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Zum Schluss blickte Sam nach links auf den Fahrersitz. Er konnte nur die Hinterseite des Kopfes sehen, weil der Fahrer ihn etwas nach links gedreht hatte, als würde er aus dem Fenster in den Seitenspiegel blicken.

„Hey, Kumpel!“ Eigentlich erwartete er gar keine Antwort.

Er machte einen letzten Schritt vorwärts, sodass er auf einer Linie mit dem Fahrer- und Beifahrersitz stand. Er tippte dem Mann auf die Schulter, bevor er an ihm rüttelte. Der Kopf rollte herum und enthüllte ein klaffendes rotes Loch dort, wo eigentlich das Gesicht sein sollte. Augen, Nase und Mund des Fahrers waren nicht mehr da, und man konnte die Innenseite des Hinterkopfes sehen. Auf seinem Hemd klebte ein Lätzchen aus Blut, Hirnmasse und Glassplittern von der geborstenen Windschutzscheibe. Sam dachte blitzartig zurück an die Schreie des Mannes und das saugende Geräusch, das auf sie gefolgt war.

Das Moa’ah hat das getan. Aber warum?

Dann sah er es.

Beauchamps Schädel war während des kurzen, aber heftigen Flugs dort vorne aus dem Sarg gefallen. Und er war auf dem Schoß des Fahrers gelandet.

Sam sah genauer hin. In den Augenhöhlen war gerade noch so die pulsierende schwarze Substanz zu erkennen.

Vorhin war das Zeug da vielleicht noch nicht ganz wach, dachte Sam. Aber jetzt ist es das definitiv. Und Dean hatte recht, es ist sauer.

„Sam?“, rief Dean von hinten. „Wie schlimm sieht es da vorne aus?“

Sam antwortete nicht. Er wagte kaum zu atmen.

Vorsichtig, als würde er ein Hornissennest hochheben, ergriff er die Hinterseite von Beauchamps Schädel und hob ihn hoch. Er konnte spüren, wie das Moa’ah in der hohlen, knochigen Hemisphäre brummte wie der Vibrationsalarm eines Handys. Er hielt den Schädel kurz mit den Fingerspitzen fest, drehte ihn und warf ihn dann, so schnell er konnte, durch das Loch in der Windschutzscheibe auf die Straße. Es klapperte beim Aufprall. Der Schädel rollte über das Pflaster und blieb neben einem schwarzen Stiefel liegen.

„Danke, Sam! Wie umsichtig von dir, dass du die Arbeit für uns erledigst!“

Sam sah sich erstaunt nach der Quelle dieser hämischen Stimme um. Vielleicht zwanzig Meter vor ihnen stand eine Gruppe von fünf Rollenspielern in Unions- und Konföderationsuniformen samt passender Kopfbedeckungen. Die Männer warteten Seite an Seite mitten auf der Straße. Sie lächelten, und ihre Augen wurden lackschwarz.

„Dean“, Sam durchfuhr eine Welle der Erschöpfung. „Dämonen.“

„Schön. Ich alarmiere die Medien“, brummte Dean sarkastisch.

„Sam und Dean Winchester“, sagte der konföderierte Soldat, der dem Schädel am nächsten stand. „Wieder einmal haben wir euch bewiesen, dass ihr nichts besitzen könnt, das wir euch nicht wegnehmen können.“

Dean stöhnte.

„Zitiert der aus Indiana Jones?“

„Das scheint mir angemessen zu sein“, sagte der Dämon. „Nette Schutzkleidung übrigens. Hattet die FBI-Anzüge wohl satt, was?“

Ohne eine Antwort abzuwarten, bückte sich der Dämon und hob Beauchamps Schädel auf. Er hielt ihn auf Armeslänge, um das pulsierende Moa’ah darin besser sehen zu können.

„Wo ist die Schlinge, Jungs?“, fragte er.

„Sie ist nicht da“, sagte Dean.

„Was?“

„Du hast mich gehört, Hackfresse.“ Dean quetschte sich an Sam vorbei auf den Beifahrersitz, öffnete die Tür und stieg aus. „Sieht so aus, als ob du und der Rest der Bande falschen Informationen aufgesessen seid.“

„Versucht gar nicht erst, uns anzulügen!“

„Machen wir nicht“, sagte Sam. „Die Schlinge war nicht im Sarg. Seht es euch selbst an!“

Während er immer noch Beauchamps Schädel in der Hand hielt, ging der Soldatendämon auf den Sarg zu. Die anderen folgten ihm. Zwei von ihnen gingen in die Hocke und durchsuchten Knochen und Trümmer.

„Er hat recht“, bestätigte der eine. „Sie ist nicht da.“

„Sieht aus, als hättet ihr gerade Scheiße gebaut. Du hast verloren, Sonnenschein“, spottete Dean. „Sag nicht, dass wir dich nicht …“

Der konföderierte Soldat stieß ein dröhnendes Knurren voller ungezügelter Wut aus. Dann schleuderte er den Schädel, so heftig er konnte, auf die Erde. Er bekam einen Sprung, zerbrach aber nicht.

„Ich würde das lieber nicht tun“, sagte Sam, als er aus dem Wagen stieg und sich zu seinem Bruder gesellte.

Der Dämon ignorierte ihn und ließ seinen Stiefel mit voller Wucht auf den Schädel heruntersausen. Daraufhin passierten zwei Dinge gleichzeitig. Der Schädel zerbrach mit einem kurzen keramischen Knacken unter dem Absatz des Dämons, und das Moa’ah – inzwischen in hellwachem und ziemlich wütendem Zustand – jagte heraus. Es sammelte sich in der Luft und schoss dann wie eine Lanze mit aller Brutalität auf den Dämon zu.

Sam hatte noch nie einen Dämon so schreien hören. Das Moa’ah hatte den Körper des Dämons in weniger als einer Sekunde ausgeweidet, indem es durch den Brustkorb des Soldaten fetzte und ihn dabei fast entzweiriss. Der Dämon stieß einen schrillen Schrei aus und war tot, bevor sein Körper auf dem Asphalt aufschlug. Da hatte das Moa’ah schon seinen Kurs geändert und schlug einen Bogen zurück zu den anderen Soldaten, die sich um Beauchamps Knochen versammelt hatten. Es zerriss die Dämonen zwei und drei mit einer Geschwindigkeit und Rage, der das menschliche Auge kaum noch folgen konnte. Dann wirbelte es herum und löschte die beiden anderen mit einem einzigen abwärtsgerichteten Schlag aus. Schließlich wandte es sich um und ließ sich auf den restlichen Knochen in dem Sarg nieder, in dem es in den letzten eineinhalb Jahrhunderten ein Zuhause gefunden hatte. Der Deckel schloss sich mit einem Scheppern.

„Oha!“, sagte Dean. „Sollten wir jetzt wegrennen?“

„Ja, rennen klingt gut.“

„Also“, sagte Dean. „Was meinst du, wie weit ist es bis zur Stadt?“

„Ein paar Meilen.“

„Super.“

„Sam sah ihn an.

„Was?“

„Weißt du“, sagte Dean und strich über seinen flachen Bauch. „Ich könnte wirklich etwas Bewegung vertragen.“

„Dann drehten sich beide um und rannten los.

Sie waren noch keine zwanzig Meter weit gekommen, als sie sahen, wie von der Stadt her Blaulichter genau auf sie zugerast kamen. Es war zu spät, um sich zu verstecken.

Achtzehn

Die Reifen des Streifenwagens kamen quietschend vor Sam und Dean zum Stillstand, und Sheriff Daniels sprang mit Handschellen in der Hand aus dem Wagen. Ihr wütender Gesichtsausdruck hätte Stahl zum Schmelzen bringen können.

„Sie beide haben nicht die leiseste Ahnung, in was für Schwierigkeiten Sie stecken“, sagte sie. „Sie sind …“

„Festgenommen“, beendete Dean ihren Satz. „Ja, das ist uns klar.“

„Ran ans Auto!“ Daniels stieß Sam gegen den Wagen und riss seine Arme nach hinten. Dann ließ sie die Metallschellen an seinen Handgelenken zuschnappen und durchsuchte ihn gründlich. „Spreizen Sie die Beine!“

„Hey!“, sagte Dean. „Vergessen Sie mich bloß nicht!“

Daniels bugsierte Sam auf den Rücksitz des Streifenwagens. Der dickbäuchige Deputy – Jerry war der Name, den Dean aus seinem Gedächtnis hervorkramte – stieg vom Beifahrersitz und hielt den Knüppel in Bereitschaft, falls irgendetwas schiefgehen sollte. Zuerst dachte Dean, dass der Typ ihn gleich abtasten würde. Das hätte bewiesen, dass er gerade mitten in einer dicken Pechsträhne steckte. Aber der Deputy hatte das Autowrack gesehen, das ein Stück weiter die Straße runter stand, und ging weiter.

„Hey, Sheriff“, rief er ihr zu, „das wollen Sie sich sicher auch ansehen.“