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Als Sam fertig war, nickte Tommy bedächtig.

„Also diese Sache mit dem Moa’ah“, fing er an. „Das ist die treibende Kraft hinter der Schlinge, aber wenn es anwesend ist, heißt es nicht automatisch, dass die Schlinge in der Nähe ist. Verdammt, dieses Moa’ah kann sich anscheinend jahrzehnte-, manchmal sogar jahrhundertelang bei einem Infizierten herumtreiben, bis es die Gelegenheit bekommt auszubüxen.“

„Ich glaube, den Dämonen hat das keiner gesagt“, bemerkte Sam.

„Oder sie sind einfach nur verzweifelt.“ Tommy ließ eine Hand langsam über die Holzmaserung des Tisches gleiten. „Wenn die Dämonen Zivilisten foltern, um an Informationen zu gelangen, so wie Sie gesagt haben, dann hört sich das für mich verdammt verzweifelt an.“

„Was ist mit Sheriff Daniels?“, fragte Dean. „Und außerdem, was ist mit meinem Auto? Und unserem Messer?“

Tommy nickte.

„In Sachen Messer und Auto kann ich Ihnen vermutlich behilflich sein“, sagte er. „Aber Jacqueline Daniels ist keine Frau, mit der man sich anlegen sollte.“

„Wir haben ihr Santeria-Tattoo gesehen“, sagte Sam.

„Das ist nur die Spitze des Eisbergs. Ihre Familiengeschichte lässt sich bis zur echten Schlacht von Mission’s Ridge zurückverfolgen.“ Tommys Stimme wurde etwas dunkler. Er sah Nate an, der still am anderen Ende des Tisches saß und aufmerksam zuhörte. „Warum gehst du nicht nach oben und machst dich fertig fürs Bett?“

„Muss ich denn?“

Tommy sah ihn streng an. „Du hast gehört, was ich gesagt habe.“

Der Junge zog schmollend ab und murmelte leise etwas vor sich hin. Als seine Schritte auf der Treppe leiser wurden, lehnte Tommy sich zurück. Er zog eine kleine Schublade im Tisch auf und holte eine Packung American Spirits und ein Feuerzeug heraus. Er sah die Winchesters etwas verschämt an.

„Macht es Ihnen etwas aus? Ich bin runter auf eine am Tag, aber wenn ich Ihnen diese Geschichte erzähle, dann glaube ich, dass ich sie brauchen werde.“ Er schüttelte eine Zigarette hervor, zündete sie an und inhalierte. Dann lehnte er sich zurück und blies eine Rauchwolke in Richtung Fenster.

„Sie haben gesagt, dass Sie das Tattoo auf ihrem Handgelenk gesehen haben. Das ist kein Santeria im herkömmlichen Sinne. Seit Generationen praktiziert die Daniels-Familie ihre eigene verquere Version von Hinterwäldlerhexerei. Es hat schon bei ihrem Ururururgroßvater angefangen. Der ist bereits vor dem Bürgerkrieg von den Sümpfen Louisianas hergezogen und hat sich außerhalb von Mission’s Ridge niedergelassen. Nach seiner Ankunft hat es nicht lange gedauert, bis die ersten Leute zu verschwinden begannen.“

„Das war ein Vorfahre von Daniels?“

Tommy nickte. „Er hat angefangen, Menschen zu entführen, hauptsächlich Sklaven und Kinder, um an ihnen herumzuexperimentieren. Es gab Gerüchte über Menschenopfer, Kannibalismus und Vivisektion an lebendigen, bewusstseinsklaren Menschen. Daniels probierte ein paar … Abwandlungen afrikanischer Rituale aus, die er in New Orleans gelernt hatte.“

Er zog wieder an der Zigarette. Sie war schon halb weggebrannt.

Die Küche fühlte sich jetzt dunkler an.

„Nach einem Jahr oder so“, fuhr Tommy fort, „haben sich ein paar Leute aus dem Ort zusammengerottet und ihn gelyncht. Haben ihn aufgehängt und bei lebendigem Leibe verbrannt.“ Seine Augen blitzten zum Kalender, der an der Küchenwand hing. „Es steht alles in den öffentlichen Aufzeichnungen, wenn man sich die Mühe macht, ein bisschen zu suchen. In der Nacht, in der er gestorben ist, wurde ihm sein neugeborener Sohn weggenommen und von einer anderen Familie aufgezogen. Das war ein Bürgerkriegsdoktor namens …“

„Mein Gott!“ McClane rutschte mit dem Stuhl zurück und stand auf. Zum ersten Mal sah er wirklich geschockt aus. „Aristede Percy“, sagte er und sah Sam an. „Als Sie aus Beauchamps Tagebuch vorgelesen haben, sagten Sie, dass es wahrscheinlich ein Bürgerkriegsdoktor war, der die Macht der Schlinge benutzt hat, um Jubal wiederzuerwecken.“

McClane sank zurück auf seinen Stuhl. Die Möglichkeiten, die diese Verbindung eröffnet hatte, ließen sein Gesicht jetzt viel lebendiger wirken.

„Morgen jährt sich der Lynchmord an Daniels zum zweihundertsten Mal“, fügte er hinzu. Er öffnete die Zigarettenschachtel wieder, überlegte kurz und legte sie weg. „Die Macht der Schlinge dürfte auf ihrem Höhepunkt sein. Die Auswirkungen haben wir bereits gesehen, auch wenn die tatsächliche Schlinge noch nicht gefunden worden ist.“

„Sie ist aber irgendwo da draußen“, sagte Sam.

McClane nickte. Sein Gesicht sah aus wie eine grimmige Maske. „Und Jacqueline Daniels wird nicht ruhen, bis sie sie gefunden hat.“

„Sie ist der Sheriff“, sagte Sam. „Wie können wir sie aufhalten?“

„Sie müssen die Schlinge vor ihr finden. Benutzen Sie eine Spezialwaffe, um sie in Stücke zu schneiden.“

„Eine übernatürliche Waffe“, lachte Dean halbherzig, bevor seine Miene sich verfinsterte. „So was in der Art hatten wir mal.“

„Meinen Sie das hier?“

McClane griff in eine Lederscheide an seinem Gürtel, zog Rubys Dämonenmesser heraus und ließ es über den Tisch zu Dean gleiten. Der bloße Anblick ließ Deans Augen voller Enthusiasmus aufleuchten, was ihn beinahe wie ein kleines Kind aussehen ließ.

„Wo haben Sie das her?“

„Sagen wir mal, ich habe ein paar Verbindungen ins Büro des Sheriffs. Aus der Asservatenkammer verschwinden ständig Sachen. Glücklicherweise hat Sheriff Daniels keine Ahnung, wozu dieser bestimmte Gegenstand fähig ist. Wenn sie das wüsste …“ McClane schauderte und ließ den Gedanken unausgesprochen.

„Also haben wir das Messer zurück“, sagte Dean, doch seine Miene verfinsterte sich erneut. „Was ist mit dem Impala?“

„Im Abschlepphof. Wir können mal sehen, ob wir ihn morgen früh bekommen. Ich werde mit Raymond Ungeroot reden – er ist einer der Polizisten, die dort arbeiten. Er ist auch mein Neffe.“ Dean warf Tommy einen Blick zu, und der fügte verdrießlich hinzu: „Was soll ich sagen, es ist eine kleine Stadt.“

„Irgendeine Ahnung, wo die Schlinge sein könnte?“, fragte Dean.

„In diesem Punkt“, sagte McClane kopfschüttelnd, „kann ich Ihnen nicht weiterhelfen.“

„Nein“, sagte Sam. „Aber vielleicht ich. Wir brauchen jemanden, der uns in die Stadt fährt.“

Zwanzig

In der alten Kirche war es still. Mit den Taschenlampen, die sie sich von Tommy geliehen hatten, näherten Sam und Dean sich den Eingangsstufen. Irgendwo in der Ferne bellte ein Hund zweimal, heulte auf und verstummte dann. Es war zwei Uhr morgens, und über den schmalen Nebenstraßen der Stadt lag eine tiefe, narkoleptische Ruhe, die so nahe an einem Schlummer war, wie es nur eben ging.

„Erste Pfingstkirche von Mission’s Ridge“, las Dean vor und drehte sich zu Sam um.

Sam richtete seine Taschenlampe auf das Datum auf dem Grundpfeiler. „‚Im Jahr des Herrn 1833‘. Es ist das älteste noch existierende Gebäude der Stadt. Das Einzige, das die Unionsarmee nicht angezündet hat, nachdem General Meade die Rebellen auf dem Hügel vor der Stadt aufgemischt hatte.“ Er deutete auf den Weg, der um das Gebäude herumführte. „Und nach dem, was Sarah Rafferty uns erzählt hat, ist das hier der Ort, an dem sich für Dave Wolverton alles verändert hat – am Tag von Phil Oilers Hochzeit. Ich glaube, er und Phil stöberten hier herum und haben die Schlinge gefunden.“

„Und was dann? Haben sie sich das Ding abwechselnd umgelegt?“

„Es ist ein authentisches Relikt aus dem Bürgerkrieg“, sagte Sam. „Sie konnten wahrscheinlich nicht widerstehen …“ Er und Dean gingen an der Kirche entlang und folgten ihren Mauern bis zu einer dunklen Gasse.

„Pass auf!“, sagte Sam und ließ den Lichtstrahl seiner Lampe über die Bahngleise gleiten, die in der Ferne verschwanden.