»Vierzigtausend Legionäre lassen sich nicht einfach ersetzen«, gab Canidius zu bedenken.
»Ich hole mir die Legionen, die Octavian mir seit Tarent noch schuldig ist.«
Ahenobarbus spuckte aus. »Von diesem treulosen Schurken bekommst du nichts. Der geht der eigenen Mutter ans Leben, wenn er sich davon Gewinn verspricht.«
»Abwarten. Doch im Grunde brauchen wir Octavian auch nicht, Kleopatra hat uns ihre Unterstützung zugesagt.« ,
Nach diesen Worten schauten alle unbehaglich zu Boden. »Wieviel Geld hat sie mitgebracht?« fragte Ahenobarbus.
»Dreihundert Talente.«
»Das ist noch nicht einmal das Lösegeld für einen König«, murrte Ahenobarbus.
»Sie hat den Winterstürmen getrotzt, um zu uns zu kommen. Sie hat uns Nahrung, Kleidung und Geld besorgt. Glaubst du nicht, daß sie Dankbarkeit verdient?«
»Sie will dich nur als Werkzeug ihrer Macht.«
Tödliches Schweigen. Antonius starrte Ahenobarbus finster an.
»Wir müssen Vorsicht walten lassen«, sagte Dellius schließlich bedächtig. »Wir sollten nehmen, was sie gibt, und ihr dafür unsere Freundschaft bieten. Doch erneuern müssen wir uns in Rom, nicht in Alexandria. Für eine weitere Schlacht bedarf es guter römischer Soldaten, und die bekommen wir in Ägypten nicht.«
»Ich werde Alexandria als Stützpunkt für die Eroberung Armeniens wählen«, beharrte Antonius.
»Und ich bin für Rom und nicht für Alexandria«, widersetzte sich Ahenobarbus.
»Sie ist meine Königin«, hielt Antonius ihm entgegen. »Das scheinst du dabei zu vergessen.«
»Sie ist eine nützliche Verbündete«, kam es von Plancus.
Bei allen Göttern, dachte Antonius, auch diese kleine Kröte will ihr Quaken beigetragen haben.
»Ihr seid vor allem Triumvir«, fuhr Plancus fort. »Und Römer! Das macht die Rückkehr nach Rom zur Pflicht. Wir werden uns dort wieder stärken.«
»Was denkst du, Canidius?« erkundigte sich Antonius.
Canidius' zerfurchte Stirn legte sich in noch tiefere Falten. »Es steht außer Frage, daß wir im Moment Kleopatras Hilfe benötigen. Sie hat die Schiffe, um uns nach Ägypten zu bringen, und sie hat das Getreide und das Geld, dessen wir dringend bedürfen. Es wäre eine gute Allianz gewesen, wenn wir Parthien erobert hätten. Doch nun ist es nicht ratsam, sich ihr noch enger anzuschließen. Ihr solltet das Augenmerk Rom zuwenden und den Osten vergessen, da Eure Situation sonst gefährlich wird.«
»Weil sie mein Lager teilt?«
Die anderen schwiegen.
»Rom interessiert sich nicht für das nächtliche Treiben seiner Generäle. Ein kleiner Liebesskandal ist ohne Bedeutung. Denkt an das Beispiel von Caesar.«
»Die Verbindung mit Alexandria wird uns an den Abgrund führen.«
»Wir haben keine Wahl«, beschied Antonius. »Ohne Geld gibt es keine Armee, und Kleopatra ist meine Bank. Es ist nie klug, den Geldverleiher vor den Kopf zu stoßen.«
»Noch weniger klug ist es jedoch, mit ihm das Lager zu teilen«, knurrte Ahenobarbus.
»Diese Ansicht solltest du überdenken«, erwiderte Antonius, »denn deine Taschen sind immer leer.«
Plancus brach in wieherndes Gelächter aus.
»Ihr segelt dennoch in gefährlichen Gewässern«, ließ Dellius sich vernehmen.
»Das läßt sich nicht vermeiden, wenn man Entscheidungen trifft«, entgegnete Antonius. »Es ist nun beschlossene Sache. Wir gehen nach Alexandria.«
Er hieb mit der Faust auf den Tisch, um seine Worte zu unterstreichen. Dann wandte er sich ab und stapfte aus dem Zelt ins Freie.
9
Sie warteten, bis sich das Wetter beruhigte, ehe sie Antonius' Armee nach Alexandria verluden. Antonius überwachte den Aufbruch, der etliche Wochen in Anspruch nahm.
Eines Tages tauchte ein anderes Schiff im Hafen auf, ein römischer Segler. Dellius kam zu ihnen gerannt und verkündete atemlos, daß sich an Bord ein Bote befände, mit einer Nachricht aus Griechenland.
Der Bote kam von Octavia. Sie war in Athen und hatte siebzig Kriegs- und Versorgungsschiffe dabei sowie zweitausend der besten römischen Soldaten, sorgfältig ausgesuchte Männer, die zu Octavians Leibgarde gehörten. Sie unterstanden ihrem Befehl. Octavia, so hieß es, erwarte Antonius' Anweisung, wie nun weiter zu verfahren sei.
Kleopatra hatte die Lippen spöttisch gekräuselt. »Edler Antonius«, sagte sie. »Du bist wahrlich auserwählt unter den Menschen. Eine Niederlage, und schon kreuzen sämtliche Ehefrauen auf, die im Eifer, dir zu helfen, mit ihren Schiffen beinahe kollidieren.«
Antonius brachte ein mühsames Lächeln zustande. Sieh an, dachte Kleopatra, sein Wort, auf das er sich so gern beruft, scheint nur unter Männern zu gelten, denn wenn es um Frauen geht, schwankt er wie ein Rohr im Wind. Ich habe mich zwar den Winterstürmen ausgesetzt und halb Ägypten geplündert, um zu ihm zu kommen, doch nun ist er satt, hat Schiffe und Geld und kann wieder neue Angebote prüfen.
»Zweitausend Mann«, murmelte Antonius. »Der kleine Giftzwerg schuldet mir zwanzigtausend! Er hat einen Vertrag unterzeichnet, in dem er mir für meine Schiffe vier Legionen versprach.«
»Wenn du die vier Legionen hättest, würdest du zu ihr gehen, nicht wahr?«
Antonius gab keine Antwort.
Was ist das für eine Frau - diese Octavia? fragte sich Kleopatra. Ihr Mann hatte eine andere geheiratet, mit der er sogar auf Münzen abgebildet ist, und dennoch bricht sie im Winter auf und segelt ihm ungefragt nach. War sie so sanft und gut, wie man es ihr nachsagte, oder steuerten andere ihr Tun, von denen einer Octavian war?
»Ich gehe nicht nach Athen«, sagte Antonius.
»Gibst du mir darauf dein Wort?«
Er zögerte.
Wie widerlich du bist, Antonius! dachte Kleopatra. Und ich war kurz davor, Erbarmen mit dir zu haben.
»Geh nach Athen oder nach Alexandria, du hast die Wahl. Wenn du mit mir ziehst, bist du der Herrscher des Ostens. Wenn du Athen vorziehst, bist du nur der Schwager des Triumvirs.«
Antonius blieb lange Zeit still. Dann schüttelte er den Kopf. »Zweitausend Mann«, wiederholte er immer noch ungläubig.
Sie tranken sauren Wein und kauerten wie Verschwörer beim Licht der Öllampe im Zelt: Antonius, Sisyphus, Ahenobarbus und Canidius. Alle vier waren bereits im fortgeschrittenen Stadium der Trunkenheit.
Sisyphus mit seinem wunden Armstumpf kletterte auf den Tisch und stimmte mit schwerer Zunge ein Lied an.
Jung Caesar ist ein guter Gesell', da läßt sich kein Makel finden. Ob schöner Mann, ob schöne Frau, er nimmt sie von vorn und von hinten.
Antonius brüllte vor Lachen, während Ahenobarbus finster vor sich hin brütete. Antonius befahl Sisyphus, noch ein Lied zum besten zu geben.
Früher hieß er Octavian, jetzt ist der Kleine göttlich. Maecenas schüttelt den Kopf und sagt, sein Hintern ist unersättlich.
Antonius lachte erneut, doch diesmal klang es ein wenig gezwungen. Ahenobarbus beugte sich zu ihm vor, seine Gesichtszüge waren grimmig verzerrt. »Du solltest nach Rom zurückgehen«, murmelte er. »Die ganze Stadt würde dir zu Füßen liegen. Es gibt noch andere Träume als die, die du hier vergeblich geträumt hast.«
»Ich will auf einem Pferd durch Babylon reiten - wie Alexander.«
Ahenobarbus und Canidius tauschten resignierte Blicke aus. Der Imperator führte sich auf wie ein Schläger, der einen Boxkampf verloren hatte. Das einzige, was ihm im Kopf herumspukte, war, sich aufzurappeln und erneut dreinzuschlagen, um es dieses Mal allen zu zeigen.
»Hier können wir unsere Verluste nicht ersetzen«, sagte Ahenobarbus. »Wenn wir neue Legionen wollen, müssen wir nach Italien zurück.«
»Zweitausend Mann«, beschwerte sich Antonius. »Selbst Fulvia hatte dreitausend dabei, als sie nach Athen kam. Das ist doch keine Armee, sondern nur eine Leibgarde!«
»Wir haben Rom zu lange den Rücken gekehrt«, warf Sisyphus nun ein. »Sechs Jahre wart Ihr nicht mehr dort, doch Rom ist immer noch Mittelpunkt der Welt.«