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Kleopatra hörte, wie in der Nähe einer der Priester zu Ehren der Göttin mit hoher Stimme ein Loblied anschlug.

Sie legte ihre Opfergaben aus Blumen und Früchten am Fuß der Statue nieder und bat die Große Mutter stumm um deren Beistand.

Nachdem sie die Andacht beendet hatte, wanderte sie zurück durch die prächtig anzusehenden Palastgärten mit den weißen Blumen des Frühlings und erhielt die Nachricht, daß der Apis-Stier gestorben war.

Kleopatra lag bäuchlings und nackt auf der glatten Alabasterbank. Iras, ihre Nubierin, knetete ihr Rücken und Schultern mit wohlriechenden Ölen. Eine zweite Sklavin massierte ihr Mandelmilch in die Hände, während die dritte ihr die Füße mit Minzwasser rieb. Charmion kämmte mit einem Schildpattkamm ihre langen dunklen Haare.

Sie hatte Mardian rufen lassen, hatte für das Gespräch jedoch auf das Gitter des Wandschirms verzichtet. Bei ihm scherte sie sich nicht um Fragen der Schicklichkeit. Es gab ohnehin niemanden, der sie besser kannte, und abgesehen davon hatte man ihm die männlichen Bedürfnisse bereits im Alter von zehn Jahren abgetrennt.

Die fleischigen Kinnbacken bebten wie die Hautlappen eines Stieres, als er dahergeschritten kam. »Majestät«, sagte er, ließ sich schwer auf die Knie fallen und neigte die Stirn bis zum Boden.

»Du hast die Neuigkeit zweifellos schon gehört. Der heilige Apis-Stier ist tot.« Der Apis-Stier galt als Inkarnation des Ptah, des Gottes von Memphis. Man wählte ihn nach den immer gleichen Bedingungen aus; er hatte schwarz zu sein, mit einer weißen Raute auf der Stirn, einem Halbmond auf der rechten Flanke und dem Zeichen des Skarabäus auf der Zunge.. Er wurde verwöhnt wie kein anderes Tier auf der Erde, und wenn er starb, wurde er mumifiziert und wie ein Pharao in ein Grabmal gelegt, das bereits seine Vorfahren beherbergte. Der Bestattung folgte eine langwierige Weihezeremonie für den Nachfolger, der auf einer Barke den Nil hinauf begleitet wurde, bevor er in seiner neuen Heimstatt, dem Tempel des Ptah, Einzug hielt.

Der Tod des Stieres, so bald nach dem Tod ihres Vaters, wurde bereits als böses Omen gewertet. Auf dem Markt von Alexandria wurde verkündet, daß es sich dabei um ein Zeichen der Götter handele, die es nicht guthießen, daß eine Königin ohne König regierte. Fraglos hatte Pothinos dazu beigetragen, daß sich derartige Gerüchte verbreiteten.

Ich werde ihnen zeigen, daß ich keine dumme Gans bin, die sich von Eunuchen und Aufschneidern kommandieren läßt, dachte Kleopatra. Ich werde dieses Omen in einen Vorteil verwandeln und die Gelegenheit nutzen, meine eigene Bastion der Macht aufzubauen, jenseits von Alexandria und seinen Ränke schmiedenden Griechen und Judäern.

»Ich habe beschlossen, selbst an der Bestattung teilzunehmen.«

Mardian schaute verdattert drein. Dieses Mal hatte sie ihren Lehrer überrumpelt. Sie spürte, wie sich ein Gefühl des Triumphes in ihr breitmachte.

»In Memphis?« fragte er. »Keiner der Ptolemaier hat je den ägyptischen Göttern gehuldigt.«

»Nun, dann wird es eben das erste Mal sein«, erwiderte sie mit zuckersüßem Lächeln.

»Ich verstehe«, sagte er, wobei seine Miene aussah wie eine Hieroglyphe für Sprachlosigkeit.

Kleopatra stützte das Kinn auf die Hände. Vielleicht schaffe ich es doch, dachte sie. Wenn ich schon meinen eigenen Lehrer verblüffen kann, dann gelingt es mir vielleicht auch bei dem Regentschaftsrat. »Wir wünschen, daß die königliche Barke hergerichtet wird. Wir werden dem Apis-Stier die letzte Ehre erweisen und den Nachfolger willkommen heißen.«

»Ist das klug, Majestät?«

»In Alexandria liebt mich ohnehin niemand, Mardian. Aber ich bin nicht nur die Königin dieser einen Stadt. Ich bin Herrin der zwei Länder, und ich beabsichtige, dem Rat zu zeigen, daß man mich nicht im Palast einsperren kann. Was glaubst du, wie die Priester und die Menschen der chora reagieren, wenn sie sehen, wie ihre Königin, als Ebenbild der Isis, einem ihrer Götter die Ehre erweist? Meinst du nicht, daß sie uns dafür lieben werden?«

Sie lächelte, schloß die Augen und überließ sich den kundigen Händen ihrer Sklavinnen.

Mardian warf einen verstohlenen Blick auf diesen festen braunen Körper auf der Alabasterbank, ehe er sich zurückzog. Ein so zarter Körper für eine Person von so starker Entschlossenheit! Wenn man den Beweis nicht vor Augen hätte, vermochte man sie kaum für eine Frau zu halten. Sie haben sie alle unterschätzt, ging es ihm durch den Kopf. Nur er nicht. Schon als Kleopatra noch ein Kind war, hatte er erkannt, daß sie sich von ihren Brüdern und Schwestern unterschied, daß sie auch eine ganz andere Persönlichkeit war als ihr Vater. Pothinos, Theodotos - keiner von ihnen hatte auch nur die Spur einer Ahnung, mit wem sie es hier zu tun hatten. Halsstarrig ja, und auch eigensinnig, aber ausgestattet mit messerscharfem Verstand. Kein anderer der Ptolemaier hatte sich je damit abgegeben, die Sprache der Menschen zu lernen, die sie regierten. Sie war die erste. Und sollte sich Isis tatsächlich entschieden haben, nach Ägypten zurückzukehren, dann würde es ihn in keiner Weise wundern, wenn sie sich die kleine Kleopatra als Inkarnation ausgesucht hätte.

Sie befanden sich in einem Ägypten, das den Griechen und Juden Alexandrias gänzlich unbekannt war. Lehmhütten, die sich unter hohen Palmdächern duckten, Esel, die knarrende sakkiehs zogen, Wasserräder, die sich gemächlich drehten. Alexandria wurde vom Blau des Meeres und dem Weiß seiner Gebäude beherrscht. Es gab dort so viele Völkerschaften, daß die Stadt wie ein einziger bunter Basar wirkte. Hier jedoch dominierten Braun- und Grüntöne, und ein Gesicht sah aus wie das andere, mit Adlernase und schwarzen Augen. Sie hatten in Alexandria inmitten eines Unwetters die Segel gesetzt, doch nun war der Nil friedlich, der Himmel klar, die Luft still und warm.

Es war das zweite Mal, daß sie die Stadt verließ, um die chora zu besuchen. Beim ersten Mal hatte es sich um ihre Krönungsreise gehandelt, als sie zur Mitregentin gekürt wurde. Der Besuch lag nur wenige Monate zurück. Seit Beginn der Ptolemaierherrschaft, zur Zeit Alexanders, hatte sich jeder König einmal in Alexandria krönen lassen und dann noch einmal in Memphis, dem Krönungsort der Pharaonen.

An jenem Tag in Memphis hatte ihr ein kahlrasierter Priester den königlichen Krummstab mit dem Dreschflegel überreicht und ihr die Doppelkrone der Pharaonen aufgesetzt, das Kobradiadem Unterägyptens und den weißen geiergestaltigen Kopfschmuck Oberägyptens. Damit wurde sie zur Herrin der beiden Länder, ein Tatbestand, den die Ptolemaier offenbar vergessen hatten und dem Kleopatra nun erneut Aufmerksamkeit zollte.

Das Leben ist ein Trugbild, hatte der Vater ihr einmal gesagt. Niemand betrachtet dich als Mädchen mit glänzendem dunklem Haar, schmaler ägyptischer Nase und bronzefarbener makedonischer Haut. Niemanden kümmert es, daß du dich vor Schlangen fürchtest, daß dir vor der Dunkelheit graut und daß du Oliven naschst. Was man von dir erwartet, ist eine gottgleiche, makellose Königsgestalt. Du mußt so unwirklich sein wie ein Traum - nur dann werden sie dich lieben.

Und nun ruhte sie auf einem Diwan auf dem Zedernholzdeck der königlichen Barke, im Schatten des goldgesäumten Seidenbaldachins, umringt von nubischen Sklaven mit langstieligen juwelenbesetzten Fächern. Das dunkle Haar fiel ihr in sanften Wellen auf die Schultern, gehalten von dem goldenen Stirnband mit den zwei Federn der Gerechtigkeit, darüber die runde Scheibe, das silberne Antlitz des Mondes, glänzend wie ein Spiegel. Ihr weißes Leinengewand war in der Mitte mit dem mystischen Knoten geschnürt, die entblößten Brüste blau gefärbt. Um ihren rechten Arm wand sich die goldene Schlange.