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Die Ruderblätter mit den silbernen Enden funkelten, wenn sie im Wasser ein- und auftauchten. Jede Meile wurde von Scharen kleiner Kinder begleitet, die aus den Lehmhütten stürzten, und von Bauern mit sonnengebräunter Haut und weißen Lendenschurzen, die zum Ufer rannten und mit offenem Mund die Göttin anstarrten, die zu ihnen zurückgekehrt war.

Ist das wirklich unsere Königin, hier in der chora? Ist das tatsächlich unsere Isis?

Kleopatra litt unter der Hitze, die sich unter dem Baldachin Staute. Ermattet hob sie die Hand, um die ehrfürchtige Menge zu grüßen. Selbst beim leichtesten Wiegen der Barke wurde ihr übel, und das Leinenkleid lastete ihr schwer und unbequem auf der Haut.

Doch sie wußte, daß diese Scharade von ausschlaggebender Bedeutung war. Die Zweifel, die sie seit dem Tod des Vaters gequält hatten, wurden schwächer, je weiter sie den großen Nil hinaufsegelten. Ganz allmählich stieg eine Hochstimmung in ihr auf, eine tiefe Gewißheit hinsichtlich des eigenen Schicksals. Ich schaffe es, sagte sie sich. Ich kann mich im Palast der Schlangen behaupten.

Sie wurde in einer Sänfte am heiligen Weiher entlanggetragen und dann über eine gepflasterte, mit Sphingen gesäumte Straße zum Tempel von Apis. Sie hörte die schwermütigen Musikklänge, die aus dem Tempel drangen, und roch den süßsauren Weihrauch, der über der stillen, heißen Luft schwebte. Die Priester traten aus dem Tempel, um sie willkommen zu heißen, in blauen Gewändern der Trauer, die Köpfe rasiert.

Als erstes begrüßte sie Pshereniptah, der Hohepriester von Memphis.

»Erhabene Königin«, murmelte er. »Ihr erweist uns eine große Ehre.«

»Im Gegenteil«, erwiderte sie. »Ich bin gekommen, um Ptah die Ehre zu erweisen.« An seiner Miene erkannte sie, daß sie ihre Worte klug gewählt hatte.

Die Anlage von Sakkara war der heiligste Ort Ägyptens. Sie passierten die gewaltige Stufenpyramide des Königs Djoser, die schwarz in der heißen Ödnis schimmerte, mit den mächtigen Wällen aus Lehmziegeln, mastabas längst verstorbener Priester und Wesire. Danach wohnte Kleopatra den Bestattungsriten für den toten Stier im Tempel bei und schritt anschließend in der Prozession zu den nahe gelegenen Katakomben.

Den Eingang schmückten im Halbkreis angeordnete Statuen griechischer Dichter und Philosophen, in der Mitte Homer, dann Pindar mit der Lyra und Plato. Sie waren Schenkungen ihres Vaters. Er hatte den Priestern zu Lebzeiten großzügige Spenden zukommen lassen, damit sie die Tempel und heiligen Stätten instand halten oder erneuern konnten. Er war es auch gewesen, der Kleopatra geraten hatte, sich nicht nur als griechische Prinzessin zu verstehen, sondern gleichzeitig auch als Erbin der ägyptischen Pharaonen.

Über eine Rampe drangen sie tiefer in die Innenhöhlen der Wüste, in denen es dunkel und stickig heiß war. Die Priester sangen Klagelieder, und der Rauch der Fackeln brannte Kleopatra in der Lunge, doch sie schritt unentwegt weiter, hinab in das unterirdische Gelaß, vorbei an mächtigen Sarkophagen, bedeckt mit Hieroglyphen, tausendjährige mumifizierte Überreste früherer Apis-Stiere.

Die Luft im Inneren war dünn und faulig vor Alter und Staub, sie roch nach Hitze und Verfall. Ein Skorpion huschte durch den Sand und rettete sich aus dem Licht der Fackeln in die dunklen Schattenränder.

Schließlich wurde der mumifizierte Stier von einer schweißnassen Sklavenphalanx durch den schmalen Gang getragen. Ihr Keuchen ging unter im klagenden Singsang der Priester. Der Stier war riesig im Tod, fest eingeschnürt in weiße Bandagen, nur die Hörner schauten hervor. Große Kanopen faßten die Eingeweide und Organe. Die Trage wurde in das weiße Alabasterbett des rosafarbenen Granitsarkophages gesenkt, anschließend ließ man die wuchtige Steinplatte herab.

Der heilige Apis-Stier hatte seine letzte Ruhestätte gefunden und war nun bereit für die nächste Inkarnation.

In dieser Nacht, während der Trauerfeierlichkeiten im Tempel, beugte sich Pshereniptah zu Kleopatra hinüber und flüsterte: »Niemand wird Eure Anwesenheit hier jemals vergessen. In den Augen der Priester und der Menschen hier seid Ihr nicht mehr nur Kleopatra. Jetzt seid Ihr Isis.«

3

Königin zu sein, das lernte Kleopatra rasch, bedeutete auch, den immer gleichen Pflichten nachzugehen, denn jeder Tag bestand aus einer endlosen Abfolge von Ratsversammlungen. Und Regieren erforderte, daß man sich in Einzelheiten auskannte, gleichgültig ob es sich dabei um Kanalerweiterungen handelte, die Erhebung von Einfuhrzöllen oder die Ernennung von Beamten.

Mit dem obersten Minister, dem dioiketes, an ihrer Seite empfing sie die strategoi, die den Distrikten vorstanden, oder ließ ihnen Direktiven zukommen. Darüber hinaus hatte sie als Pharaonin auch dem Volk zugänglich zu sein, deshalb hielt sie anschließend hof im großen Audienzsaal, nahm Anträge und Bittgesuche entgegen und übte das Amt der Richterin aus. Zwischendurch durfte man natürlich nicht versäumen, sich bei dem Hohenpriester nach dem Wohlbefinden des heiligen Apis-Stiers zu erkundigen.

Kleopatra hatte weit mehr Probleme geerbt, als sie gedacht hatte. Das Land wurde von einem riesigen Verwaltungsapparat gelähmt, und in der chora breitete sich ein wild wuchernder Nationalismus aus. Viele fellahin hatten die Felder im Stich gelassen, weil sie die Steuern nicht bezahlen konnten, die ihr Vater erhoben hatte, und die ersten Anzeichen einer Hungersnot hatten zu Aufständen in Oberägypten geführt. Diesem letzten Problem hatte sich Kleopatra allerdings unverzüglich gewidmet, denn schließlich waren in der Vergangenheit mehr Herrscher hungrigen Volksmassen zum Opfer gefallen als feindlichen Heerscharen.

Sie hatte Pothinos und die übrigen Mitglieder der Regierung in großes Erstaunen versetzt, als sie verkündete, sie würde die Währung um ein Drittel abwerten, um die Ausfuhr zu steigern und dem Schatzamt Gelder für den Getreideimport zu verschaffen. Gleichzeitig verordnete sie die Rationierung der Ernteerträge.

Die Gefahr einer Hungersnot war somit fürs erste gebannt. Unterdessen wartete man jedoch auf Nachricht aus Griechenland, um zu erfahren, wie der Kampf zwischen Caesar und Pompejus entschieden worden war. Alle waren sich einig, daß Pompejus den emporgekommenen Feldherrn besiegen würde, wenngleich dieser in Gallien eine beachtliche Reihe militärischer Erfolge geerntet hatte. Kleopatra selbst war fest davon überzeugt, daß sich ihre Entscheidung, Pompejus mit Truppen und Proviant zu versorgen, als richtig herausstellen würde. Das würde Pothinos eine kleine Lektion in Sachen Diplomatie erteilen.

Die Gefühle von Furcht und Einsamkeit, die sie seit dem Tod des Vaters heimgesucht hatten, waren verschwunden. Sie kam sich längst nicht mehr wie eine Hochstaplerin vor, wenn sie auf Alexanders Thron Platz nahm. Ich habe mich unterschätzt, dachte sie insgeheim. Doch dann wurden zwei römische Gesandte von betrunkenen Legionären ermordet, und Kleopatras neugefundenes Selbstvertrauen löste sich auf wie die Morgennebel über dem See Mareotis.

Ganz Alexandria feierte. Man könnte meinen, wir hätten die glorreiche Marslegion bezwungen und das Forum geplündert, ging es Kleopatra durch den Kopf. Dabei handelte es sich bei den Mördern noch nicht einmal um Ägypter.

Die beiden Gesandten waren Söhne des römischen Statthalters Marcus Bibulus gewesen. Sie waren von römischen Legionären getötet worden, die vor der Stadt stationiert waren -Männer, die Pompejus vor acht Jahren ihrem Vater zur Verfügung gestellt hatte, um ihm im Falle eines Aufstands Schutz zu gewähren. Richtige Römer waren das allerdings nicht, sondern vorrangig Germanen und Gallier. Menschen mit stinkendem Atem und zottigen Bärten, die zuviel tranken und die Basare der Stadt plünderten, wenn ihnen der Sinn danach stand. Viele von ihnen hatten in Rhakotis Frauen gefunden, die genauso häßlich waren wie sie, und einige hatten sogar eine stattliche Anzahl Kinder in die Welt gesetzt.