach den goreanischen Gesetzen gelöscht war, da wir sie nicht erneuert hatten. Es stimmte auch, daß unabhängig davon jede goreanische »Ehe« sofort beendet worden wäre, wenn einer der beiden Partner versklavt wurde. Beschämt erinnerte ich mich an meine Abenteuer im Voskdelta, wo ich einmal – obwohl ich Krieger war – auf den Knien darum gefleht hatte, am Leben zu bleiben, wo ich die Unwürdigkeit der Sklaverei höher eingeschätzt hatte als einen ehrenvollen Tod. Ja, ich, Bosk aus Port Kar, war schon einmal Sklave gewesen.

»Du bist am Zug«, sagte ich.

»Du hast keine Verpflichtung, Talena zu suchen«, blieb Samos beim Thema.

Das wußte ich. »Ich bin ihrer nicht würdig.«

Nie hatte ich sie vergessen, die schöne grünäugige Talena mit der Olivenhaut und der herrlichen Figur und den fantastischen Lippen, erfüllt vom stolzen Blut Marlenus’ aus Ar, des Ubar dieser Stadt, des Ubar aller Ubars. Sie war meine erste wirkliche Liebe gewesen. Es war Jahre her, daß wir uns berührt hatten.

»Die Priesterkönige haben mich von ihr getrennt«, sagte ich mit zusammengepreßten Lippen.

Samos hob den Blick nicht. »Im Kampf der Welten sind wir nur unwichtige Spielsteine.«

»Ich habe jedenfalls erfahren, daß sie in die nördlichen Wälder gebracht wurde«, sagte ich. »Und zwar von Verna der Gesetzlosen, als Lockmittel für Marlenus aus Ar, der seine Tochter angeblich befreien will.« Ich blickte auf. »Auf einer Jagdexpedition hat Marlenus vor kurzem auch Verna und ihre Mädchen gefangen. Er steckte sie in Käfige und stellte sie als Jagdtrophäen aus. Sie sind jedoch geflohen und wollen sich jetzt rächen.«

»Du tätest gut daran, in Port Kar zu bleiben«, sagte Samos.

»Talena wird in den nördlichen Wäldern festgehalten.«

»Liebst du sie noch immer?« wollte Samos wissen und sah mich prüfend an.

Ich fühlte mich ertappt. Seit Jahren hatte die großartige Talena, die herrliche Talena in den geheimsten Träumen meines Herzens die wichtigste Rolle gespielt, meine erste, unvergeßliche Liebe. Sie war wie eingebrannt gewesen in mein Gedächtnis. Ich erinnerte mich, wie ich sie gesehen hatte – auf den Feldern nahe dem Sumpfwald südlich von Ar, in der Karawane Mintars, im großen Lager von Pa-Kurs Horde und auf dem hohen Justizzylinder Ars und im sanften Lampenschein Ko-ro-bas, wo wir eng beieinander gesessen und den Wein der Freien Gefährtenschaft getrunken hatten. Wie konnte ich sie nicht lieben – Talena, meine erste wahre Liebe, die erste Liebe meines Lebens?