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„WIR FREUEN UNS UNGLAUBLICH,

DASS IHR HIER SEID!“

„Siehst du, ich habe doch gesagt, das wäre eine gute Idee“, sagte Dean. „Sie freuen sich unglaublich.“

Sam blickte von seinem Laptop auf, den er auf den Knien balancierte.

“Ich frage mich, ob die Opfer des Massakers die berühmte Gastfreundschaft der Südstaatler ebenso sehr genossen haben“, sagte er trocken.

„Also, wen kennst du in Ilchester?“, fragte Dean.

Sam schüttelte den Kopf.

„Jemand wollte, dass wir herkommen.“

„Oder auch nicht.“

„So oder so …“

„Nennen wir die Sache doch beim Namen, Sammy“, sagte Dean. „Das Kloster St. Mary’s in Ilchester – dort hast du Luzifer freigesetzt. Das ist kein Zufall.“

Dean griff nach vorne, öffnete das Handschuhfach, zog eine lederne Brieftasche heraus und warf sie auf den Sitz neben Sam.

„Werd mal locker, Alter. Ich liebe den Süden.“

„Klar.“ Sam klappte die Brieftasche auf, um zu sehen, unter welcher Identität er unterwegs war, dann wandte er seine Aufmerksamkeit den Vororten zu. Der Impala überquerte eine Reihe von Bahngleisen und erreichte das Stadtzentrum.

Mission’s Ridge bestand aus einer schmalen Hauptstraße mit Läden auf beiden Seiten. Fußgänger drängten sich auf den Gehsteigen, aber keiner hatte es eilig, irgendwohin zu kommen. Hoch über ihren Köpfen kündigte ein Banner die Nachstellung der Schlacht von Mission’s Ridge im Rahmen der Feierlichkeiten zum historischen Jahrestag der Schlacht an. Die Schatzjäger und Schnäppchensucher zogen gleich familienweise durch die Antiquitätengeschäfte und billig gemachten Museen, in denen „Geistertouren bei Mondlicht“ und „Familienporträts in echten antiken Kostümen“ angepriesen wurden. Niemand schien sich so recht daran zu stören, dass draußen vor der Stadt vor Kurzem eine blutige Schießerei stattgefunden hatte.

Sie fuhren jetzt durch die Innenstadt. Dean verlangsamte das Tempo und bremste den Impala bis zum Stillstand ab. Vor ihnen schlenderten ein paar sonnengebräunte junge Frauen in abgeschnittenen Jeans und schulterfreien Tops vorbei. Eine von ihnen hielt an und ließ ihre Sonnenbrille nach vorne rutschen, um Dean zu inspizieren.

„Hatte ich eigentlich erwähnt“ – er schüttelte lächelnd den Kopf –, „wie sehr ich den Süden liebe?“

Sam hörte ein anerkennendes Pfeifen, und eine der Frauen blickte sich um. Von der anderen Straßenseite her kamen zwei junge Bürgerkriegssoldaten in staubiger konföderierter Kluft über die Straße geschlendert. Sie blieben genau vor dem Impala stehen, um die Mädchen anzusprechen. Die vier standen schwatzend mitten auf der Kreuzung. Eines der Mädchen streckte die Hand aus, um eine der Musketen zu bewundern.

„Hey!“, rief Dean aus dem Seitenfenster. „Mason und Dixon! Der Krieg ist zu Ende!“

Die beiden Soldaten ignorierten ihn. Dean hupte, und einer der Männer erhob den Finger zu einer, wie Dean meinte, nicht gerade historisch korrekten Geste. Langsam bewegte sich das Quartett weiter.

„Komm schon!“ Sam konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen. „Das Schlachtfeld ist auf der anderen Seite der Stadt.“

„Richtig.“ Das Auto bewegte sich nicht von seinem Standort fort.

„Dean.“

Was?“

„Konzentrier dich!“

„Das mache ich, mache ich wirklich.“ Er beobachtete immer noch die Mädchen und Soldaten im Seitenspiegel. „Mann, ein Job, in dem man viel reisen muss, sollte doch wenigstens den ein oder anderen Vorzug haben.“ Dann zuckte er mit den Schultern und wandte sich wieder Sam zu. „Hier. Richte mal deine Krawatte, die sitzt ganz schief.“ Dean streckte die Hand aus, um Sam zu helfen, doch der zuckte zusammen.

Dean runzelte die Stirn.

„Was ist los?“

Sam zögerte.

„Es geht um diesen Traum, den ich vorhin hatte. Ich erinnere mich nicht an viel, außer dass da irgendetwas um meinen Hals herum war und mir die Kehle zugedrückt hat. Ich hab keine Luft mehr bekommen.“

„Das war’s?“

„Ich glaube schon.“

Dean sah nicht überzeugt aus, und Sam konnte ihm keinen Vorwurf daraus machen. Sams Problem war, dass er sich an keine Details erinnern konnte. Und einfach das vage Gefühl des Grauens zu beschreiben, das würde seinen Bruder nur noch nervöser machen. Wenn er sich an Details erinnerte – etwa an die Stimme, die zu ihm gesprochen hatte, und daran, was sie gesagt hatte –, dann würde er es Dean erzählen. Bis dahin würde er schweigen. Zeit, das Thema zu wechseln.

„Um mal was Gutes zu vermelden, wir haben wenigstens ein starkes WLAN-Signal“, sagte Sam. Er wandte sich wieder dem Laptop zu und scrollte durch die vielen Treffer, die seine Suche nach „Mission’s Ridge“ ergeben hatte. Es gab reichlich Links zu Seiten, auf denen es um die Schlacht und die jährliche Feier mit der Nachstellung der Kampfhandlungen ging. Allerdings wurden die Schilderungen der historischen Ereignisse zurzeit in ihrer Anzahl von der aktuellen Berichterstattung über den blutigen Zwischenfall in den Schatten gestellt. Der Tenor der Berichte war, dass einer der Akteure es auf unerklärliche Weise geschafft hatte, sich und zwei Mitspieler mit einer nachgebauten Muskete und einem Bajonett, das ungefähr die Schärfe eines Buttermessers besaß, umzubringen. Die Details passten zu dem, was Rufus ihnen bereits am Friedhof erzählt hatte, allerdings mit einer entscheidenden Ausnahme: Das Blut auf den Tatwaffen wurde mit keiner Silbe erwähnt.

„Sieht so aus, als wäre der größte Teil der Kämpfe am Hang eines Hügels, der an einem Flüsschen südöstlich der Stadt liegt, ausgetragen worden“, sagte Sam und zeigte auf die Karte auf dem Bildschirm. „Dort haben die Rollenspieler auch ihr Lager aufgeschlagen.“

„Und dort sind auch die Schüsse gefallen?“, fragte Dean.

„Sieht so aus.“

Dean trat aufs Gaspedal, drehte das Radio auf und steuerte sie durch das Gewimmel.

Kurze Zeit später fand Dean einen Sender, der Midnight Rider von den Allman Brothers spielte – guter, solider Rock ’n’ Roll aus dem Süden. Die Fenster waren heruntergelassen, und eine Brise zog durch das Auto. Dean drehte die Lautstärke auf.

Schnell waren sie wieder auf dem Land, aber die Landschaft auf dieser Seite der Stadt war anders. Irgendetwas hatte die Felder hier vollkommen leer geräumt, vermutlich steckte entweder ein Feuer oder ein Immobilienentwickler dahinter. Das Gras war grün und wirkte beinahe wie mit der Nagelschere geschnitten. An der Spitze des nächsten Hügels konnte Sam Denkmäler und Kanonen ausmachen, außerdem einen Parkplatz mit Autos, der mindestens so viel Platz einzunehmen schien wie das Städtchen, das Sam und Dean gerade hinter sich gelassen hatten. Ein großes braunes Schild stand rechts neben der Fahrbahn.

Nationale historische Gedenkstätte –

Suchen nach Relikten verboten

„Ich würde sagen, hier sind wir richtig“, sagte Dean, bog auf das Grundstück ab und kämpfte sich so lange durch die Reihen, bis er einen leeren Parkplatz neben ein paar Harleys gefunden hatte. An jedem der Motorräder flatterte eine konföderierte Flagge von einer kleinen Fahnenstange am Heck. „Hast du Lust auf ein bisschen Action?“, fragte Dean.

Sam nickte und stieg aus.

„Den Medienberichten zufolge war der Name des Schützen Dave Wolverton. Er war Kellner in einem Restaurant am Flughafen von Atlanta. Das hier hat er nur am Wochenende gemacht.“

„Tja“, sagte Dean und wies mit einer Geste über den Parkplatz. „Wie es aussieht, war er da nicht alleine.“

Als sie auf der Spitze des Hügels angekommen waren, schaute Sam nach Westen, und Dean sah, wie ein Ausdruck von Unglauben über das Gesicht seines Bruders huschte. Jenseits des Zuschauerfeldes schien sich der Hang nicht nur räumlich, sondern auch zeitlich in weite Ferne zu erstrecken. Ganze Armeen von Männern in blauen und grauen Uniformen biwakierten zu beiden Seiten des Flüsschens, das sich am Fuße des Hügels entlangzog. Soweit das Auge reichte, über ein Gelände von gut und gerne einigen Quadratkilometern, waren Zelte, Wagen, Pferde, Kanonen, Flaggen und landwirtschaftliche Geräte verstreut.