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Thurnock öffnete eilig die Schlösser der Handfesseln und des schweren Halskragens.

Ich nahm Thurnock den Schlüssel ab und befreite Rim und Arn von ihren Ketten.

Marlenus sah mich unfreundlich an. »Du solltest Ar auch künftig meiden«, sagte er.

»Ich komme nach Ar, wenn es mir gefällt«, erwiderte ich kalt.

»Die Frauen!« rief plötzlich jemand. »Sie fliehen!«

Hura und ihre Mädchen hatten sich heimlich zum geöffneten Palisadentor geschlichen und eilten in die Dunkelheit davon.

»Ihnen nach!« brüllte Thurnock, aber gleichzeitig hörten wir aus der Richtung des Waldes die überraschten Schreie der Mädchen und das Lachen von Männern.

»Haltet die Waffen bereit!« brüllte Marlenus.

Doch ich steckte meine Klinge ein.

Wenige Sekunden später erschienen Männer am Tor der Palisade. Es handelte sich um die Gefolgsleute Marlenus’, die von Sarus im Wald zurückgelassen worden waren. Die Panthermädchen waren ihnen auf ihrer Flucht direkt in die Arme gelaufen.

In diesem Augenblick erschien Cara zwischen den Männern und warf sich Rim an den Hals. Cara hatte die Werkzeuge, die ich von der Rhoda gestohlen hatte – einen schweren Hammer und einen Meißel – in den Wald gebracht. Dabei war sie der Spur der Tyrer gefolgt und hatte nach vielen Stunden den Ort gefunden, wo Sarus zahlreiche Männer des Marlenus und auch einige meiner Gefolgsleute angekettet hatte. Dort war sie auch Vinca, Ilene und den beiden anderen Pagasklavinnen mit meinen gefangenen Pantherfrauen begegnet. Vinca und ihre Mädchen hatten mehrere Feuer um die Männer angezündet, um sie vor Tieren zu schützen, und hatten sich darangemacht, die Fesseln eines besonders kräftigen Mannes aus Ar zu lösen, der weitere Fesseln aufstemmen konnte. Der ganze Vorgang mußte viele Ahn gedauert haben.

Der Anführer der Gruppe hob grüßend die Hand vor Marlenus, der die Geste erwiderte.

Ich sah mich um und musterte die Panthermädchen, die nun gefesselt vor dem Feuer standen.

»Zwei fehlen«, sagte ich zu Thurnock. »Hura und Mira sind nicht unter den Gefangenen.«

»Ich will Hura haben!« brüllte Marlenus. »Sucht sie!«

Seine Männer eilten davon.

Doch ich glaubte nicht, daß sie Erfolg haben würden. Hura und Mira waren Panthermädchen. Im Wald war ihnen nicht beizukommen.

Nach einer halben Ahn kehrten die Männer unverrichteter Dinge zurück. Es war sinnlos, die Verfolgung fortzusetzen. Die beiden Frauen waren entwischt.

Kurz darauf stellte ich fest, daß auch Verna und Sheera fehlten. Ich war wütend. Doch mein Blutverlust war so groß, daß ich mich kaum noch auf den Beinen halten konnte. In dem Durcheinander hatte ich nicht mehr auf sie geachtet.

»Wo ist Verna?« brüllte Marlenus.

»Bring mich zur Tesephone«, sagte ich leise zu Thurnock. »Ich bin sehr müde.«

»Wo ist Verna, Bosk aus Port Kar!« fragte Marlenus herausfordernd.

»Ich weiß es nicht«, erwiderte ich und wandte mich ab. Ich wollte nur noch ruhen.

»Bringt Paga und Vorräte von den Schiffen!« befahl Marlenus.

Thurnock sah mich an.

»Ja«, sagte ich, »gib ihm, was er will.«

»Es wird für alles bezahlt«, rief Marlenus.

Thurnock half mir zum Wasser. Sarus’ Signalfeuer war niedergebrannt.

»Wir feiern ein Fest!« hörte ich Marlenus brüllen. »Nehmt den Sklavinnen die Fesseln ab! Sie sollen bedienen!«

»Komm, Kapitän«, sagte Thurnock.

Acht meiner Leute schoben das Langboot ins Wasser, wateten hinterher und schwangen sich hinein. Auch Thurnock kletterte hinein, beugte sich herunter und half mir an Bord.

Hinter mir hörte ich lauten Gesang – Ruhmeslieder auf Ar und auf den Ubar aller Ubars, auf Marlenus.

Meine Wunden brannten von dem Salzwasser. Ich konnte mich kaum noch bewegen. Eine seltsame Wärme breitete sich in meinem Körper aus, die ich willkommen hieß. Mir war alles egal.

Ich schüttelte den Kopf. Vor mir sah ich die Lichter der Rhoda und der Tesephone.

Ich hatte meine Ehre wiederhergestellt. Ich lachte bitter. Was hatte mir das genützt? Marlenus gehörte der Sieg – nicht mir. Ich hatte nur schmerzhafte Wunden davongetragen. Auch mein Bein begann sich nun steif anzufühlen.

»Kapitän?« fragte Thurnock entsetzt.

Ich sank über dem Steuerruder zusammen.

22

Der Wind, der über die steinige Küste fegte, war kalt. Die Männer hatten ihre Roben fest um sich gewickelt. Ich saß in Decken gehüllt in einem Kapitänsstuhl, den man von der Tesephone geholt hatte. Das Thassa war grün und kalt. Der Himmel schimmerte grau. Einen Pasang vor der Küste schwangen die Rhoda und die Tesephone an den Ankerleinen.

Ich blickte zu dem Palisadenzaun hinüber, den Sarus’ Männer errichtet hatten. Das Tor ging auf, und Marlenus trat heraus, gefolgt von seinen Männern – von fünfundachtzig Kriegern aus Ar. Sie trugen Felle und waren bewaffnet. Sie führten Sarus und seine Männer heraus, die ebenso angekettet waren wie Hura und ihre Panthermädchen und wie Vernas Mädchen, die schon vor langer Zeit gefangengenommen worden waren. Zum Schluß kamen die Sklavinnen, die Marlenus von Ar aus mit auf die Reise genommen hatte.

Heute sollte das Lager aufgelöst und der Palisadenzaun zerstört werden.

Ich sah Marlenus und seinen Männern entgegen.

Vier Tage waren seit dem nächtlichen Kampf im Lager vergangen. Ich hatte fiebrig und von Schmerzen geplagt in meiner Kabine gelegen, im kleinen Heckraum der Tesephone.

Ich glaubte mich zu erinnern, daß Sheera liebevoll für mich gesorgt hatte.

»Vella!« hatte ich gerufen.

Ich befand mich in den Weißen Bergen von New Hampshire und wollte allein sein. Doch das war in der Arena Tharnas nicht möglich. Ich wehrte den schweren Schlag ab und hörte die Schreie der Frauen, Huras Mädchen. Ich griff nach dem Schwert, doch meine Hand stieß ins Nichts. Das graue Gesicht Pa-Kurs starrte mich ausdruckslos an. »Du bist tot!« rief ich ihm zu. »Du bist tot!« Dann war da das Gemurmel des Thassa, doch es war etwas anderes, nämlich das Gebrüll der Menschenmassen im Tarnstadion zu Ar. »Gladios aus Cos!« brüllten die Menschen. »Schneller, Ubar des Himmels!« rief ich. »Schneller! Schneller!« Ich drehte den Kopf zur Seite. Lara war sehr schön. Und Misk starrte mich mit seinen schimmernden scheibenförmigen Augen an. Seine goldenen Antennen mit ihrer zarten Tastbehaarung musterten mich. Ich berührte sie mit den Handflächen. »Möge Nestvertrauen zwischen uns sein!« Doch ich konnte ihn nicht erreichen. »Lobet Bosk aus Port Kar!« rief ich, und Paga schwappte aus meinem Weinkelch. »Feiert den Admiral aus Port Kar!« Doch wo war Midice? Wollte sie meinen Triumph nicht teilen? Und der kleine Torm in der blauen Robe des Schriftgelehrten hob den Kelch und prostete auf Talenas Schönheit. »Dir seien Brot, Feuer und Salz verweigert«, sagte Marlenus. »Bei Sonnenuntergang mußt du die Grenzen Ars verlassen haben!« Kamchak schlug mir auf die Schulter. »Wir wollen Tumits jagen!« Harold saß bereits im Sattel. Ich zerrte am ersten Zügel meines Tarn, und der riesige Raubvogel kreischte und sprang in den Himmel. Ich stand am Rand des Justizzylinders von Ar und starrte in die Tiefe. Pa-Kur war hinabgesprungen. Nur eine Tarnstange ragte in den Abgrund, drei Meter unter mir. Am Fuße des Zylinders wirbelte die Menge durcheinander. Die Leiche des Obersten Attentäters war nicht gefunden worden. Zweifellos war sie von den erbosten Menschen in Stücke gerissen worden. Pa-Kur war tot. Ich erinnerte mich an Elizabeth Cardwell, die jetzt – Tana hieß. An Saphrar, einen Kaufmann aus Tyros. »Pa-Kur lebt!« schrie ich und richtete mich auf. »Er lebt!«

Jemand drückte mich zurück in die Kissen. »Du mußt ruhen, Kapitän«, sagte Thurnock.

Ich sah mich in der Kabine um. »Vella?« fragte ich.

»Das Fieber ist vorbei«, sagte Sheera und legte mir die Hand auf die Stirn.

Ich schloß die Augen und schlief wieder ein.

»Sei gegrüßt, Bosk aus Port Kar«, sagte Marlenus.

Er stand vor mir, von seinen Männern umgeben. Er trug das Gelb eines Tyrers und um die Schultern einen Umhang aus Pantherfellen.